Rede von Dr. Ralf Laternser, Dipl. Geologe, auf der 436. Montagsdemo am 8.10.2018
Stuttgart 21 bleibt grundwassertechnisch ein hochriskantes Pilotprojekt. Für eine technisch blamable und völlig unwirtschaftliche Politiker-Bahnverknotung wird das lebenswichtige Naturgut Wasser und eine ganze Stadt gefährdet. Die eklatanten Mängel – und möglichen Gefahren – der offiziellen Grundwasser-Berechnungen sind auch nach Jahren der Anpassung durch bekannt werdende örtliche Grundwasserprobleme offensichtlich.
Erinnern wir uns: Die Berechnungen für die Eingriffe in das Grundwasser wurden von zwei angeblich unabhängigen Projektgruppen angefertigt, die sich jedoch vor der Genehmigung 120-mal trafen. Am Tisch saßen auch immer Vertreter der Bahn, des Eisenbahnbundesamtes und der Fachbehörden von Stadt und Land. Die Grundwasserberechnungen dieser zwei Projektgruppen bestätigten sich zwangsläufig hervorragend – und wurden von den direkt beteiligten Fachbehörden dann logischerweise auch genehmigt. Die sichere Beherrschung des Grundwassers galt als die wichtigste Voraussetzung der Gesamtgenehmigung für das Jahrhundertprojekt im Jahre 2005. Das alles geschah wohl unter einem gewissen Genehmigungsdruck, da zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht alle Grundwassererkundungs-Programme ausgewertet waren. Hier meine ich insbesondere das 5. Erkundungsprogramm aus dem Jahre 2003, das abschließend bestehende Unklarheiten im Untergrund gezielt klären sollte.
Und dann das: 2012 sickerte durch, das beide Grundwassermodelle tatsächlich extrem fehlerhaft sind, und die Bahn die schon erhebliche umzuwälzende Grundwassermenge auf über 6 Millionen Kubikmeter verdoppeln wollte. Das war nicht verwunderlich, wenn man die spätere Bewertung des Gutachters des BUND, Dr. Lueger, zum Projekt-Grundwassermodell kennt: „Das Modell des Vorhabenträgers entspricht nicht dem Stand der Technik.“ „Das Modell beruht auf unrichtigen bzw. unrealistischen Grundannahmen“. „Geologische Störungen und Dolinen werden im Modell durch fragwürdige Hilfskonstruktionen ersatzweise nachgebildet.“
Doch wie immer: Nach unbekannt vielen weiteren konspirativen Grundwasser-Sitzungen wurde alles gegen unsere Einsprüche und Gutachten von den bei der Planung wieder direkt beteiligten Behörden genehmigt. Der Kontakt zwischen Fachbehörden und Bahn AG muss dabei so innig gewesen sein, dass die Bahn eine entscheidende Ergänzung einfügen konnte: Die prognostizierte Gesamtförderrate und Fördermenge solle um den „hydrologiebedingten Anteil am Wasserandrang“, den sogenannten „Petrus-Faktor“ ergänzt werden. Zu Deutsch: Wenn´s überraschend regnet, darf entsprechend mehr abgepumpt werden. Das eklatante Versagen der Grundwasserplaner wurde so letztendlich zu einer in Deutschland einmaligen Absolution durch Fachbehörden für grenzenlosen Grundwassermissbrauch ohne beschränkenden Höchstwert.
Letztendlich vervollkommnet wurde das ganze Stuttgart-21-Grundwasser-Gemauschel durch die Verlängerung von ursprünglich eingeschränkten Entnahmezeiträumen, als letztes zeitliches Hindernis zum uneingeschränkten Grundwasser-Herumgepumpe. In der Endlosbaugrube 16 erfolgte im Jahre 2016 erstmals und wohl auch richtungsweisend eine Verlängerung der Grundwasser-Eingriffe von 12 auf nun 26 Monate.
Jetzt aber ins Neckartal nach Untertürkheim: Ohne den völlig maßlosen, aber technisch doch sehr fortgeschrittenen und routinierten Tunnelbau, wäre Stuttgart 21 bis heute nur ein riesiges Dreckloch in der Innenstadt mit zwei halbfertigen Kelchstützen von Maestro Ingenhoven.
Dass die Bahn beim Tunnelbau, insbesondere auch im Neckartal, auf Grundwasserprobleme treffen wird, haben wir erwartet. Im Extremfall sogar auch auf massive Probleme mit Mineralwasser. Wie immer argumentierten die Bahn und die Behörden auch hier mit einem außergewöhnlich gründlich untersuchten Baugrund und wiesen Einwände von Bürgern und anderen stets ab. Beim Tunnel nach Untertürkheim z. B. wurden Einsprüche von den Behörden allgemein mit der Begründung abgewiesen: „Es wird jetzt ja weniger Wasser abgepumpt als ursprünglich genehmigt“.
Und tatsächlich wurde 2014 beim Antrag zur Verdopplung der Grundwassermenge über die Gesamtlänge beider Tunnelröhren nach Untertürkheim die Grundwassermenge von 61.800 auf 3.800 Kubikmeter verringert. Grund waren die schon erwähnten angeblich „neuen“ Erkundungsprogramme mit vertieften Erkenntnissen zum Untergrund.
Aber gerade im Gegenteil, führte und führt das grundlegend fehlerhafte Grundwassermodell, die unzureichende Baugrunderkundung zusammen mit der offiziell geduldeten Verlagerung von bautechnischen Problemen in die Bauausführung tatsächlich zu regelmäßigen Baustillständen, ständigen Planänderungen und teilweise sehr gefährlichen „Überraschungen“. Die Mehrkosten der Neckartunnel belaufen sich schon auf ca. 50 Millionen Euro – oder 500 Vollzeitlehrerstellen!
Die S21-Tunnel-Chronologie von Untertürkheim im Detail: Zu Baubeginn 2014 mussten viele Tunnelkilometer wegen überraschend hohem Grundwasserandrang aufwendig tiefer geplant – und auch gelegt werden. Mit entsprechender Bauverzögerung, 2016, geschah dann, trotz „sorgfältiger Vorerkundung“ und „völlig überraschend“, dass beim Erreichen einer löchrigen Auslaugungszone des Gipskeupers – der dort auf der geologischen Karte auch eingezeichnet ist – ein mit Wasser gefüllter Hohlraum sich auf die wackeren Mineure ergoss. Das Gesamtvolumen von 3800 Kubikmeter Grundwassser für den gesamten Tunnelabschnitt wurde dabei allein an den ersten drei Tagen dieses kritischen Grundwasserwassereinbruches überschritten.
Die Stadt bewertete diesen Vorgang auf Anfrage übrigens so: „Die zuständigen Dienststellen der Stadt wurden zeitnah umfassend informiert.“ „Weitere Maßnahmen im Hinblick auf den eingetretenen Wassereintritt sind derzeit aus Sicht der Verwaltung nicht erforderlich“. In Wirklichkeit kam es zu einem monatelangen Baustillstand wegen der umfangreichen Verpressung von Beton in den hohlraumreichen Untergrund. Dies zeigt exemplarisch, dass die Stadt Stuttgart von der Bauherrin Bahn hier nicht über die tatsächlichen Konsequenzen ihrer Arbeit in Kenntnis gesetzt wurde – und sie der Bahn grundsätzlich wohl blind vertraut und ihr den Untergrund unkritisch überlässt.
Im Frühjahr 2018 hemmten dann „überraschend“ aufgetauchte Baupläne des Untertürkheimer Hallenbades den Baufortschritt. Und aktuell sind es nun schon wieder unerwartet erhöhte Grundwassermengen in Richtung Obertürkheim, die den Tunnelbau gestoppt haben!
Aber es könnte auch weit schlimmer kommen, wenn z.B. – wie 2016 während des Tunnelbaus unter Stuttgart Ost – an einer überraschend auftretenden Verwerfungszone Wasserzutritte im quellanfälligen Anhydrit festgestellt werden, oder bei einem weiteren Wassereinbruch Anwohner oder Mineure ernsthaft zu Schaden kommen, oder überraschend und unkontrolliert Mineralwasser austritt. Die Bahn hatte bisher einfach nur viel Glück!
Die Aussichten: In Wirklichkeit ist es leider so, das auch der schlechteste Plan mit allen seinen Gefahren durchgezogen werden wird, wenn wie bei Stuttgart 21 völlig außerhalb der realen Welt
- endlos Geld und Zeit für fette Profite zur Verfügung steht,
- grundlegende Vorschriften ausgehebelt wurden,
- niemand wirklich Verantwortung trägt,
- und ein Großteil der Stadt und ihrer Verwaltung gleichgültig bleibt.
Uns ist das nicht gleichgültig – denn das Grundwasser und die Menschen können nur durch einen sofort möglichen Umstieg dauerhaft geschützt werden.
Sie haben schon mitbekommen, daß die relevanten Tunnel unter dem Neckar gebaut sind? Die Ingenieure sind nämlich durchaus dazu fähig die Probleme wenn sie auftreten zu erkennen und Lösungen zu finden. Hellseherische Fähigkeiten diese in Vorfeld zu erkennen gehören leider noch nicht zur Ausbildung eines Bauingenieurs.
Selbst wenn diese ingenieurtechnisch machbar sind, sind diese für die Aufgabe des Personentransports völlig ungeeignet. Siehe der ICE -Brand heute auf freier Strecke, wo wegen der starken Rauchentwicklung sogar die A3 gesperrt werden mußte. Der todsichere Kommentar der Bahn wird sicher heißen: es sind alle 500 Passagiere wohlauf.
…natürlich sind die Ingenieure fähig -fast alles ist machbar- aber für die Personenbeförderung ist die BahnAG zuständig- deren Auftrag ist die Sicherheit der Reisenden zu gewährleisten. Auf Dauer.
Das ist ist bei dem S21-Tunnellabyrinth nicht gegeben. Siehe ICE-Brand gestern.
Da braucht es keine Glaskugel um in die Zukunft zu blicken, da braucht es nur Manager, die etwas von der Bahntechnik im Einzelnen und gesamten verstehen und nicht Politiker, die dem Steuerzahler aus Prestige vorgaukeln, alles besser
zu wissen.