Rede von Michael Becker, Kernen 21, auf der 435. Montagsdemo am 1.10.2018
Eine Gruppe Stuttgart S21-GegnerInnen ist zur turnusmäßigen Herbstsitzung des Aufsichtsrates der Deutschen Bahn AG gefahren, wir lassen halt nicht locker. Im Vorfeld der Sitzung hatte Bahnchef Lutz mit einem Brandbrief an die Führungskräfte für Aufsehen gesorgt. In dem Brief hatte er eine qualifizierte Ausgabensteuerung angekündigt, zu Deutsch: eine Ausgabensperre. Der Konzern steht kurz vor der Verschuldungsobergrenze von 20 Milliarden Euro – aktueller Stand 19,7 Milliarden Euro – im Minus. Rechnet man die zwei Milliarden Euro Regressforderung aus der Schweiz wegen der Streckenunterbrechung beim Rastatter Tunneleinbruch noch dazu, liegt die Bahn schon über 20 Milliarden!
Konstruktiv, wie wir Tiefbahnhofgegner nun mal sind, haben wir uns mit einen milliardenschweren Einspartipp im Gepäck auf den Weg nach Berlin gemacht. Am Vorabend der Sitzung haben wir dann am Schwabenstreich der Berliner S21-GegnerInnen teilgenommen.
Vor dem Bahntower erwarteten uns schon die millionenschweren Luxuskarossen der Bahnvorstände, die am Vortag der AR Sitzung zusammenkommen.
Erster Tipp von mir: Dienstwagen abschaffen, Bahn Card 100, sowie ein BVB-Monatsticket besorgen und den Chauffeur zum dringend benötigten Lokführer umschulen, so spart man sinnvoll! Als dann Bahnchef Lutz in sein Auto stieg, mussten wir spontan vom üblichen Slogan der Berliner SchwabenstreicherInnen „Baut was gscheids“ abweichen und ihm „Pleitegeier“ hinterher rufen, was ihn sichtlich verärgerte. „ Bahn-Pleite dank Stuttgart 21“ war auf unserem Banner zu lesen, „wir pfeifen auf S21“ das Traditionsbanner der Berliner Gruppe. Anschließend sind wir in ein Berliner Lokal gegangen und haben – Veganer bitte kurz mal weghören – Eisbein mit Erbspüree gegessen.
Am nächsten Morgen in aller Frische haben wir dann die DB-MitarbeiterInnen , die da zahlreich aus dem S-Bahnhof Potsdamer Platz kamen und an uns vorbeiströmten, sowie die immer etwas später eintrudelnden Aufsichtsräte begrüßt. Den Spruch von unserem Banner „Bahn retten heißt Stuttgart 21 stoppen“ haben wir ihnen als Tipp des Tages mit auf den Weg gegeben. Neben uns protestierte eine Gruppe von Gewerkschaftern der EVG. Sie forderte von der Bahn, dass in allen Betrieben der Bahn Tarifverträge eingeführt werden. Diese Forderung verdient natürlich unsere Unterstützung, die aktuelle Misere der Bahn darf nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Zumal die Probleme ganz woanders liegen, in einer seit Bestehen der Bahn AG verfehlten Verkehrspolitik, die leider nur allzu oft auch von den Aufsichtsräten der EVG mit abgenickt wurde. Ich erinnere hierbei an den 5.3.2013, als der DB-Aufsichtsrat auf mutmaßlichen Druck der Politik für den Weiterbau von Stuttgart 21 gestimmt hatte.
Über die Beschlüsse, die der Aufsichtsrat an diesem Tag gefasst hat, ist bisher nicht viel bekannt geworden, für knapp eine Milliarde Euro will die Bahn neue ICE und Eurocityzüge kaufen. Dies ist angesichts der Tatsache, dass häufig Verbindungen ausfallen, weil Züge und Waggons fehlen, keine schlechte Entscheidung, dagegen sind die 345 Millionen Euro Beratungskosten im Jahr 2017 pure Geldverschwendung. Für die Antwort auf die Frage, was zu tun ist, um die Bahn zu verbessern, brauche ich keine überteuerte Unternehmensberatung. Ausbau statt Rückbau des Streckennetzes, Elektrifizierung aller Strecken, mindestens zweigleisiger Ausbau, Einführung eines deutschlandweiten Taktverkehrs etc. und natürlich Erhalt des Kopfbahnhofs in Stuttgart unter Einbeziehung des Konzepts Umstieg21.
Wir lassen nicht locker, bei der nächsten AR-Sitzung werden wir die Verantwortlichen wieder mit unseren Forderungen konfrontieren. Oben bleiben!