Rede von Siegfried Heim, Landesfachbereichsleiter ver.di, Fachbereich Medien Baden-Württemberg, auf der 541. Montagsdemo am 7.12.2020
– es gilt das gesprochene Wort –
Die Frage, ob ein Land ein demokratischer Rechtsstaat ist, lässt sich daran beantworten, wie ein Land mit Journalisten umgeht, die Fakten öffentlich machen, die eine Regierung für „geheim“ erklärt.
Julian Assange hat auf Wikileaks Material veröffentlicht, das Kriegsverbrechen dokumentiert – eine außerordentliche journalistische Leistung, für die er gestern zurecht mit dem Stuttgarter Friedenspreis geehrt wurde.
Und es ist eine Schande, dass in Großbritannien ein Verfahren über die Frage, ob ein Journalist an eine Regierung ausgeliefert werden soll, die Kriegsverbrechen ihrer Soldaten geduldet und mit dem Stempel „Geheim“ versehen hat, zu einem Schauprozess gerät, der eines Rechtsstaates unwürdig ist. Julian Assange wird in Isolationshaft gehalten, ein Folterinstrument. Ihm wird die unbeobachtete Kommunikation mit seinen Verteidigern ebenso verweigert, wie die Mittel, um seine Verteidigung vorzubereiten. Und das alles in einem Prozess, bei dem es um ein Auslieferungsersuchen der USA geht, die ihn für seine journalistische Arbeit nach Gesetzen verurteilen wollen, die die Todesstrafe vorsehen.
Die deutsche Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di erklärt sich solidarisch mit Julian Assange und fordert seine sofortige Freilassung – aus einem einzigen Grund: Journalismus ist kein Verbrechen. Die Veröffentlichung von Kriegsverbrechen ist die ehrenwerteste Arbeit eines Journalisten und kein Grund, ihn an das Land auszuliefern, das diese Kriegsverbrechen geheim halten wollte – und den Journalisten, der die Kriegsverbrechen öffentlich gemacht hat, mit der Hinrichtung bedroht.
Und als Organisation der Journalisten in der Gewerkschaft ver.di fordern wir alle Kolleginnen und Kollegen auf, über diesen Schauprozess zu berichten und ihn zu kommentieren. Denn wenn Julian Assange ausgeliefert wird, ist das eine verheerende Botschaft an die Journalistinnen und Journalisten der Welt, die da heißt: Berichterstattung über Verbrechen, die von Regierungen als „geheim“ eingestuft werden, wird nicht als Journalismus gewertet, sondern als so genannter Terrorismus.
Das Verfahren gegen Julian Assange ist ein fundamentaler Angriff auf den Kern journalistischer Arbeit in einer Demokratie – nämlich Fakten zu veröffentlichen, die Regierungen in der Nicht-Öffentlichkeit des Geheimen halten wollen.
Überall auf der Welt bedrohen, foltern und töten Diktaturen Journalisten. Die dju hat hier in Baden-Württemberg Proteste gegen die Verhaftungen und Folterungen von Journalisten in der Türkei mit organisiert. Wir sind solidarisch mit Journalisten, die in Hongkong von der chinesischen Staatsmacht verhaftet werden, wir haben deutlich die Ermordung von Journalistinnen und Journalisten in Russland oder Malta verurteilt.
Und gerade deshalb ist es wichtig, die sofortige Freilassung von Julian Assange und die Beendigung dieses Schauprozesses zu fordern. Eine Demokratie ist keine mehr, wenn sie einen Journalisten behandelt wie jede x-beliebige Diktatur. Es ist ein Verbrechen, einen Journalisten, der Verbrechen aufgedeckt hat, wie einen Verbrecher zu behandeln, zu foltern und mit dem Tod zu bedrohen.
Journalismus ist kein Verbrechen! Sofortige Freilassung von Julian Assange!