Rede von Dieter Reicherter, Vorsitzender Richter am Landgericht a.D., auf der 726. Montagsdemo am 30.9.2024
Liebe Freundinnen und Freunde,
wieder einmal stehen wir hier vor der Bahnhofsruine, um des fürchterlichen Geschehens im Schlossgarten vor 14 Jahren zu gedenken. Auch wenn wir nicht mehr die Massen wie damals aufbieten können, bin ich doch stolz darauf, wie viele es heute hierher geschafft haben und damit zeigen: „Wir vergessen niemals!“ Es darf nicht dabei bleiben, lediglich an die brutale Polizeigewalt und die Verantwortung der Politik dafür zu erinnern. Wir müssen weiter Konsequenzen fordern. Vor wenigen Tagen bei der Premiere des Gäubahn-Films von Klaus Gietinger hatten wir die entsetzlichen Bilder wieder vor Augen.
Heute geht es einmal mehr auch darum, zu fragen, welche Folgerungen aus den staatlichen Gewaltexzessen zu ziehen sind. Was ergibt sich daraus für Gegenwart und Zukunft unseres Zusammenlebens in einem demokratischen Rechtsstaat? Dazu wollte ich euch Antworten aus erster Hand präsentieren. Und zwar hatte ich am 9. September unserem Innenminister Thomas Strobl, der Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz und dem Stuttgarter Polizeipräsidenten Markus Eisenbraun persönliche Briefe geschrieben. Darin hatte ich unter Hinweis auf meine heutige Rede konkrete Fragen gestellt und zur Lektüre das von Jürgen Bartle und mir über den Wasserwerferprozess geschriebene Buch „Unerhört. Ungeklärt. Ungesühnt“ beigefügt.
Ich schrieb an Thomas Strobl: „Gerne möchte ich deshalb nachfragen, wie Ihr Ministerium und Sie persönlich den damaligen Einsatz aus heutiger Sicht bewerten, welche Vorkehrungen getroffen wurden, um Ähnliches künftig auszuschließen, und welche Rolle die Erfahrungen in der Ausbildung junger Polizistinnen und Polizisten spielen.“ Ausdrücklich hatte ich auch geschrieben, dass ich gerne für Rückfragen und für ein persönliches Gespräch zur Verfügung stehe. Leider erhielt ich keine Antwort. Das lässt tief blicken. Man will sich mit unsereins nicht abgeben. Stattdessen will man ungestört mit Demokratieabbau und Polizeigewalt weitermachen. weiterlesen