Rede von Dr. Jürgen Lodemann bei der 220. Montagsdemo gegen S21 am 5.5.2014
ANGST-RÖHRE AM NESENBACH
Liebe Freunde des Kopfes – Stuttgarts Bahnhof kenne ich seit nun über 70 Jahren, seit ich Kind war in Essen, in der Krupp-Stadt, Europas größter Bergbaustadt. Weil es 1940 Penicillin noch nicht gab, musste ich mit meiner Lungen-TB oft in die Alpen, in die damals bessere Luft. Das ging per Bahn, und über Stuttgart, und ich höre noch, wie die Mutter, als sie gefragt wurde, wie sie das schaffe, so oft so lange Fahrten mit einem 4- bis 7-jährigen, ich hör sie noch reden: „Man muss ihn ja nur ans Fenster setzen, dann ist er still.“
Der rasende Reisende, sogar heute noch kann er in Kopfbahnhöfen kurz zur Besinnung kommen; damals war auch bei mir in Stuttgart offenbar Schluss mit Stillsein und ich soll die Mutter gefragt haben nach den „stachligen Bergen“ vor oder hinter dem Bahnhof. Und hab ihre Antwort schlicht nicht kapieren können. „Weinberge“? Sollten über bombardierte Häuser und all das Wunderliche, was da draußen zu beobachten war, auch Berge „weinen“ müssen? Zum Weinen ist heute jedenfalls, dass dies einzigartige Stuttgart vom Zug aus überhaupt nicht mehr zu sehen sein soll. Nur noch Tunnels. Ausschließlich Schwärze. Könnte es sein, hier wird sich geschämt? Weil am Bahnhof nicht mehr nur grandiose Bäume stehen, sondern, auf der Gegenseite, Wände aus Banken-Beton? Die mehr und mehr Platz wollen und Euro?
Heute wohne ich in Freiburg. Dort hat man Erfahrungen mit Stuttgart. Zurzeit sogar Raub, Kulturvernichtung, Freiburg wird ein Schatz in Richtung Stuttgart geraubt, ein einzigartiges Orchester, mit Tradition zurück bis Brecht, das ist nur eine andere Geschichte. Landesväter drohten schon immer gern mit Lügen, weiterlesen