Rede von Prof. Dr. Heiner Monheim, Verkehrswissenschaftler, auf der 600. Montagsdemo[1] am 14.2.2022
Liebe Stuttgarter Bahninteressierte, liebe bahnengagierte Demonstranten bei der 600. Montagsdemo in Sachen Stuttgart 21!
Es ist glaube ich das vierte Mal, dass ich die Gelegenheit habe, bei einer Montagsdemo ein paar Grundüberlegungen zur Bahnpolitik und zu eurem Projekt anzustellen. Ich will das heute vor allem tun im Zusammenhang mit dem Weckruf „Takt statt Tempo“, den 20 Bahn- und Verkehrsexperten – darunter auch ehemalige Verkehrsminister – erarbeitet haben, und der sich bemüht, der Bahn und der Bundespolitik deutlich aufzuzeigen, wie sie ihre Investitionspolitik ändern müssen, damit die Bahn ihre klimapolitischen Hausaufgaben besser als bisher erfüllen kann. Der Weckruf heißt „Takt statt Tempo“ und fordert eine Abkehr von den Großprojekten der Hochgeschwindigkeit, eine Abkehr von den wenigen Großprojekten im Bereich der Bahnknoten.
Ausgangsüberlegung dieses Weckrufs ist, dass die Bahn trotz aller Investitionen der letzten Jahre und Jahrzehnte nicht schneller, sondern in der Systemgeschwindigkeit insgesamt eher langsamer geworden ist. Das klingt erstmal grotesk, weil ja doch ein Großteil der eingesetzten Züge – nehmen wir mal die ICEs – für 200, 230, 250 oder gar 300 Stundenkilometer ertüchtig wurde. Und alle – insbesondere Männer – glänzende Augen kriegen, wenn diese ICEs dann auch wirklich schnell über die neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken fahren. Dabei wird völlig übersehen, dass wir in unserem Schienennetz groteske Langsamprobleme haben, weil es ganz viele Langsamfahrstrecken gibt, die nicht rechtzeitig beseitigt werden. Da ist ein großes Investitionsdefizit in der Fläche, da fehlen Modernisierungsinvestitionen. Wir haben das Problem, dass selbst bei ICE-Strecken in der Regel im Zulauf auf die großen Städte, die Hauptbahnhöfe in den Ballungszentren, sehr oft Langsamfahrstrecken befahren werden müssen, wo der ICE dann im Zweifel mit 40, 50, 60 Stundenkilometer die letzten Kilometer zurücklegt. Woran liegt das? Das liegt daran, dass unsere Investitionen eben nicht sinnvoll verteilt werden im Netz. weiterlesen