Rede von Daniel Kartmann auf der 677. Montagsdemo am 25.9.2023
Liebe Freundinnen und Freunde,
ich freue mich, dass ich heute hier sein kann und bin dankbar, dass ich gefragt wurde vor und für euch zu sprechen.
Am nächsten Samstag, dem 30.9. jährt sich – wie ihr alle wisst – der schreckliche Polizeieinsatz im Schlossgarten zum 13. Mal. Wir gedenken heute dieses Tages, der als sogenannter „Schwarzer Donnerstag“ in die Geschichte Stuttgarts und in unser kollektives Gedächtnis geschrieben wurde. Dieser Tag bedeutet bis heute einen Einschnitt in unser aller Leben. Es gibt ein Davor und ein Danach. Für niemand anderen war der Einschnitt jedoch so gravierend, wie für Dietrich Wagner. Die Bilder seiner schlimmen Verletzungen gingen um die Welt. Leider ist Dietrich dieses Jahr am 28.Juni verstorben. Es ist heute die erste Demo zum Jahrestag, die ohne ihn in unserer Mitte stattfindet. Neben dem Schmerz, einen vertrauten Menschen zu verlieren, bedeutet sein Fehlen natürlich auch ein Verlust als Zeuge dieses Unrechts, das an diesem Tag geschah. Ich habe ihn oft erzählen gehört, ob bei Presseterminen, im Gerichtssaal, auch in einigen privaten Begegnungen im persönlichen Gespräch. Es war erschütternd und ermutigend zugleich.
Erschütternd, da ich meine eigene Verletzung, die um einiges weniger schwerwiegend war als seine, kaum darstellen und begreifen konnte und mir nicht ausdenken konnte, wie man das aushalten kann, was Dietrich Wagner erleiden musste. Nie werde ich vergessen, wie ich am Morgen des 1. Oktober 2010, nach einer albtraumhaften Nacht in der Charlottenklinik, die Zeitung mit seinem Bild – blutüberströmt, gestützt von zwei Männern und mit heraushängenden, zerfetzten Augen – in die Hände bekam. Mein eigenes rechtes Auge war tags zuvor im Park ebenfalls direkt vom Wasserwerfer getroffen worden, so dass ich nur mit meinem linken schemenhaft dieses Bild des Grauens erkennen konnte. Und in diesem Moment wurde mir klar: ich bin mit diesem Mann verbunden, ich bin auch Opfer. weiterlesen