Rede von Peter Selig-Eder, Bezirksbeirat SÖS-LINKE-PluS in Stgt-Wangen, auf der 257. Montagsdemo am 26.1.2015
Lärm macht krank! Eine Binsenweisheit!
Liebe Freunde einer bunten, offenen, demokratischen Stadt,
Lärm macht krank, vor allem wenn er kontinuierlich auftritt. Dabei kann man ein interessantes Phänomen beobachten: der Schwabestreich von ein paar Minuten wird als Ruhestörung empfunden – während der Krach hunderttausender Autos als Hintergrundrauschen kaum noch wahrgenommen wird. Ähnliches gilt auch für den Lärm, den rund 18 000 Baustellen in Stuttgart verursachen.
Dabei fällt eine Baustelle besonders auf: die, die sich unübersehbar wie eine Krake in unsere Stadt frisst – S21. Bereits heute ist der damit verbundene Lärm mancherorts Ohren betäubend. Und dieser Krach wird uns als Dauerlärmquelle über Jahrzehnte buchstäblich den Schlaf rauben.
Als sich der Pulverdampf der verlorenen politischen Auseinandersetzung verzogen hatte, da haben vielleicht einige, die jetzt nicht mehr hier sind, gehofft oder gar geglaubt, dass das, was jetzt kommt, eine ganz normale Baustelle werden würde. Sie täuschen sich, S21 ist keine normale Baustelle:
• Eine normale Baustelle ist zeitlich begrenzt – die Dauer von S21 ist unübersehbar;
• eine normale Baustelle hat einen überschaubaren Finanzrahmen – bei S21 explodieren die Kosten schon vor Baubeginn;
• ein normales Bauvorhaben ergibt einen Sinn – S21 bricht einen ganzen, gut funktionierenden Bahnhof ab, um einen halben unter der Erde neu zu errichten;
• eine normale Baustelle setzt einen Plan sorgsam in die Tat um – S21 wird niemals wie geplant fertig werden. Eine schöne Formulierung von Volker Lösch!
Nachdem das Projekt mit allen Tricks und gegen jede wirtschaftliche Vernunft durchgeboxt worden ist, steht es unter einem enormen zeitlichen und finanziellen Druck. Deshalb wird S21 nie eine normale Baustelle und das bekommen wir bei der Lärmbelästigung bereits jetzt zu spüren.
Beispiel 1: Nordbahnhofviertel
Bei einer normalen Baustelle hält man sich an die Auflagen, die mit der Baugenehmigung gemacht werden. Nicht so bei S21!
In der Planfeststellung wird der Bau einer Baulogistikstraße vorgeschrieben. Die ist bis heute nicht fertig gestellt mit der Folge, dass die tonnenschweren LKWs mit dem Erdaushub durch die Wohngebiete im Stuttgarter Norden donnern und die Ruhe der Anwohner empfindlich stören. Und jetzt kommt noch der Lärm der Baustelle selbst hinzu.
Hier wären die selbsternannten „kritischen Begleiter“ von S21 einmal gefragt, die Interessen der Anwohner gegenüber der Baustelle der Bahn zu verteidigen. Aber von dieser Seite hört man diesbezüglich weniger als das Schweigen im Wald.
Beispiel 2: Untertürkheim
Vor über einem Jahr wollte die Bürgerinitiative „Zukunft Schiene“ in Untertürkheim auf die drohende nächtliche Lärmbelästigung durch S21 aufmerksam machen. Sie wollten den Bewohnern quasi ein Hörbeispiel geben, was da auf sie zukommt. Die Ordnungsbehörde untersagte diese Demonstration wegen „nächtlicher Ruhestörung“.
Heute leiden viele Anwohner unter dem donnernden Krach der Rammarbeiten. Dabei werden die vorgeschriebenen Richtwerte Tag und Nacht überschritten.
Nächtliche Ruhestörung – da war doch was! Nur in diesem Fall interessiert das die Ordnungsbehörden überhaupt nicht – und das unter einem grünen OB.
Beispiel 3: Zwischenangriff Wangen.
Am Zwischenangriff Wangen wird – damit man schneller vorankommt – entgegen der Planfeststellung nicht gebohrt, sondern gesprengt. Diese Sprengungen wurden über 24 Stunden verteilt durchgeführt, unabhängig von der Lärmbelästigung, allein wie es die Baulogistik erforderte.
Diese Sprengungen verursachen vor allem nachts eine Schallimmission, die nach einem bahneigenen Gutachten den zulässigen Grenzwert von 40 dB(A) um bis zu 18 dB(A) überschreitet.
Das erscheint auf den ersten Blick nicht viel; denkt man an Meter oder Kilo, ist das nicht mal die Hälfte mehr. Aber wegen der komplizierten Einheit Dezibel bedeutet eine Steigerung von 40 auf 58 dB(A), dass der Lärmpegel um das achtfache ansteigt.
Deshalb schreibt der unabhängige Gutachter: „Demzufolge sind die Sprengungen in der Nacht nicht zulässig und unbedingt zu vermeiden“. (1)
Wie reagierte die Stadt auf diese Messungen – richtig: gar nicht!! Die Anwohner bleiben auf sich gestellt, sind gezwungen, den Klageweg zu beschreiten und die finanziellen Risiken zu tragen.
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