Abgrundtief und bodenlos – Hallenbad ist S21-Baustelle im Weg

Rede von Dr. Ralf Laternser, Dipl.-Geologe, auf der 414. Montagsdemo am 30.4.2018

Liebe Freunde,

was schrieben die Stuttgarter Nachrichten am 17.4? „Das Hallenbad in Untertürkheim liegt tiefer, als die Projektplaner gedacht haben“. Und die Stuttgarter Zeitung am selben Tag: „Bei einer vertieften Voruntersuchung im Rahmen der Ausführungsplanung wurden in den städtischen Archiven alte Planunterlagen gefunden, aus denen die tatsächliche Gründung des Stadtbades in Form einer Pfahlgründung hervorging, erklärt Projektsprecher Hamann auf Anfrage.“

Die Untertürkheimer Zeitung berichtet wie die Stuttgarter Zeitung, dass die Bahn, die noch in der Planfeststellung von einer Flachgründung ausgegangen ist, von der Pfahlgründung des Stadtbades überrascht war.

Ich fasse zusammen:

  1. „Voruntersuchung“ irgendwann 2017-2018, 13 Jahre nach der Genehmigung, 4 Jahre nach Baubeginn, direkt vor Untertunnelung des Hallenbads
  2. Überraschung
  3. Planfeststellung „dachte“ es wäre Pfahlgründung.

Man kann sich ja mal irren! Aber: Es wurde auch eine Rückmeldung von der Stadt Stuttgart eingeholt und diese wundert sich über den Vorgang: „Denn bereits zum Zeitpunkt der Stadtbadsanierung 2016 war klar, dass die Gründung des Stadtbads eine Pfahlgründung ist. Und damals gab es bereits erste Gespräche mit der Deutschen Bahn, in denen man sich auf ein Konzept für den Tunnelbau verständigt hat“.

Ein anderes Beispiel für eine Überraschung mit einem ungleich höheren Gefährdungspotenzial war ein starker Wassereinbruch beim Tunnelvortrieb Richtung Obertürkheim. Hier war an der – Geologen bestens bekannten – und durch ein umfassendes Bohrprogramm angeblich sorgfältig vorerkundeten hohlraumreichen Gips-Auslaugungszone im Untergrund ein wassergefüllter Hohlraum angebohrt worden. Glücklicherweise knapp neben der Bebauung unter einem Sportplatz.

Interessantes Detail: In einer Planänderung kurz zuvor wurde das Gesamtvolumen in diesem Bauabschnitt übrigens gegenüber dem Wert der Planfeststellung von 61.800 auf 3.800 Kubikmeter verringert. Dieses Volumen für die gesamte Bauzeit wurde allein an den ersten drei Tagen beim Wassereinbruch überschritten.

Man kann also die Pressemeldungen der Bahn aus zum Tunnelbau in und um Untertürkheim getrost als „Fake-News“ bezeichnen. Denn tatsächlich ist die jetzt problematische Hallenbad-Unter­tunne­lung in Untertürkheim wohl eher ein kleineres Problem.

Nicht das kleine Hallenbad – nein Stuttgart 21 selber ist das Problem!

Das ständige Ausbügeln einer völlig realitätsfernen Turbo -Planung nach Politikerwunsch ist absolut typisch und der eigentliche Inhalt von Stuttgart 21. Ohne Grundlage eines verkehrlichen Bedarfs oder wirklichen Konzepts wurde von Projektplanern einer Stadt ein abstruses Monster-Bauprojekt aufgedrückt. Und eine unüberschaubare Summierung von „Überraschungen“, Baustillständen und Planänderungen sind die augenscheinliche Folge und projekttypische Realität.

Beispiele:

  • IHK-Gebäude: Erst sollte dieses Gebäude direkt über dem Feuerbacher Tunnel mit einer technischen Meisterleistung abgefangen werden. Dann aber war es zu aufwendig und die Bahn hat das IHK-Gebäude für einen Abriss der IHK abgekauft – und die IHK hat ein schickes neues Gebäude auf Kosten ihrer Mitglieder erstellen müssen.
  • Ein anderes Beispiel ist die geplante Hebung des Kernerviertels, die bis heute aus technischen Gründen verschoben wurde – und jetzt wegen des technischen Fortschritts neu geplant und genehmigt wurde.
  • Ähnliche Beispiele sind die Renovierung und Stabilisierung des Katharinenstifts oder die Verlegung der Neckarschule.

Es steht also nicht nur das Hallenbad Untertürkheim im Weg – sondern eigentlich ganz Stuttgart!

Eine mittlerweile unüberschaubare Zahl von Dutzenden Planänderungen bestätigt die Erfahrungen aus Untertürkheim im Großen.

Die bekanntesten Großfehlplanungen sind die um Millionen m² völlig falsch berechneten Grundwasserverhältnisse, oder auch die geradezu halsbrecherischen 16 km Versuchstunnel im Anhydrit unter Stuttgart. Den Flughafenbereich, Abstellbahnhof, Brandschutz lasse ich mal weg!

Gerade diese durchgehende Folge von kleinen und großen Fehlplanungen mit ihren „Überraschungen“ haben die Kosten in den Bereich von Fantastilliarden steigen lassen.

Die absolut grottenschlechte Idee und Planung garantiert endlose Schwierigkeiten und Änderungen – und vor allem sicher auch ein schlechtes Endergebnis.

Das Motto lautet nur noch: Irgendwie fertigbringen – und ein katastrophales Konzept und eine katastrophale Planung als technische Herausforderung oder sogar Gradmesser für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands verkaufen – auf Kosten der Allgemeinheit und insbesondere der Stuttgarter.

Das ist alles so, als hätte man die Fußball-WM in Hinterzimmern an einen Ministaat in der Wüste im Juli vergeben.

Danke!

Rede von Ralf Laternser als pdf-Datei

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