Rede von Dieter Reicherter, Vorsitzender Richter am Landgericht a.D., auf der 594. Montagsdemo[1] am 3.1.2022
Liebe Freundinnen und Freunde,
gerade erst hat das neue Jahr angefangen, und schon bin ich auf der virtuellen Bühne der Montags-Demo.
Zunächst möchte ich Euch zum Neuen Jahr alles Gute wünschen, natürlich vor allem Gesundheit. Gleichzeitig möchte ich unseren Mitstreiterinnen und Mitstreitern für den tollen Einsatz im vergangenen Jahr danken, allen voran der Mahnwache! Mein persönlicher Wunsch ist, dass wir uns recht bald wieder auf der Straße sehen können. Denn Euch persönlich zu treffen ist noch mal etwas ganz anderes als eine Botschaft über das Internet zu verbreiten. Kurz gesagt: Ihr fehlt mir!
Die heute angesprochenen Themen Korruption und Überflutungen sind nicht abgeschlossen. Die Aufklärung muss weitergehen.
Zum Stichwort Korruption fiel mir spontan das Lied von Die Doofen ein: „Mief (nimm mich jetzt, auch wenn ich stinke)“. Der preisgekrönte Wirtschaftsjournalist Olaf Storbeck, der maßgeblich an der Aufdeckung des Wirecard-Skandals beteiligt war, ist bei seinen Recherchen auf Stuttgart 21 gestoßen. Mit seinen bisherigen Veröffentlichungen in der Financial Times über den Verdacht von Korruption und Missmanagement bei der DB Projekt Stuttgart-Ulm GmbH, kurz genannt PSU, hat er erst einen Zipfel des Wirtschaftskrimis erwischt. Ich hoffe, er bleibt am großen Thema dran, und will ihm zurufen „Junge komm bald wieder“. Denn der Geruch der Korruption zieht sich von der Erfindung des Projekts S21 bis zur jüngsten Vereinbarung zwischen Stadt und Bahn. Die Gigantomanie sorgt für sprudelnde Einnahmen der Bauwirtschaft, auch durch Immobilienspekulationen und den Bau eines neuen Stadtviertels.
In einem Geheimvertrag hat die Stadt soeben die Bahn von immensen Risiken bei der Sanierung des verseuchten Bodens befreit. Dazu wurden der Bahn noch etliche Milliönchen an erlassenen Zinsen in den Hintern geschoben. Und alles nur, damit sich einige schneller beim Bau des Rosensteinquartiers eine goldene Nase verdienen können. Dieses Handeln erinnert mich sehr an die Bürgermeister und Kämmerer, die wegen finanzieller Spekulationen im Knast landeten. weiterlesen →