Rede von Volker Lösch, Theaterregisseur, auf der 600. Montagsdemo[1] am 14.2.2022
Liebe Mitstreiter*innen gegen Stuttgart 21!
Heute vor genau 10 Jahren wurde dem bis dahin zahlreichen Protest gegen das sinnloseste Bauprojekt Deutschlands kurzzeitig und sprichwörtlich der Boden unter den Füßen weggerodet. Der mittlere Schlossgarten wurde gewaltsam geräumt, und die Bürger*innen von Stuttgart sollten von da an bis heute diesen Ort nicht mehr betreten. Es ist nicht vorstellbar, dass die an derselben Stelle nun entstehende Betonfläche auch nur ansatzweise das ersetzen kann, was vorher da war: eine großzügige und menschenfreundliche Naturoase, die mitten in einer durch Verkehr und Hektik belasteten Metropole für alle zur Verfügung stand. Es war ein kommunikativer und in höchstem Maße demokratischer Ort, ein Symbol gegen die Kommerzialisierung der Öffentlichkeit, ein städtebauliches Statement gegen die damals schon weit vorangeschrittene Kapitalisierung aller Lebensbereiche.
Kein richtiges Leben im Falschen
Ich erinnere mich noch genau an den tristen Morgen danach, als die Geräusche der Kreissägen und Abrissbagger, die das Protestlager zerstörten, uns Zuschauende hinter Bauzäunen in eine tiefe und sprachlose Traurigkeit versetzten. Niemand hätte zu diesem Zeitpunkt gedacht, dass wir 10 Jahre danach noch immer als Protestierende da sein würden, viele formulierten, dass nun der Endpunkt des Widerstands erreicht sei. Dass dem nicht so ist, verdanken wir einerseits dem Sachverstand, Charakter und der Konsequenz unserer Protestbewegung, die sich in bewundernswerter Weise immer weiterentwickelt und den Unmengen von Lügen und Falschinformationen nach wie vor entgegenstellt. Und wir verdanken es andererseits dem Projekt S21 selbst, welches in seiner destruktiven Dimension inzwischen ein solches Ausmaß angenommen hat, dass es nicht schwer fällt, immer weiter dagegen vorzugehen. Wer schon vor 10 Jahren schlüssige und vernünftige Argumente dagegen hatte, bleibt als Kritiker*in dran, wenn diese im Laufe der Jahre immer noch zahlreicher und überzeugender werden. Wenn etwas Falsches sich immer mehr als falsch erweist, dann ist es geradezu eine Verpflichtung, für das Richtige weiter einzustehen. weiterlesen