Christoph Ozasek ist Mitglied der Regionalversammlung
S-Bahn-Chaos durch Stuttgart 21
Liebe Freundinnen und Freunde schöner Kopfbahnhöfe und einer zuverlässigen S-Bahn,
täglich nutzen fast 400.000 Menschen in der Region die feuerroten Nahverkehrszüge. Auf sechs durchgebundenen Linien verbindet die S-Bahn mit 215 Kilometern Schienenstrecke sternförmig Stuttgart und die Städte und Gemeinden in den vier umliegenden Landkreisen. Für viele Gemeinden ist die S-Bahn die Lebensader ihrer Zukunft. Und ohne diese leistungsfähigen Bahnen würde die Landeshauptstadt Stuttgart längst im Blechstau und Feinstaub ersticken. Würden die hunderttausende Pendler auf das Auto umsteigen – es ginge nichts mehr auf den Straßen. Eine ökologische und wirtschaftliche Katastrophe wäre die Folge, wenn die S-Bahn für die Pendler dauerhaft nicht mehr die notwendige Verlässlichkeit bieten könnte.
Doch genau dieses Szenario ist nicht ausgeschlossen. Der zentrale S-Bahn-Tunnel ist längst ein betriebliches Nadelöhr, denn er war nie für diese Betriebslast ausgelegt. In der Hauptverkehrszeit reiht sich heute im S-Bahn-Stammast zwischen Hauptbahnhof und Schwabstraße im 2,5-Minuten-Takt eine S-Bahn an die nächste. Die S-Bahn ist betrieblich an der absoluten Auslastungsgrenze angelangt. Hier zeigt sich seit vielen Jahren die Schwäche eines tunnelgeführten Schienenverkehrs: Wer öffentlichen Personenverkehr in Tunnels verlagert, der will politisch den öffentlichen Transport begrenzen, abschnüren und Ausbauoptionen zunichte machen. Diese Leistungsbegrenzer sind wesentliche Bestandteile von S21 und dienen nur einem Zweck: der Verkehrslenkung auf die Straße.
Eine zweite Schwäche der S-Bahn ist der Mischverkehr auf 80 Prozent aller Streckenabschnitte mit dem Regional-, Fern- und Güterverkehr. In Störungssituationen erhält der Fernverkehr Vorrang, schlicht aufgrund der Entschädigungsmodalitäten gegenüber den Fahrgästen. Auch dieses Betriebserschwernis ist in der Infrastruktur von S21, insbesondere auf den Fildern, eingeplant worden.
Der wirkliche Skandal und die Ursache für das S-Bahn-Chaos aber ist, dass die Schienen-Infrastruktur auf den S-Bahnstrecken marode und veraltet ist. Leit- und Sicherungstechnik, Weichen, Relais wurden verschlissen, halten dem Hitzestress im Sommer nicht mehr stand. Die Schienen sind – genauso wie bundesweit die vielen Bahnbrücken und Bahnhöfe – als Betriebsinfrastruktur der Kannibalisierung zum Opfer gefallen. Die notwendige Wartung wurde unterlassen und die Bahn hat jahrzehntelang erst dann Komponenten ausgetauscht, als diese unter der Betriebslast versagten, anstatt notwendige Vorsorge zu betreiben!