Rede von Dr. Bernhard Knierim, Biophysiker, Politikwissenschaftler, Autor und Mitbegründer von ‚Bahn für Alle‘, auf der 513. Montagsdemo[1] am 18.5.2020
Liebe Freundinnen und Freunde einer besseren Bahn!
Seit inzwischen zwei Monaten ist nichts mehr, wie es war: Das Coronavirus hat unser Leben kräftig durcheinandergewirbelt, Schulen und Kitas sind geschlossen, viele müssen von zu Hause arbeiten, und andere verlieren ihre Jobs sogar ganz. Und nicht einmal mehr die Stuttgarter Montagsdemos, die es seit 10 Jahren ohne Unterbrechung gibt, dürfen mehr regulär stattfinden. Umso größeren Respekt habe ich vor Euch, dass Ihr auch für diese Situation gleich eine Antwort gefunden habt, und es die Demos nun einfach online gibt. So auch diese 513. Montagsdemo gegen Stuttgart 21, und ich bedanke mich sehr für die Einladung. Diesmal kann ich also ohne Reise nach Stuttgart direkt hier aus Brandenburg zu Euch sprechen, was auch mal eine Abwechslung ist. Es fühlt sich nur etwas komisch an, keine Reaktionen auf die Rede zu bekommen, sondern mir stattdessen vorzustellen, wie Ihr alle zu Hause vor Euren Computern sitzt und das anhört.
Die Coronakrise trifft aber nicht nur uns alle, sondern auch die Verkehrsunternehmen heftig. Es ist nur noch ein Bruchteil der Menschen in Bussen, Bahnen und Flugzeugen unterwegs – sowohl im Nah- als auch im Fernverkehr. Ein Teil der Fahrgäste aus dem öffentlichen Nahverkehr ist auf das Fahrrad umgestiegen – so viele, dass jetzt immer mehr Städte dem Beispiel von Bogotá folgen und sogenannte Pop-Up-Fahrradwege markieren. Auch in Berlin gibt es inzwischen viele Kilometer davon – in Stuttgart leider noch keine offiziellen, sondern bisher nur einen temporären, den Aktivistinnen und Aktivisten eingerichtet haben.
Parallel findet aber genauso der Umstieg vom öffentlichen Verkehr in das Auto statt, in dem man sich den Raum eben nicht mit anderen, vielleicht ansteckenden Menschen teilen und einen Mundschutz tragen muss. Die Folge davon ist aber leider, dass wieder mehr Feinstaub und Stickoxide ausgestoßen werden, die extrem ungesund für die Mitmenschen sind. Und besonders im Zusammenspiel mit einer Covid-19- alias Corona-Infektion sind diese Luftschadstoffe ganz besonders schädlich. Wir brauchen in diesen Corona-Zeiten also noch mehr als sonst eine massive Reduktion von Auto- und Flugverkehr als sowieso schon – sowohl für die Umwelt und das Klima als auch für die Mitmenschen.
Wie die Bahn in Zukunft aussehen wird, wenn das Coronavirus offensichtlich nicht einfach wieder so verschwindet, ist noch ziemlich unklar. Jahrelang hat die Deutsche Bahn AG versucht, immer mehr Menschen immer dichter in ihre ICE- und InterCity-Züge zu packen. Der traurige Höhepunkt ist der neue ICE-4, der noch enger gebaut ist als die früheren Generationen, um die Wagen verlängern und so bei gleicher Zuglänge einen Wagen einsparen zu können. Das merkt man als Fahrgast leider deutlich: Die Sitze sind noch dichter gedrängt, und die Gänge sind wesentlich enger. Es sollte die maximale Anzahl an Fahrgästen in den Zug passen, auch wenn der Komfort darunter leidet. weiterlesen →