Rede von Michael Becker, Kernen 21, auf der 458. Montagsdemo am 25.3.2019
Am Mittwoch, dem 27. März, tagt der Aufsichtsrat der Bahn AG, und einen Tag später findet die alljährliche Bilanzpressekonferenz statt, dabei stehen die Zeichen diesmal auf Sturm. Die Bahn hat in den 25 Jahren ihres Bestehens eine Spur der Verwüstung hinterlassen: kaputte Bahnhöfe, abgebaute Weichen, stillgelegte Strecken und Güterbahnhöfe. Ein Unpünktlichkeitsrekord jagt den anderen. In derselben Zeit hat sie noch über 20 Milliarden Euro Schulden angehäuft. Und das, obwohl sie Neubaustrecken komplett vom Bund finanziert bekommt und der Nahverkehr durch Regionalisierungsmittel bezahlt wird. Durch die Vernachlässigung der Infrastruktur und des rollenden Materials stehen in den nächsten Jahren riesige Investitionen an, für das sie kein Geld hat.
Ein Klotz am Bein der Bahn, mit dem sie zu ertrinken droht, ist der Tiefbahnhof Stuttgart 21. Von der Politik und der Immobilienwirtschaft aufgezwungen, überfordert sie das Projekt in jeder Hinsicht; finanziell und technisch ist sie der Herausforderung nicht mehr gewachsen. Laut StZ von heute ist beim Projekt S21 samt Neubaustrecke Stuttgart-Ulm mit weiteren Kostensteigerungen in Milliardenhöhe und Zeitverzug durch massive technische Probleme zu rechnen. Dies ist der Moment, um die Reißleine zu ziehen, denn einem neuen Rechtsgutachten von Professor Dr. Urs Kramer der Universität Passau zufolge sind die Pflichten zur Förderung und Vollendung von S21 erledigt. Damit hat die Bahn die Chance, ohne Regressforderungen aus dem Projekt auszusteigen. Umgekehrt haben die Projektpartner auch nicht mehr die Pflicht, über die „Sprechklausel“ an den Mehrkosten beteiligt zu werden. Damit ist das Projekt angesichts der prekären Lage für die Bahn nicht mehr durchführbar.
Eisenhart von Loeper wird dieses 22-seitige Rechtsgutachten am 27. März um 13:30 Uhr am Kanzleramt dem Kanzleramtsminister übergeben, verbunden mit der Forderung, das Projekt Stuttgart 21 zu beenden und sinnvolle Alternativszenarien zu S21 anzugehen.
Zuvor werden wir ab 8:30 Uhr mit einer Bannerparade vor dem Bahntower stehen und den Aufsichtsräten und Mitarbeiter(inne)n der DB AG zeigen, dass sich der Umstieg 21 lohnt, da ansonsten die Bahn mit S21 ungebremst gegen die Wand fährt. Hierzu haben wir eine Performance vorbereitet, die die Weichenstellung zum Umstieg 21 darstellen wird. Flankiert von 60 motivierten Stuttgart-21-Gegner(inne)n sicherlich ein starkes Signal.
Parallel dazu wird es eine Pressekonferenz geben, bei der Eisenhart von Loeper für das Aktionsbündnis die Forderung nach einen Umstieg aus dem gescheiterten Projekt S21 formulieren wird. Dort werden auch Claus Weselsky von der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) sowie Winfried Wolf von ‚Bahn für Alle‘ über die aktuelle Situation der Bahn berichten und entsprechende Forderungen für die Umgestaltung der Bahn aufstellen. Unter anderem sicherlich auch die zwölf Forderungen, die das Komitee ‚Rettet die Bahn‘ angesichts der verheerenden Lage der Bahn AG als Sofortmaßnahme ausgearbeitet hat. (Näheres zum Komitee ‚Rettet die Bahn‘ finden Sie in der Lunapark 21 Sonderausgabe auf Seite 95, das Heft bekommen Sie an der Mahnwache)
Am Nachmittag haben wir dann ein Gespräch mit einer TAZ-Redakteurin, bei dem wir sie über das Projekt Stuttgart 21 informieren werden. Anschließend findet eine Besichtigung des neuen Hauses und ein gemeinsames Abendessen in der TAZ-Kantine statt.
Am Donnerstag werden wir um zehn Uhr vor der Bilanzpressekonferenz den Pressevertretern zeigen, dass ein Weiter-So-Gewurstel wie es Bahnvorstand Lutz präsentieren wird, keine Lösung ist. Der Notverkauf von Bahntochter Arriva hier, dem Verschieben der Schuldenobergrenze um zwei bis drei Milliarden da und weitere Bürgschaften vom Bund sind keine langfristige Perspektive für eine zukunftsfähige Bahn.
Besonders freue ich mich darauf, dass wir schon am Dienstagabend den Schwabenstreich am Potsdamer Platz tatkräftig unterstützen können, getreu dem Berliner Motto „wir Pfeifen auf Stuttgart 21“!
Wir werden die Aktionen immer zeitnah ins Netz stellen. Von der Pressekonferenz und der Gutachten-Übergabe am Kanzleramt soll ein Lifestream erstellt werden. Und selbstverständlich werden wir, wenn wir zurück sind, hier von unseren Aktionen berichten.
Berlin, zieh Dich warm an, wir kommen. – Oben bleiben!