Rede von Michael Becker, Kernen 21, auf der 499. Montagsdemo am 27.1.2020
Am 17.01.2020 unterzeichneten Bahnchef Lutz sowie Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla und Verkehrsminister Andreas Scheuer die dritte Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung für die Eisenbahninfrastruktur im Land oder kurz „LuFV III“ – wie schön sich das auf Bluff reimt, kann kein Zufall sein!
Und in der Tat, obwohl hierbei bis zum Jahr 2030 rund 86 Milliarden Euro investiert werden sollen, sind dies nur drei Milliarden pro Jahr mehr als bisher geplant waren. Diese Summe reicht bei einer Rekordverschuldung der Bahn sowie Schäden durch jahrzehntelange Vernachlässigung der Infrastruktur und Fehlinvestitionen wie Stuttgart 21 nicht aus, um – wie vollmundig angekündigt – eine echte Verkehrswende einzuleiten. Der VCD (Verkehrsclub Deutschland) schätzt, dass diese Summe gerade eben ausreicht, um den weiteren Verschleiß des Netzes zu stoppen. An einen Ausbau wie angekündigt, um die Schiene für eine Verdoppelung des Fahrgastaufkommens bis zum Jahr 2030 zu ertüchtigen, gar nicht erst zu denken.
Für eine echte Verkehrswende braucht es nicht nur Absichtserklärungen, sondern auch die entsprechende Umsetzung. Laut Bahn soll die Verkehrsleistung von DB Cargo bis 2030 um 70% erhöht werden, dazu – ich zitiere die Homepage der Bahn wörtlich – „wird die Deutsche Bahn, auch mithilfe der Politik, massiv in den Aus- und Neubau von Strecken und Knoten investieren sowie in zusätzliche Terminals für den Güterverkehr.“
Diese Aussage steht im krassen Widerspruch zur Realität. In Untertürkheim soll das Areal des Güterbahnhofes zu einem Abstellbahnhof für Stuttgart 21 umgewidmet werden, und die Politik hilft auch noch dabei. So hat das Regierungspräsidium bei der Erörterung des Planfeststellungsverfahrens vorletzte Woche in der Sängerhalle angekündigt, dem Antrag der Deutschen Bahn zuzustimmen. Sollte sich die Bahn durchsetzen, wäre diese Fläche für einen Ausbau der Güterverkehrskapazität für immer verloren. Bluff statt starker Schiene! Super, dass unsere Bewegung dort mit hunderten Einwendungen präsent war, und unsere Ingenieure22 mit ihren fachlich ausgearbeiteten Widersprüchen da Paroli geboten haben.
Ein Blick von Untertürkheim nach Schorndorf offenbart das Problem: während sich Tag für Tag vor dem Kappelbergtunnel die LKWs stauen, wurden im Rahmen des Programms MORA C (das klingt zwar wie Moratorium, heißt aber ausgesprochen Marktorientiertes Angebot Cargo) von 2002-2004 alle Gütergleisanschlüsse im Remstal stillgelegt. Dürfen wir nun darauf hoffen, dass eine echte Verkehrswende mit Güterverkehrsverlagerung auf die Schiene stattfindet und im neuen Programm die stillgelegten Gütergleise reaktiviert werden? Wohl kaum, stattdessen kam aus dem Hause Stihl – Sie wissen schon, die mit den Kettensägen – die Forderung, die Bundesstraße 29 über den „Nord-Ost-Ring“ mit einem 10 Kilometer langen Tunnel an die B27 anzubinden. Ein Gefälligkeitsgutachten rechnet mit Kosten von 1,2 Milliarden Euro.
Mal ganz abgesehen davon, dass dies ein weiterer Baustein des Ausbaus einer autobahnähnlichen Verbindung zwischen der A81 und der A7 darstellt: Wer Straßen baut, lockt Kraftfahrzeuge an und nicht Züge!
Im Zuge der Starken Schiene sollen Bahnhöfe modernisiert und barrierefrei werden, mit Stuttgart 21 passiert genau das Gegenteil. Ein bisher ebenerdig bequem zu nutzender Bahnhof wird für viele nur noch über Aufzüge erreichbar – diese gerne mal defekt – unerreichbar tief gelegt.
Mit der Starken Schiene soll das Fahrgastaufkommen bis 2030 verdoppelt werden, mit Stuttgart 21 wird die Anzahl der Gleise halbiert. Und nicht nur das, durch die Kappung der Panoramastrecke der Gäubahn und Zuführung an den Tiefbahnhof über den Filderaufstiegstunnel wird ein störanfälliger Mischverkehr geschaffen, der nun wirklich alles andere ist als ein Kapazitätsausbau.
Um es bildlich auszudrücken, mit Stuttgart 21 wird in jeder Hinsicht ein Flaschenhals geschaffen, der der Verkehrswende hin zu einer ausbaufähigen, klimapolitisch sinnvollen Mobilität auf der Schiene im Wege steht. Deshalb werden wir auch nächsten Montag bei der 500. Montagsdemo vor dem Hauptbahnhof den Kapazitätsrückbau in den Vordergrund stellen und als Flaschenhals thematisieren. Kommen Sie zuhauf, bringen Sie Freunde und Bekannte mit, es lohnt sich!
Wir werden unserer Forderung Nachdruck verleihen, eine Verlagerung der Mobilität weg vom klimaschädlichen Autoverkehr hin zu einer leistungsfähigen Bahn ist nur unter Erhalt des Kopfbahnhofes möglich! Weg mit dem Flaschenhals, weg mit Stuttgart 21!
Oben Bleiben!
Das müssen sie mir erklären: Ein Abstellbahnhof mit vergleichsweise leisen ICE und anderen Personenzügen muss mit allen mitteln verhindert werden. Ein Güterbahnhof mit quietschenden und rumpelnden Wagons vor allem nachts ist laut ihrer Aussage dringend notwendig und kein Problem. Da würde mich mal Meinung der wirklich betroffenen Anwohner interessieren.
@ Steffen Hans
Das Quietschen kommt einmal vpn den unterschiedlichen Gleislängen in Kurven und ist bei ICE nicht viel anders als bei Güterwagen. Zum Zweiten kommt Quietschen von den Bremsen. Natürlich müssen die alten Klotzbremsen an den heutigen Güterwagen durch modernere Systeme ersetzt werden. Solange die Bahn das Geld für Schwachsinnsprojekte wie S21 rauswirft fehlt das Geld natürlich für die Modernisierung der Güterwagen.
Rumpeln kommt von heruntergefahrenen Radsätzen auf runtergefahrenen Gleisen. Also auch wieder mangelnde Instandhaltung. Wie bei LKW auf Schlaglochstrecken.
Die ICE sind allenfalls im Vorteil weil sie mit entsprechenden Schrott-Radsätzen bei höheren Geschwindigkeiten aus dem Gleis fliegen.