Rede von Jo Bauer, Kolumnist, auf der Kundgebung zum 5.Jahrestag des Schwarzen Donnerstags am 30.9.2015
Guten Abend, verehrte Protest-Gesellschaft von Stuttgart,
es ist eine Freude, dass Sie heute Abend wieder hier präsent sind, neben unserer zum Verramschen bestimmten Reste-Rampe namens Stuttgarter Hauptbahnhof. Wenn man die Menschen hier an diesem denkwürdigen Ort sieht, dann haben wir die Gewissheit: Es gibt Leute in dieser Stadt und in der Umgebung, die nicht widerstandslos alles mit sich machen lassen, was der herrschenden Politik gerade passt. Und es kommt nicht darauf an, die Zahl dieser Menschen als Messlatte zu nehmen. Viel wichtiger ist es, an die Kraft der Solidarität zu glauben. Für eine Sache zu kämpfen. Wenn wir auf die Straße gehen und uns Initiativen anschließen, erreichen wir mehr, als wenn wir irgendein angeblich kleineres Übels abnicken – zu schweigen von jenen, die nicht wählen und auch nicht protestieren, weil ihnen Machtpolitiker jede Hoffnung auf Veränderungen geraubt haben.
Es ist Herbst geworden, meine Damen und Herren, wir in Stuttgart kennen die Symbolik dieser Jahreszeit: Wenn ich die ersten Kastanien auflese, vielleicht auf dem Karlsplatz, erinnere ich mich, wie sich vor fünf Jahren in dieser Stadt auf wundersame Weise Kastanien in Pflastersteine verwandelt haben. Solche Dinge sind möglich in einem Land, wo Politiker und ihre Helfershelfer lügen wie gedruckt, wenn sie um ihre Macht fürchten – oder auch nur um ihren Job, der ihnen einen Dienstwagen garantiert.
In den vergangenen Tagen habe ich etliche Internet-Kommentare gelesen von Leuten, die den Schwarzen Donnerstag im Schlossgarten erlebt haben, und immer wieder stieß ich auf das Motto: „Niemals vergessen“ – Ausrufezeichen.