Augen auf und durch

Rede von Peter Grohmann, Kabarettist und Anstifter, auf der 695. Montagsdemo am Rosenmontag, 12.2.2024

Hochverehrte Festgemeinde,

Augen auf und durch, da sind sich Oligarch Selenskyj, Rotarmist Wladimir Putin, Kinderschänder Trump und die Düsseldorfer FDP-Bundestagsabgeordnete einig. Frau Strack-Zimmermann lässt grüßen! Die Frau sitzt an der Spitze des Verteidigungsausschusses und ist zugleich in den drei wichtigsten Lobbyorganisationen der Rüstungsindustrie personell eingebunden – in der „Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik“ (DWT), dem „Förderkreis Deutsches Heer“ (FKH) sowie als Vize-Präsidentin der „Deutsch-Atlantischen Gesellschaft“.

Wer kritische Fragen stellt, wird standrechtlich erschossen. Nein, Quatsch, nicht in echt, und wenn, dann nicht von mir. Ich habe ja gar kein Gewehr.

Marie-Agnes Strack-Zimmermann sitzt in diesen Gremien zusammen mit den Spitzenmanagern des parteispendenfreudigen Rüstungskonzerns Rheinmetall sowie mit den führenden Vertretern aller übrigen deutschen Rüstungskonzerne, nebst weiteren Politikern und hochrangigen Militärs. Nebenher sitzt sie auch im Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik unter dem Sprecher MdB Kiesewetter (CDU), zusammen mit Angehörigen des Bundessicherheitsrates. Rein zufällig sitzt ihr Parteifreund, der ehemalige FDP-Bundesminister Dirk Niebel, als hochbezahlter Lobbyist für Regierungskontakte etc. seit vielen Jahren hauptamtlich in der Rheinmetall-Zentrale.

Soweit zu den Grüßen von der bewaffneten Lobby-Marie.

Aber auch Hildegard von Bingen lässt grüßen, meine Damen und Herren, sie hätte an diesem 12. Februar 2024 ihre helle Freude an Ihnen, so gesund, wie Sie noch aussehen! Noch! Hören Sie bitte zu.

Ja, das machen Feinstaub und Straßenproteste. Es kann natürlich auch am Licht liegen. Oder an meinen Augen. Sie wissen schon: Augen auf und durch!

Der Bibelspruch für diese Woche kommt aus dem Jahr 1545: Sehet / wir gehen hinauff gen Jerusalem – und es wird alles volendet das geschrieben ist durch die Propheten – von des menschen Son. Und Dieter Reicherter hat Akteneinsicht bekommen.

Am klimafreundlichen 2. Februar 2010, also vor exakt 14 Jahren, wurde Stefan Mappus zum Prellbock des Jahres gewählt, noch vor seiner Machtübernahme. Sie wissen es, ich weiß es, niemand kann es je vergessen: Das Bahnprojekt Stuttgart 21 besteht aus zwei Teilen:

2,5 Milliarden am Anfang und 16,5 Milliarden, wenn alles zu Ende geht, also 2025.

Ein Loch ist im Eimer, o Lutze, ein Loch!

Dann stopf es, Bajazzo, dann stopf es …!

Womit denn, oh Lutze, womit?

Mit Nopper und Lindner, o Lutze!

Da hilft nur noch Beten – auch für Atheistinnen. Insoweit trifft es sich trefflich, dass auch Bischof Reinhard Marx – Erzbischof von München und Freising – alle Anwesenden auch dieses Jahr wieder herzlich grüßen und segnen lässt. Eine Fernsegnung. Und der Hirte hat gewissermaßen das Motto vorgegeben: Ungezügelter Kapitalismus führt in die Irre!

Nit möööglich, werden Sie jetzt rufen, wie seiner Zeit mein Jugendfreund Grock, ein Schweizer Clown, der selbst Adolf Hitler zum Lachen brachte. Andere hatten nichts zu lachen. Aber jetzt mal in echt und jenseits aller Späße:

Ungezügelter Kapitalismus führt in die Irre!

Marx, also nicht der Kalle mit dem Trierer Rock und Freund der Engels, sondern der echte Marx, auch ein Münchner wie Karl Valentin, der echte Antifaschist, Marx also sagt: „Die katholische Soziallehre war schon immer antikapitalistisch. Als junger Kaplan habe ich im Religionsunterricht manchmal Texte aus der Enzyklika „Rerum Novarum“ lesen lassen. Da sagten manche: Das ist von Karl Marx. Der Papst ist ja nicht der einzige Kritiker des ungezügelten Kapitalismus. Auch die Weltbank hat gesagt, die Finanzkrise werde dazu führen, dass Menschen sterben. Eine Wirtschaft, die allein auf Kapitalverwertungsinteressen aus ist, kann sittlich nicht gut sein.“

So sind sie dann auch wieder, die Münchner Antikapitalisten. Die bringen's noch fertig und distanzieren sich von der nun stattfindenden Sicherheitskonferenz des Kapitalismus. Kann auch sein, es kommt zum Äußersten: Dem kirchlichen Segen.

Doch meine Omi Glimbzsch hat immer wieder gesagt: „Beweis musste haben, Peter, Beweis! Augen auf. Ohne Beweis biste nischt!“

Hier ist der Beweis, in Ihrem Blickfeld: Augen auf – gucken Sie sich um: Eine Katastrophe nach der anderen in dieser unserer Stadt! Da täuscht auch ein Riesenrad nicht drüber weg. Königstraße – keine Sau weiß, welcher Laden morgen dicht macht. Ist es Wendelin Niedlich? Schallplatten-Lerche? Gestern Piccadilly, morgen Böhm?

Im Königsbau – tut man sich schwer – da stehen die – Etagen leer ...

Im Milane – o – ist's nicht besser … der Schulden-Pegel steigt –

die Füße werden nässer ...

Schuld ist nur der Bossa Nova, der ist Schuld daran. Und ich sage mir: Nur im Gerber kannste schneller Sterba.

Marx hat es geahnt, Jesus hat es gewusst – und mit seiner Gewalt gegen Sachen damals schon Maßstäbe gesetzt, an die wir uns heute noch gern erinnern. Doch wer will schon ein Nachahmer von Jesus werden?

Ungezügelter Kapitalismus führt in die Irre! In Sillenbuch brannte ein SUV, nur weil er einen Aufkleber dran hatte kein Stuttgart 21.

In Paris haben renitente Revoluzzer letzte Woche für die Kapitalisten-Kutschen die Parkgebühren erhöht. Viele reiche Leute müssen jetzt endlich betteln gehen. Die Volksfront schreckt vor nichts zurück!

Achtung, jetzt kommt ein Witz: Sagt ein Besucher ganz begeistert bei der Besichtigung des neuen Bonatz-Baues: „Und das Ambiente, mein Gott, dieses Ambiente!“ Ein anderer, aber ein Alteingesessener, fügt hinzu: „Ja, jetzt wo Sies sagen, riech' ich's auch!!

Doch es kommt noch schlimmer: Diese Wirtschaft tötet! Das hat nicht Nopper gesagt. Und es war auch nicht Kretschmann, der gestern im Riedlinger Gasthaus Ochsen Froschschenkel-Kutteln bis zum Erbrechen schlucken musste – da wäre Hildegard von Bingen jeder Appetit vergangen. „Diese Wirtschaft tötet“ hat auch nicht Sara Wagenbach und nicht Eric Gauthier gerufen, nein, es war Franziskus, unser Stellvertreter in Rom! Unser Franziskus, der Papst, also der echte! Das Donnerwetter aus Rom.

Also nicht irgendein Ratzinger aus Bayern wie Aiwanger, sondern der aus Argentinien, dort, wo das Lieferkettengesetz auch abgelehnt wird! Die FDP reibt sich ihre fetten Hände.

Argentiniennach dem verlorenen Krieg, dem ersten Untergang des Abendlandes, nach der erzwungenen Befreiung, war 1945 eines der begehrtesten Fluchtziele von Nazis. Argentinien, wo in diesen Tagen ein Aufstand gegen den Anarchokapitalisten Javier Milei stattfindet, Argentinien, wo die Mütter der Entführten seit 40 Jahren Aufklärung, Wahrheit und Sühne verlangen und immer noch ihre Kinder und Verwandten suchen, die in den 1970er und 1980er Jahren in Argentinien auf Befehl der machthabenden Militärs entführt, gefoltert und ermordet wurden.

Wir haben geholfen beim Augen zu und durch.

Bis heute demonstrieren die Mütter jeden Donnerstag vor dem Regierungssitz in Buenos Aires, heute genau seit 40 Jahren am Plaza de Mayo!

Wir grüßen die widerständigen Frauen Argentiniens! Wir grüßen die Mütter in aller Welt, wir trauern mit ihnen allen, die ihre Kinder hergeben müssen für die Schlachtfelder dieser Tage.

Diese Wirtschaft tötet! Auch in Argentinien, aber eben keine Nazis. Mit Wirtschaft ist keine Trattoria ist gemeint, keine Bodega, nein:

Der Kapitalismus.

Der von gleich nebenan. Der sich auf deinen Computer breitmacht, der dich aushorcht, verfolgt, verzweifeln lässt, der deine Kinder verführt, der dir jeden Fasching verdirbt, jeden Aschermittwoch mit Grohmann, der Kapitalismus, der dich täglich hetzt, ranschleimt, der dich bei jedem Einkauf begleitet, der hinter dir her rennt, der schon da ist, wenn du ankommst.

Diese Wirtschaft tötet. 

Da ist nicht der Ratskeller gemeint, nicht der Ochsen in Uhlbach, sondern eher in Richtung Deutsche Bank, auf die sich seiner Zeit keine Juden setzen durften.

Halt, das war damals, meine Damen und Herren, als Daimler-Benz keine Kurzarbeit machen musste,

Räder müssen rollen für den Sieg, rein in die Ukraine, Siemens, Krupp, Degussa, Deutsche Bank, Porsche, Bayer Leverkusen, der VfB Stuttgart, aber heute gehört uns Deutschland, und morgen? Wer weiß...

Der Kapitalismus ist ja nun nicht irgendwer, dahinter verbergen sich gute Namen: Goldmann Sachs Chevron Allianz Toyota Shell General Electric Microsoft Elon Mask Jeff Bezos Mark Zuckerberg Rene Benko vom Kaufhof

und – Sie ahnen es – Peter Grohmann.

Peter sing ein Lied: Ach sag doch nicht immer wieder Linker mir…

Alle Dichterkoryphäen
würden sich im Grab umdräen
wenn sie diese Reime säen. Manchmal wär es besser so:
alle Tiere aus dem Zoo wären frei
und der Mensch müsst nei ...

Rede von Peter Grohmann als pdf-Datei

 

 

 

 

 

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.