Zwischen Bangen und Hoffen – zwischen Benko und Nopper

Rede von Peter Grohmann, Kabarettist, Autor und Publizist, auf der 747. Montagsdemo am Rosen­-montag, 3.3.2025

Hochverehrte Kundschafter der Demokratie,

liebe Vertreterinnen aus den besseren und halbhöheren Lagern der Stadt, liebe linke Gewalttreter jenseits der 5%! Meine wahren Freunde! Meine liebsten Freundinnen! Liebe Messerschleifer! Liebe Erbschleicher der Republik, die gute Nachricht zuerst: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Asteroid YR4 auf die Erde fällt und Stuttgart trifft, liegt mittlerweile fast bei Null. Der Gesteins­brocken wurde im Dezember 2024 entdeckt. Er ist rund 40 mal 90 Meter groß und hätte das gesamte Projekt 21 treffen können – hätte hätte Fahrradkette.

Es hätte auch Merz treffen können – dann wäre Söder der Mann der Stunde. Was nicht ist, kann noch werden, denn: Die Dinge, die aus dem Himmel kommen, sind unberechenbar. Wie die Bahn.

Neulich behauptete die hiesige Regenbogenpresse, dass es immer mehr sogenannte Gefährder gäbe. Nein, diesmal nicht Merz und Trump und Musk, sondern Leute, die unsere Volksdemokratie gefährden, indem sie falsch wählen, ohne ausgewiesen zu werden. Gefährder wie Häberle und Pfleiderer, die von schwindelerregenden Steuerprivilegien profitieren. Gefährder und Menschen wie du und ich oder wie Willy Brandt, Menschen wie du und ich, ein kleinwüchsiger Nachwuchs der Stadt zwischen Wald und Reben, zwischen Bangen und Hoffen, zwischen Hängen und Würgen, zwischen Benko und Nopper.

Gefährder – das sind die Kinder der Großstadt, vielleicht verärgert durch nichtsnutzige Bauprojekte oder Autobahnen, die spurlos im Moor verschwinden wie ein SUV. Großväter, Omas gegen Rechts, verunsichert durch riesige Risse im Mauerwerk ihrer Immobilie am Kernerplatz oder sonst wo. Dort, wo in Kellerwänden, an schönen Fassenden in Halbhöhenlage, dort, wo der eisige Wind aus Washington und Moskau den Feinstaub der Stadt in die Ritzen der Wildleder-Sessel treibt: Feinstaub zu Feinstaub oder Asche zu Asche, Staub zu Staub.

Die rosenmontagsmäßig angeheiterten Bildungsbürger wissen, was das auf lateinisch heißt: Cinis cinerem, pulvis in pulverem – Asche zu Asche, Staub zu Staub.

Feinstaub von der Hohenheimer Straße, vom Neckartor, Feinstaub, bei dem dir das Lachen im Halse stecken bleibt, ein trockener Husten, verursacht durch Feinstaub, ein Husten, mit dem du allzeit jederzeit Aufnahme in der Lungenklinik findest. Dort heißt es wortwörtlich: „Das Lungenzentrum des Klinikums Stuttgart bietet Lungenmedizin auf höchstem Niveau, rund um die Uhr und mit kurzen Wartezeiten. Für Patient:innen mit Lungen- und Atemwegserkrankungen befinden sich alle wichtigen Fachbereiche wie Pneumologie, Thoraxchirurgie, Strahlentherapie, Onkologie und Nuklearmedizin unter einem Dach. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit ist eng und patientenzentriert. Die Versorgung von Lungenpatienten ist eingebettet in die Struktur des Stuttgart Cancer Center – Tumorzentrum Eva Mayr-Stihl. Unter enger Einbindung der Patienten erfolgt eine auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmte, individuelle Therapie.“ (Originalzitat)

Feinstaub, Feinstaub du mein Vergnügen
Feinstaub, Feinstaub, du meine Lust
Gäb es kein Feinstaub gäb's kein Vergnügen
Gäb es kein Feinstaub gäb's keine Lust!
(hust hust)

Aber wem sag ich das – wem, der nicht mit uns vor Jahren, genau 2022, an der B 14 stand als großer Tor am Neckartor, Mund und Nase direkt am Auspuff – aus purem Protest!

Doch wir leben noch: Und wirft der Arsch auch Falten – wir bleiben stets die Alten!

Lebend oder tot erinnern wir bei diesem Thema sehr gern an die ca. 69.865 Todesfälle durch Luftverschmutzung aufgrund von Feinstaub (PM 2,5) und die 28.464 Toten aufgrund des Dieselabgasgifts NO2 (nimm 2) – sagt die EEA – die Europäische Umweltagentur zum Thema Feinstaub. Feinstaub, der sonst auf fruchtbaren Böden der Fildern landen würde... Im Gegensatz zu mir ist die Zahl von 69.865 Toten pro Jahr in Deutschland eine Zahl, die niemand gern nennt.

Wer weiß? Heute ich, morgen Du, übermorgen Müllers Kuh.

69.865 – die Zahl sollten sie sich merken, weil es eine Zahl ist, die kaum in den Medien vorkommt, 69.865, eine Zahl, die sich in Funk und Fernsehen versteckt hält und vor der sich auch die Presse scheut. Eins zwei drei vier Eckstein – alles muss versteckt sein. 69.865 – das ist die Zahl der Gefährdeten von heute, von morgen, übermorgen, jedes Jahr ein bissel mehr Schmutzzulage.

Neben den Gefährdeten, von denen nirgends die Rede ist, will ich euch die Saga der Gefährder erzählen. Die Gefährder von heut können Freunde, alte und neue Linke sein, falsche und echte Rechte, also Menschenrechte: Ich rede von Menschen, von Klassenbrüdern, Betschwestern, Funkenmariechen, von Gefährdern, die unsere Volksdemokratie gefährden, indem sie falsch wählen, ohne ausgewiesen zu werden.

Gefährder sind Menschen wie du und ich, Leute, die vielleicht wie Ihr hier am 3. März 2025 am Schloßplatz stehen und zuhören oder eben von Feinkost-Böhm zu Breuninger exquisit wandern, Mitglieder der neuen Linken oder einer hochmögenden Intelligenzia, die am Freitag zum Shoppen nach Bologna fliegt und abends zurück ist, um beim Presseball in der Liederhalle dabei zu sein beim gemeinsamen Ringelpiez mit Anfassen und dann das große Bella Ciao singt

O partigiano portami via
O bella ciao, bella ciao, bella ciao ciao ciao
O partigiano portami via
Che mi sento di morir, ir, ir-

Eines Morgens in aller Frühe / Bella Ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao
Eines Morgens in aller Frühe / trafen wir auf unseren Feind.
Partisanen, kommt nehmt mich mit euch, / Bella Ciao, bella ciao, bella ciao, ciao, ciao
Partisanen, kommt nehmt mich mit euch, denn ich fühl' der Tod ist nah.

Die Partisanen des Kapitals schaffen ihr Geld und eure Steuergroschen heimlich in die Schweiz, nach Luxemburg, auf die Caymans, statt es dem Widerstand gegen Stuttgart 21 zu opfern. Nun büßen die Genossen für ihre Cum-Ex-Geschäfte. Es ist gerichtsbekannt, Herr Scholz: Cum-Ex-Geschäfte waren nicht nur unmoralisch, sondern auch illegal. Scheißegal. Piepegal. Ihr kriegt uns nie. Ich rede von der Deutschen Bank, von der Commerzbank, von der LBBW. Und doch gibt es Trost, und doch ist es wahr: Auch wir Wohlhabenden und wir Schönen der Stadt müssen Opfer bringen und mit der Staatsanwaltschaft rechnen – es sei denn, das Finanzamt warnt uns rechtzeitig.

Vor den kriminellen Cum-Ex-Geschäften hatte schon vor 5 Jahren das Recherche-Netzwerk Correktiv gewarnt und den ganzen Laden aufgemischt. Aber das Netzwerk Correctiv hat ja bekanntlich im Gegensatz zu den Netzwerken der Rechtsradikalen auch in Stuttgart seltsam gestreifte Verbündete, die noch an die Bildzeitung glauben.

Freunde, Freundinnen: Wo man einst in den Halbhöhenlagen für Wohnungen mit bester Aussicht teuer bezahlen musste, muss man heute nur noch teurer bezahlen.

Hamse nicht gehört? Der Park ist weg!
Überall Beton und Dreck.
Doch sie könne sich freu'n -
Sie kriegen bald ein' neu'n.

Alles Lüge, außer ich. Der Park ist weg, die Parkbank auch, die Zweigstellen der Bank und der Post machen auch dicht, die Läden in den Vororten schließen, nur die SPD hat noch auf. Alles nur ein ganz, ganz großer, grausamer Abgrund, ein riesengroßes Loch, in das 500.000 Pflegekräfte fallen, die dann morgen fehlen. Oder heute?

Ein Milliardenloch, feierlich eröffnet mit Militärkapellen, ein Loch, aus dem der Gipskeuper frech grinst. Halt, das ist ja längst nicht alles! Denn heute am Rosenmontag blicken wir auch nach Nordamerika, wo ein großartiger Faschingsprinz die Welt das Fürchten lehrt. In der einen Hand die Bibel, die andere Hand am Abzugsbügel eines Maschinengewehrs.

Wir grüßen heute aus Stuttgart alle Närrinnen und Narrhallesen in Nordamerika mit Narri-Narro, Helau und Alaaf alle republikanischen Narren, das Volk, die Familie und die glorreiche Nation unter Gott, hervorgetreten aus einer unglaublichen Geschichte.

Das Gesicht Donald Trumps schaut kühn und mutig in die Zukunft. Großartig, einfach großartig – so etwas gibt es nur in Amerika. Und mit eigenen Worten sagt uns Donald Trump: „Von heute an wird es die offizielle Politik der Regierung der Vereinigten Staaten sein, dass es nur zwei Geschlechter gibt: männlich und weiblich.“

Halt – bitte noch keinen Beifall! Bei seiner Wiedergeburt am 20.1.25 sagte der Penisbeschneider Donald Trump weiter: „Vor nur wenigen Monaten durchschlug auf diesem wunderschönen Feld in Pennsylvania die Kugel eines Attentäters mein Ohr. Aber ich habe damals schon gespürt und spüre es heute noch mehr, dass mein Leben aus einem bestimmten Grund gerettet wurde. Ich wurde von Gott gerettet, um Amerika wieder großartig zu machen.“ 

Herrlich, der alte Gotteslästerer, wie er da gegen alle Vernunft zu Felde zieht und den Herrgott zur Verzweiflung treibt fast wie Merz und Söder. Aber Gott kann nicht überall sein, das weiß Donald Trump. Deshalb ergänzte er in seiner Wiedergeburtsrede am 20.1.25: „Wie 2017 werden wir wieder das stärkste Militär aufbauen, das die Welt je gesehen hat.“

Halt, halt, bitte noch keinen Beifall. Es kommt noch besser: Donald Trumps Rede am 20.1.25: „Die Amerikaner haben sich Tausende von Meilen durch ein zerklüftetes Land mit ungezähmter Wildnis gekämpft. Sie durchquerten Wüsten, erklommen Berge, trotzten unzähligen Gefahren, eroberten den Wilden Westen, beendeten die Sklaverei, retteten Millionen vor der Tyrannei, befreiten Milliarden aus der Armut, machten sich die Elektrizität zunutze, spalteten das Atom, brachten die Menschheit in den Himmel und legten das Universum des menschlichen Wissens in die Hand des Menschen. Wenn wir zusammenarbeiten, gibt es nichts, was wir nicht tun können, und keinen Traum, den wir nicht verwirklichen können.“

Dem kann ich nicht viel hinzufügen: Außer vielleicht im täglichen Gebet: Gott schütze die Welt vor diesem Verrückten!

Aber es kommt noch schlimmer – Karneval. Fasching. Fasnet.
Kamille mit Karneval /Meersalz mit Minze und Fasnet.
Rosmarin mit Ratzeputz am Rosenmontag – und böses Erwachsen beim politischen Aschermittwoch im Theaterhaus.

Da empfiehlt Ihr Hautarzt Dr. Peter 1 Liter kochendes Wasser auf ein Kilo Feinstaub oder zu Hause eine fensterlose Mooswand und eine schriftliche Entschuldigung von Kretschmann, bevor er in Opposition muss.

Liebe Obenbleiber, in der Not frisst der Teufel Fliegen, sagt der Volksmund. Bevor wir uns nun dem Suff hingeben oder erwartungsvoll auf den Grundwasserspiegel starren, auf die neuen Kostensteigerungen und kommende Katastrophen, also vor dem Narrensprung ist der Sprung ins kalte Wasser.

Bedenkt beim Mummenschanz 2025:
Schon die alten Germanen trugen Masken und Tierfelle,
oft von Rindviechern, um die bösen Geister zu vertreiben.
Aber das ist nicht gelungen.

 Wir sind noch da.

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