Rede von Dr. Winfried Wolf, Verkehrsexperte, Journalist und Herausgeber von ‚LunaPark21'auf der 447. Montagsdemo am 7.1.2019
Eine Bilanz zum Stand des Projekts auf Basis der 2018er Entwicklung
Lassen wir doch auf der ersten Montagsdemonstration im neuen Jahr 2019 – gleichzeitig im Jahr zehn, seit es Montagsdemonstrationen gegen das Monsterprojekt gibt – das vergangene Jahr in Sachen Stuttgart 21 Revue passieren.
Als gelernter Katholik habe ich mich hier am klassischen Kreuzweg orientiert – an der via dolorosa – der schmerzensreichen Straße. 2018 war für die S21-Macher ja auch eine schmerzensreiche Wegstrecke, wie im Folgenden aufzuzeigen sein wird.
Dazu vorab ein Hinweis: Ich beschränke mich im Folgenden auf sieben Stationen, wie das im ursprünglichen Kreuzweg – auch „Nürnberger Kreuzweg“ genannt – so vorgesehen war. Eine Erweiterung auf die allseits bekannten 14 Stationen ist natürlich jederzeit möglich – gewissermaßen als Langfassung meines Referats. Schließlich wurde ich nachdrücklich gebeten, hier die Kurzfassung vorzutragen – auch mit Rücksicht auf die Veranstaltung um 19 Uhr im Württembergischen Kunstverein – bei der ich erneut Referent sein werde.[1]
Die Stationen auf dem schmerzenreichen Weg 2018 sind die folgenden sieben:
Erste Schmerzensreiche Kreuzwegstation = Januar 2018:
Die neu drastisch gestiegenen Kosten des Monsterprojekts
Wir kennen alle die verschiedenen früheren Kostensteigerungen, die es bei Stuttgart 21 gab. Bei der Volksabstimmung garantierte die grün geführte Landesregierung gemeinsam mit dem damaligen Bahn-Chef Grube: 4,5 Milliarden Euro seien der „Deckel“; alles andere ist „unwirtschaftlich“. Wie gesprochen so gebrochen: 2013 waren es bereits 6,8 Mrd. Euro. Anfang 2018 kam der neue Schlag: Die Deutsche Bahn AG geht inzwischen von 8,2 Milliarden Euro Gesamtkosten (und einer neuerlichen Verschiebung einer möglichen Inbetriebnahme auf 2025) aus.
Wir wissen: Längst liegt der Prüfbericht des Bundesrechnungshofs vor, der auf rund 10 Mrd. Euro Kosten kommt. Eine Inbetriebnahme kann nach unseren Berechnungen frühestens 2028, eher 2030 erfolgen.
Zweite Schmerzenreiche Kreuzwegstation = April 2018:
Richard Lutz´ Eingeständnis im Verkehrsausschuss: „S21 ist absolut unwirtschaftlich“
Im April 2018 war der damals noch relativ neue Bahnchef Richard Lutz im Verkehrsausschuss des Bundestags geladen. Hier räumte er ein: Stuttgart 21 sei „absolut unwirtschaftlich“. Er nannte auch eine konkrete Zahl und sprach von einem durch S21 bedingten Verlust in Höhe von 2,28 Milliarden Euro. Das ist Unsinn, weil zu niedrig; darauf wird zurückzukommen sein. Es gab dann den üblichen Zusatz vom Bahn-Chef. „Mit dem heutigen Wissen würden wir S21 nicht wieder bauen.“
Ein vergleichbares Wissen gab es allerdings auch bei Baubeginn – bei den S21-Gegnerinnen und Gegnern – und dies immer wissenschaftlich unterlegt. Auch heute noch nachzulesen in unterschiedlichen Studien, so in den Studien, die die Grünen (Stand: vor einem Jahrzehnt) oder der BUND (Stand: vor einem Jahrzehnt) damals in Auftrag gaben.
Dritte Kreuzwegstation = Mai 2018:
Das Überflutungsrisiko wird konkretisiert
Im Mai veröffentlichte das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 eine neue – von Dipl. Ing. Hans Heydemann und Dr. Christoph Engelhardt erarbeitete – Studie zum Thema Überflutungsrisiko und Stuttgart 21. Danach reduzieren der S21-Trog und die damit erforderliche Dükerung die Leistung der Abwasserkanäle. Christoph Engelhardt dazu auf der 418. Montagsdemo: „An der engsten Stelle des Ausflusses aus dem Stuttgarter Talkessel baut man sich mit dem Stuttgart-21-Tiefbahnhof einen Riegel, der den Hochwasser- und den Grundwasserabfluss weitgehend abriegelt.“
Es gibt mit S21 einen drastischen Rückbau der Starkregen-Vorsorge. Ausgerechnet eine grün regierte Stadt betreibt keine Vorsorge für den Klimawandel. Ja, es wird bestritten, dass Stuttgart trotz seiner allseits bekannten Kessellage einem besonderen Starkregenrisiko ausgesetzt ist.
Mehr noch: Dieser Tiefbahnhof wird so gebaut, dass er – und seine Zulauftunnel – im Fall von längeren, massiven Regenfällen planmäßig unter Wasser gesetzt wird. Steigt das Grundwasser deutlich, dann werden die Bahnhofshalle, die Bahnsteige und die Tunnel durch „Notflutöffnungen“ geflutet. Damit soll das verhindert, was der S21-Architekt Frei Otto befürchtete – und weswegen er seine Unterstützung für das gesamte Projekt, das ja von ihm maßgeblich mit-entwickelt wurde, widerrief: dass der S21-Tiefbahnhof „aufsteigt wie ein U-Boot“.
Einmal unterstellt, ein solches Aufsteigen des S21-Bahnhofs kann durch das „planmäßige Fluten“ verhindert werden, so wird damit aber doch ein Hauptbahnhof mit all seiner Elektronik und all seinen Infrastruktureinrichtungen – mit den ETCS-Signalanlagen und den Tunneln – schwer beschädigt. Dann fällt in Stuttgart und weitgehend auch in der Region der gesamte Zugverkehr für viele Wochen komplett aus. Man plant also jetzt bereits, die damit verbundenen Schäden in Höhe von hunderten Millionen Euro in Kauf zu nehmen. Vergleichbares gibt es nirgendwo in Europa – das geplante Projekt, einen Großbahnhof, unter Wasser zu setzen.
Vierte Schmerzensreiche Kreuzwegstation = Juni 2018:
Das Brandschutzkonzept für S21 – „ein Staatsverbrechen“
Am 7. Juni veröffentlichte das Magazin „Der Stern“ ein Aufsehen erregendes – von Arno Luik geführtes – Interview mit dem Brandschutzexperten Hans-Joachim Keim, einem international renommierten Brandschutzexperten. Er lieferte u.a. das Gutachten zur Tunnelkatastrophe von Kaprun, bei der 155 Personen ums Leben kamen.
Keim äußerte in dem Interview zum vorliegenden – nicht genehmigten! – Brandschutzkonzept der Deutschen Bahn: „Das ist eine Katastrophe mit Ansage. Im Unglücksfall haben Sie die Wahl: Will ich ersticken? Oder zerquetscht werden? Oder verbrennen? […] Es ist schlicht menschenverachtend, was die da machen.“ Kiem wörtlich: Es handele ich bei Stuttgart 21 „um ein Staatsverbrechen“.
Im Oktober desgleichen Jahres wurde dann diese Aussage dick unterstrichen. Ein ICE geriet in voller Fahrt auf der Strecke Köln – Frankfurt/M. in Brand; zwei Wagen brannten vollkommen aus. Es war erheblich viel Glück im Spiel, dass alle Fahrgäste evakuiert werden konnten und dass es keine Opfer gab. Doch die Deutsche Bahn musste eingestehen, dass bei den ICE-Zügen immer wieder ein für die Brandsicherheit wichtiges Element, das sogenannte Buchholz-Relais, „überbrückt“, also ausgeschaltet wird. Beim vorliegenden ICE-Brand sei das – natürlich – nicht der Fall gewesen.
Eine Recherche des ARD-Magazins Report-Mainz ergab: Im vergangenen Jahrzehnt gab es 39 ICE-Brände. Jeder in Stuttgart weiß: Ein Brand eines ICE im Tiefbahnhof oder in einem der 50 km langen Tunnel unter der Stadt würde mit sehr großer Wahrscheinlichkeit eine Katastrophe darstellen – mit vielen Opfern.
Fünfte Schmerzensreiche Kreuzwegstation = Juni 2018 S21-Anhörung ergibt:
Bahnvorstand weiß seit 18 Jahren, dass S21 unwirtschaftlich ist
Am 14. Juni 2018 fand eine neuerliche Anhörung im Deutschen Bundestag statt. Bei den Experten, die den S21-Bahnhof befürworten (darunter Leger, Bopp, Prof. Martin) gab es buchstäblich niemanden, der offensiv Stuttgart 21 verteidigte. Deren Auftritt wirkte wie eine lästige Pflichtübung. Stattdessen glänzte unsere Seite – durch einen überzeugenden Auftritt von Hannes Rockenbauch.
Im Vorfeld dieser Anhörung und in der Anhörung selbst gab es spannende Aussagen von Thilo Sarrazin. Der Mann war 2000/2001 Netzvorstand in der Führung der Deutschen Bahn AG, damals von Hartmut Mehdorn in dieses Gremium berufen. Sarrazin führte im Ausschuss im Detail aus, wie er 2000 von Mehdorn den Auftrag erhielt, alle Infrastrukturprojekte der Bahn nach Wirtschaftlichkeit aufzulisten. Sarrazin wörtlich: „Da fielen dann viele Dinge [Projekte] raus. […] Und ganz tief unten [auf der Liste] […] stand das Projekt Stuttgart 21.“
Dennoch sei er kurz darauf von Mehdorn persönlich angewiesen worden, eben dieses Projekt in Auftrag zu geben. Auf seine Nachfrage, warum das „völlig unrentable“ Projekt Stuttgart 21 doch gebaut werden müsse, sei ihm, Sarrazin, geantwortet worden: „Dafür gewinnen wir den ganzen Nahverkehrsvertrag für Baden-Württemberg.“
Ich verweile an dieser Kreuzweg-Station 5 etwas länger, weil es die wirklich in sich hat; weil es hier zwei für die S21-Befürworter besonders schmerzensreiche Erkenntnisse gibt. Erstens wurde hier belegt, dass die Wiederaufnahme des Monsterprojektes Stuttgart 21 mit einem fetten de-facto-Schmiergeld verbunden war. Der Nahverkehrsauftrag wurde mit einer Milliarde Euro überbezahlt, wie inzwischen das baden-württembergische Verkehrsministerium mehrfach bestätigte. Bereits dies macht die Wiederaufnahme des Projektes unrechtmäßig.
Zweitens besagt die Sarrazin-Aussage: Der Vorstand der Deutschen Bahn AG wusste IMMER, dass Stuttgart 21 absolut unwirtschaftlich ist. Das, was Sarrazin da äußerte, muss sich so 1:1 in den Unterlagen und Sitzungsprotokollen des Vorstands der Deutschen Bahn AG finden. Die zuvor zitierte Aussage von Lutz im Verkehrsausschuss, wonach man ein Wissen um die Unwirtschaftlichkeit von S21 erst seit jüngerer Zeit habe, ist schlicht die Unwahrheit.
Sechste Schmerzensreiche Kreuzwegstation = September 2018:
Der Deutschlandtakt wird verkündet – doch es soll ihn in Stuttgart nicht geben
Im September verkündeten die deutsche Bundesregierung, die Deutsche Bahn AG und der Bundesverkehrsminister Scheuer: Demnächst – spätestens 2030 – soll es in ganz Deutschland den „Deutschlandtakt“ geben: ein bundeweit geltendes System von Taktverkehren im Fernverkehr, auch integraler Taktfahrplan genannt – und dies nach dem Muster der Schweizerischen Bundbahnen (SBB).
Nun fordern wir als Bündnis ‚Bahn für Alle‘ und wir als Bahnexpertengruppe ‚Bürgerbahn statt Börsenbahn‘ seit 15 Jahren einen solchen bundesweiten Taktfahrplan. Und seit mehr als einem Jahrzehnt antwortet die DB darauf, das sei in Deutschland nicht machbar. Wir haben auch die Neubaustrecke Wendlingen – Ulm vor diesem Hintergrund als unsinnig kritisiert. Mit der deutlich verkürzten Fahrzeit würde ein Taktknoten Ulm verunmöglicht. Auch das wurde jahrelang vom Tisch gefegt – mit dem Argument, ein solcher Taktfahrplan stehe ja nicht an. Jetzt also doch: Er kommt – der Deutschlandtakt. Und er wird in den Medien groß gefeiert. Es gilt: Was kümmert uns unser Geschwätz von vorgestern.
Jetzt haut aber ein Taktfahrplan nicht nur in Ulm nicht hin. Er soll vor allem in Stuttgart erst gar nicht stattfinden. Es gibt nämlich bereits Vorstudien zum Deutschlandtakt, die im Auftrag der Bundesregierung erstellt wurden. Und in diesen konkreten Fahrplanentwürfen kommen Stuttgart und Ulm als ITF-Knoten erst gar nicht vor. Dazu der Fahrplan-Spezialist Professor Wolfgang Hesse auf der 445. Montagsdemo, am 10. Dezember: „Das kann kaum verwundern, denn wie will man in einem zum Provinzbahnhof heruntergestuften Stuttgarter Tiefbahnhof 14 Züge gleichzeitig abfertigen?“
Der heute noch bestehende Kopfbahnhof mit seinen 16 Gleisen allerdings wäre prädestiniert, alle Anforderungen an einen Deutschlandtakt zu erfüllen. Wenn es also zum Deutschlandtakt um 2030 kommen sollte, dann soll kurz vorher die Gleiszahl in Stuttgart halbiert – und damit der gesamte Südwesten von Deutschland von den Segnungen eines solchen Taktfahrplans ausgeschlossen werden.
Siebte schmerzenreiche Kreuzweg-Station = Dezember 2018:
Die neue Bahn-Krise ist in starkem Maß von Stuttgart 21 mitbestimmt
Ende 2018 brach die offene Krise der Deutschen Bahn auf. In den letzten Wochen des Jahres 2018 vergeht kein Tag, an dem es keine neuen Meldungen zu den steigenden Bahnschulden, zu der krass unzureichenden Instandhaltung, zu fehlendem Personal usw. gibt.
Am 20. Dezember veröffentlichte dann die Stuttgarter Zeitung einen Aufsehen erregenden Artikel, verfasst von Thomas Wüpper. Er zitiert dabei aus „streng vertraulichen Unterlagen“ der DB. Danach „wird das Megaprojekt im kommenden Jahr“ – also 2019 – „ein Achtel der gesamten DB-Nettoinvestitionen von vier Milliarden Euro verschlingen, konkret rund 500 Millionen Euro. 2020 wird der Anteil auf ein Sechstel und 2021 sogar auf fast ein Fünftel steigen. […] (Allein) 2020 und 2021 soll der Konzern zusammen rund 1,5 Milliarden Euro in das Projekt stecken. Das wären so hohe Investitionen wie in die gesamte übrige Schieneninfrastruktur zusammen.“ Das heißt: Stuttgart 21 trägt massiv zur Krise des Staatskonzerns bei. Das aber heißt im Umkehrschluss: Ein Stopp des Projekts ist ein wesentlicher Beitrag gegen die Bahn-Krise. Ohne einen S21-Stopp wird sich diese Krise immer mehr verschärfen.
Der Ausschussvorsitzende Cem Özdemir erklärte im Vorfeld der angeführten Verkehrsausschuss-Sitzung im April 2018 öffentlich, die S21-Gegner hätten „in fast allen Punkten recht“ bekommen. Es sei an der Zeit, dass sich die Betreiber von S21 „öffentlich entschuldigen“. Er sagte jedoch auch – so in der Ausschusssitzung selbst: „Jetzt isch die Katz dr Baum nauf.“ Und eben dies sagen auch alle diejenigen, die sich jetzt als „nachdenklich“ geben, die behaupten, „bei dem heutigen Wissen“ würde man S21 nicht mehr in Angriff nehmen. Doch inzwischen sei eben zu viel investiert worden. Daher gelte jetzt die Devise „Augen zu und durch“.
Doch das ist schlicht unsinnig. Das ist eine Rechnung, die jedes Milchmädchen beleidigen muss – und Milchmädchen konnten rechnen. Wer diese Argumentation anführt, der ignoriert bewusst die grundlegenden Erkenntnisse der Betriebswirtschaft über „sunk costs“, über „versenkte Kosten“. Danach gilt: Wenn ein Projekt als unwirtschaftlich identifiziert wird, dann muss es gestoppt werden. Denn es wird ja nicht nur einmalige Verluste produzieren. Es wird im gesamten Verlauf des Betriebs, also Jahr ums Jahr, Verluste produzieren. Im Fall eines Bahnhofs also im Verlauf von 75 oder auch 100 Jahren. Eine halbierte Gleiszahl, ein Abbau der Kapazität um 30 Prozent, erheblich höhere Energiekosten, fest eingebaute, regelmäßige Verspätungen, erhöhte Unfallgefahren durch das 15,2 Promille-Gefälle der Gleise und der Bahnsteige – von den zu erwartenden Sonderereignissen wie Brandgefahr oder Überflutung jetzt einmal ganz abgesehen: all das wird in jedem Jahr hunderte Millionen Euro an Verlusten produzieren, insgesamt also Dutzende Milliarden Euro.
In der Privatwirtschaft wird die Lehre von den sunk costs durchaus akzeptiert. Thyssen hat vor zwei Jahren ein Investment in Höhe von acht Milliarden Euro – Stahlwerke in Brasilien und in den USA, und zwar funktionierende, erbaute Stahlwerke – komplett aufgegeben und abgeschrieben – wegen „sunk costs“, weil sie – Jahr für Jahr im Betrieb – unwirtschaftlich sind.
Es gibt da in der Literatur Eselsbrücken, wie man das verstehen sollte. Ein einleuchtendes Bild wird wie folgt beschrieben: Wer ins Kino gehe, um einen Film anzuschauen – und dann feststellt, dass der Film grottig ist, der dürfe auch nicht sagen: „Aber ich hab die Kinokarte doch bereits bezahlt; jetzt bleibe ich bis zum Ende der Vorstellung sitzen.“ Der müsse, wenn er vernünftig sei, aufstehen und rausgehen. Weil ein weiteres Zuschauen schlicht Zeitverschwendung sei.
Gut, das Beispiel hinkt ein bisschen – jedenfalls hier bei uns in Stuttgart. Und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen, weil wir als Schwäbinnen und Schwaben vielleicht doch dazu geneigt sind, das Kärtchen jetzt halt abzusitzen.
Zum anderen hinkt das Beispiel, weil der Film, der mit S21 geboten wird, nicht nur schlecht ist. Das ist schlicht der falsche Film, in dem wir da sitzen. Es geht eben nicht, wie bei der Elbphilharmonie oder wie bei BER in Berlin um zu viel Geld für ein suboptimales Projekt. In beiden problematischen Fällen wird am Ende die Kapazität erweitert – es gibt mehr Sitzplätze für Kultur und mehr Abfertigungsmöglichkeiten für Fluggäste. Stuttgart 21 ist etwas anderes. Es ist einmalig grottig. Damit soll ein funktionierender Bahnhof zerstört und dessen Kapazität massiv abgebaut werden.
Bei einem echten Kreuzweg, das wissen einige hier auf dem Platz und daran erinnere ich mich auch ganz gut, sind die einzelnen Stationen auch sogenannte „Fußfallstationen“. Man kniet da nieder, um sich das Schmerzhafte des Dargestellten besser zu vergegenwärtigen.
Darauf verzichten wir hier – bereits aus grundsätzlichen Erwägungen. Einmal wegen des gebührenden Respekts vor der Religion. Zum anderen aber auch, weil unser Gruß ein ganz anderer ist.
Er lautet: Oben bleiben!
Anmerkung:
[1] Als Kreuzweg bezeichnet man einen Wallfahrtsweg, bei der man den einzelnen Stationen des Wegs folgt. Klassischerweise sind dies auch Fußfallstationen (zum jeweiligen Niederknien). Unter dem Einfluss der Passionsmystik (sieben Tageszeiten des Stundengebets und sieben römische Stationskirchen) wurde der Kreuzweg im deutschen Sprachraum ebenfalls zunächst in sieben Stationen unterteilt.
Winfried Wolf ist Chefredakteur der Zeitschrift Lunapark21. Von dieser Zeitschrift erschien soeben eine Sonderausgabe (Extra Heft 18/19) mit 96 Seiten zur Krise der Bahn. Darunter viele Seiten zu Stuttgart 21. Das Heft ist an der Mahnwache gegen Spende erhältlich.
Rede von Winfried Wolf als pdf-Datei