Wahrheit ist – in der Justiz - das Gegenteil von Lüge. Der Schriftsteller Erich Mühsam begann seinen Aufsatz „Justiz“ , in dem er sich im Jahr 1911 mit dem Problem der Wahrheit beschäftigte, mit den Worten: „Und Adam aß von dem Apfel, und seitdem wissen die Menschen, was gut und böse ist. Auf daß diese Kenntnis nicht wieder in Vergessenheit gerate, gab Gott ihnen die zehn Gebote, die von zwei steinernen Gesetzestafeln abzulesen waren.“
Paragraf 153 im Strafgesetzbuch
Wir befinden uns inzwischen im Jahr 2018, das deutsche Strafgesetzbuch umfasst 358 Paragrafen, die besagen, was der Mensch möglichst nicht tun sollte. Um einen davon – nämlich den § 153 – soll es im Folgenden gehen. Der Paragraf 153 des Strafgesetzbuches regelt die „Falsche uneidliche Aussage“ und lautet: „Wer vor Gericht oder einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle als Zeuge oder Sachverständiger uneidlich falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.“
Dem folgenden Bericht muss nun vorangestellt werden, dass wir es bei Prozessen im Rahmen von S21/K21 – und wir hatten in den letzten acht Jahren eine Menge davon – meistens um einen überschaubaren Themenbereich ging, der sich durch die Ausübung des Zivilen Ungehorsams und Widerstands gegen Stuttgart21 ergab. Beispiele waren Nötigung, Verstöße gegen das Versammlungsrecht, Hausfriedensbruch und Nichtbefolgung von polizeilichen Anweisungen.
Der Prozess am Montag, 12. November 2018, um eine angebliche Falschaussage war für die Zuschauer Neuland und eine Herausforderung, der Prozessstrategie auf Seiten des Gerichts sowie der Verteidigung zu folgen. Dieser Bericht wurde also „nach bestem Wissen und Gewissen“ geschrieben, als Zeugenbericht einer Verhandlung am Amtsgericht.
Die Anklage und ihre Begründung
Eine uneidliche Falschaussage soll nach Ansicht der Staatsanwaltschaft die heute 87-jährige Ernestine R. im Mai 2017 gemacht haben, als sie am Amtsgericht in dem Prozess eines K21-Aktivisten als Zeugin aussagte. Sie hatte berichtet, was sie bei einer Aktion des zivilen Ungehorsams – „Frühstück am Bauzaun“ - gesehen und erlebt hatte, gemäß ihrer persönlichen Wahrnehmung. Woraufhin sie einen Strafbefehl wegen vorsätzlicher Falschaussage von 3000 Euro erhielt. Sie legte Einspruch ein, so dass es am 12. November 2018 am Amtsgericht Stuttgart zu einer Verhandlung kam. weiterlesen