Rede von Dr. Eisenhart v. Loeper, Rechtsanwalt und Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21, auf der 423. Montagsdemo am 9.7.2018
Liebe Freundinnen und Freunde,
die Justiz brachte in Leipzig Fehlerquellen mit Leerlauf zu S21 hervor, die eine genauere Betrachtung verlangen. In jedem Falle bleibe ich überzeugt: Wenn wir die Fakten bestmöglich präsentieren, können wir viel bewirken, uns kann die Wende bei S 21 gelingen. Die Samstagdemo vor zwei Tagen hat es Mut machend mit Eurer großen Resonanz gezeigt. An der Generalstaatsanwaltschaft Berlin sind wir dran, sie muss jetzt agieren. Und wir haben uns heute an den Bundesrechnungshof gewandt, wie es Herta Däubler-Gmelin vorschlug.
Doch konkret zuerst zum Leipziger Urteil: Die Stuttgarter Netz AG klagte für die weitere Nutzung des Stuttgarter Kopfbahnhofs gegen das Eisenbahn-Bundesamt und wollte nach § 11 Allg. Eisenbahngesetz (AEG) den Kauf oder die Pacht von Teilen des Bahnhofs erreichen. Das Verwaltungsgericht in Stuttgart und jetzt das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig haben die Klage abgewiesen. Das ist bitter für die Klägerin und trifft auch uns. Verantwortlich für den Prozessverlauf ist die Netz AG. Sie hatte zu Recht betont, S21 schaffe eine neue Verkehrsinfrastruktur, für die Schließung des Kopfbahnhofs fehle eine Genehmigung zur Betriebseinstellung. Jedoch hat das Gericht verneint, mit S21 sei „die dauernde Einstellung des Betriebes einer Strecke“ oder „eines für die Betriebsabwicklung wichtigen Bahnhofs“ beabsichtigt. Begründet hat es dies damit: „Sämtliche Verbindungen von und zum Stuttgarter Hauptbahnhof blieben nach den bindenden Feststellungen des Verwaltungsgerichts erhalten.“
Damit verkürzen sich „Strecke“ und „Bahnhof“ auf die pure Ortsverbindung von A nach B. Untragbar ignoriert wird damit: Die Gäubahn von Süden her, die Verbindung von Stuttgart-Vaihingen und Stuttgart-Feuerbach zum Hauptbahnhof werden unterbrochen. Ferner: Schon vom Wortsinn des § 11 AEG her ist es absurd, den unterirdischen Tiefbahnhof als Umbau des Kopfbahnhofs zu sehen, das verfehlt auch den gesetzlichen Zweck für ein „attraktives Verkehrsangebot“ und einen „unverfälschten Wettbewerb auf der Schiene“ (§ 1 AEG) und es missachtet den im Grundgesetz gewährleisteten „Ausbau und Erhalt“ des Schienenverkehrs (Art. 87 e Abs. 4 GG). Unerhört und unbegreiflich ist, dass das höchste Verwaltungsgericht diese vorrangigen Maßstäbe übergangen hat, aber auch, dass der Anwalt der Stuttgarter Netz AG dies nicht eingebracht hat.
So hat der Leerlauf des Prozesses vor allem drei Fehlerquellen: Die fehlende rechtliche Argumentationstiefe, die fehlende Tatsachenprüfung – infolge Sprungrevision durfte in Leipzig nur noch die Rechtsprüfung stattfinden – und die fehlende Thematisierung des mögliche Klagegrundes, dass S21 die Kapazität des Bahnhofs deutlich vermindert. Wäre es thematisiert worden, hätte dies den Prozesserfolg bewirken müssen!
Ich komme zum zweiten Teil meines Beitrags, dem Sachstand im Prozess der DB AG gegen die Projektpartner. Folgende neue Lage zeigt sich jetzt:
Die Bahnspitze will 65 % der Mehrkosten zwischen 4,5 Mrd. und 8,2 Milliarden Euro per Klage auf die Projektpartner abwälzen, das sind derzeit rund 2,38 Milliarden Euro. Eine riesige Stange Geld. Ich weiß jetzt aus verlässlicher Quelle, dass die Projektpartner eine von uns erstellte achtseitige anwaltliche Ausarbeitung vom Januar 2017 für ihre Erwiderung auf die Klage voll genutzt haben. Dazu zählt auch, dass mögliche Ausgleichsforderungen der DB AG gegen Stadt und Land drei Jahre nach Kenntnis des Sachverhalts verjähren, also hinfällig sind, soweit die Verjährung nicht durch Verhandlungen gehemmt wurde. Zwar kam es dazu im Jahre 2013 mit der sogenannten Sprechklausel. Dann wäre die Jahresende 2016 erhobene Klage noch rechtzeitig erhoben worden. Aber die Projektpartner haben im Prozess geltend gemacht: Schon seit 2009 hat die Bahnspitze Mehrforderungen von knapp 900 Millionen Euro wissentlich täuschend geschönt: Mögliche Ausgleichsforderungen der DB AG verjährten damit schon Jahresende 2012. Das heißt, die Bahn steht mit ihrem Bemühen, derzeit 2,3 Milliarden Euro auf die Prozessgegner abzuwälzen, wohl auf verlorenem Posten.
Die Bahnspitze will deshalb augenscheinlich den Prozess verschleppen und nicht entscheiden lassen. Regelwidrig hat das Gericht nach eineinhalb Jahren noch keinen Verhandlungstermin bestimmt. Das geht aber nur, wenn die Streitgegner mitwirken: Es riecht nach Kumpanei, nach einem Deal der Projektbefürworter, den Baufortgang zu betreiben und eine gerichtliche Entscheidung zu vermeiden, weil man erst „vollendete Tatsachen“ schaffen will. Wir sagen dazu Nein, ein solcher Deal der Prozessparteien zu Lasten der Bürgerschaft ist untragbar. Daher hat das Aktionsbündnis vor drei Tagen OB Kuhn und Verkehrsminister Hermann aufgerufen zu erklären, wie sie dazu stehen.
Und wir haben heute drittens die Generalstaatsanwaltschaft Berlin anhand vorstehenden Sachverhalts informiert: Die Bahnspitze kann die mit ihrem Wissen verjährte Forderung auf Beteiligung der Projektpartner an Mehrkosten nicht auf diese abwälzen. Das ist doppelt von Bedeutung: Die Tatverdächtigen können sich somit vom bestehenden Tatvorwurf der Untreue nicht entlasten und sie schaffen einen neuen Untreuesachverhalt: Die politisch motivierte Milliardenklage schädigt den Bahnkonzern vorhersehbar, weil ihm zusätzlich die hohen Verfahrenskosten zur Last fallen werden. Das haben wir daher zusätzlich angezeigt, wie es dem Gutachten von Professor Bülte entspricht.
Ihr seht, es geht weiter. Wir bleiben dran und oben!
Irgendwie muss man sich die Niederlagen ja schönreden…
… bei diesem Schadprojekt-21 gibt es wohl Niemanden ohne Niederlage. Verloren haben einmal mehr auch Selbst-Betrüger-21 (z.B.: an Rechtfertigungs-Gründen und an Vertrauen).