Am vergangenen Wochenende erlaubte die DB einen Rundgang über die S21-Baustelle und versprach, alle offenen Fragen von kompetentem Personal beantworten zu lassen. Peter Müller, Mitglied der Mahnwache, hatte viele offene Fragen, die wir zuvor auf BAA veröffentlicht hatten. Nach Müllers Rundgang am Sonntag ist hier nun seine Zusammenfassung der Eindrücke, verbunden mit Antworten auf seine Fragen:
Liebe Mitstreiter und Mitstreiterinnen,
wir sind der Empfehlung der DB gefolgt und haben die einzelnen Stationen in der Reihenfolge dem Flyer entsprechend angelaufen. Gestartet sind wir dann also am Punkt 1, Verzweigungsbauwerk Kriegsbergstraße. Dort haben wir dann auch, genau wie vor zwei Jahren, viele feuchte Stellen entdeckt. Allerdings war der Wassereintritt nicht mehr so heftig wie damals. Anscheinend hat man die Eintrittsstellen mit irgendwelchen Kunststoffen abzudichten versucht.
In dem Tunnel waren auch (sehr undeutliche) Zeichnungen zu den angewandten Tunnelquerschnitten zu sehen. Aufgefallen ist dabei, dass Rettungswege jeweils nur an einer Seite des Tunnels vorgesehen sind und diese zudem noch recht schmal sind. Im Notfall kommt dann sicher auch die Ansage: "Ausstieg in Fahrtrichtung links!"
Ein kurzes Stück des Tunnels ist auch schon fertig betoniert. Etwa 30 Meter vom Portal entfernt hat man mit dem Schalwagen einen Abschnitt fertiggestellt, der allerdings nicht viel länger ist, als der Schalwagen selbst. Dahinter ist die Röhre wieder nur mit Spritzbeton gesichert, und auch da tritt Wasser aus.
Natürlich haben wir auch nach dem von KPMG festgestellten Wassereintritt im Cannstatter Tunnel gefragt und bekamen zur Antwort, dass dieser minimal gewesen sei und keinerlei Auswirkungen hätte.
Auf Nachfrage wurde uns auch bestätigt, dass die Bahn noch keine Genehmigung zu Baumfällungen im Rosensteinpark habe.
Ganz witzig wurde es, als jemand fragte, ob die Tunnelröhre nach Feuerbach schon fertig durchgebohrt wäre. Während eine Frau voll Stolz erklärte, dass man "schon lange" durch sei, antwortete wenig später ein Mann auf die gleiche Frage, dass noch 170 m fehlen würden.
Bei Station 2, der ehemaligen Bahndirektion, ist mir vor allem die eigenartige Konstruktion zur Abstützung der Jägerstraße aufgefallen. Die Jägerstraße verläuft ja zurzeit als Brücke über die Baugrube. Diese Brücke wird von mehreren Stützen getragen. Allerdings gibt mir diese Konstruktion Rätsel auf.
Weiter ging unser Rundgang dann zu Station 3 mit dem Schwerpunkt Leistung und Finanzierung. Zur Leistung kam wieder das Märchen von den 49 Zügen. Und wenn die S-Bahnstrecke nach Vaihingen ausfalle, könnte man die S-Bahnen auch noch über den Fildertunnel fahren lassen. Die Planfeststellung und das VGH-Urteil vom April 2006 wurden ignoriert. Aussage der DB: "So ist es, und das müssen Sie glauben!"
Zur Finanzierung konnte die die Bahn kaum Angaben machen. Die Diagramme waren mit Kosten von 6,5 Mrd. € veraltet, und wo das Geld herkommen soll, weiß keiner. Allerdings war man sich sicher, dass es kommt.
Station 4 mit der Stadtentwicklung war ähnlich gestrickt. Auf unsere Frage, was passiert, wenn das Bundesverwaltungsgericht im ersten Quartal 2018 der Stuttgarter Netze AG Recht geben sollte und zumindest Teile des Kopfbahnhofs erhalten werden müssen, sagte ein Herr M. von der Stadt Stuttgart: "Das können die nicht machen!" Sein Kollege O. meinte: "Ja, wenn das so kommt, dann müssen wir eben umplanen."
Punkt 5, das Turmforum, haben wir ausgelassen, weil wir dort sowieso nichts Neues erfahren hätten.
Also sind wir weiter zu Punkt 6 und 7 gewandert. Dort erfuhren wir von Herrn P., dass das Brandschutzkonzept "so gut wie genehmigt" sei und nur noch ein paar Unterschriften fehlten. Aber das behauptet die Bahn ja schon lange.
Zu den Kelchstützen war zu erfahren, dass es mit dem "Schneeweiß" immer noch Probleme gibt. Auch statisch hat man Probleme, die einzelnen Kelche miteinander zu verbinden, da es Setzungen von bis zu sechs cm geben könnte.
Interessant war auch die Aussage eines anderen Bauingenieurs, der erzählte, dass Frei Otto diese Kelchstützen entworfen habe und Ingenhooven ihm diesen Entwurf "abgekauft" habe. Frei Otto distanzierte sich ja bekanntlich von dem Projekt, weil er der Meinung war, dass seine Entwürfe für die Stuttgarter Bodenverhältnisse nicht taugen.
Danach waren wir im Grundwassermanagement und haben da nach dem Notstromaggregat gefragt (blauer Container). Herr R., der seit 2010 auf der Baustelle ist, erklärte, dass der Container einen doppelten Boden habe und damit auch im Heilquellenschutzgebiet zulässig sei. Ob das so stimmt, wage ich zu bezweifeln.
An Station 9, der zentralen Baulogistik, fragte ich, mit welchem Hydrauliköl die Bagger und sonstigen Maschinen arbeiten würden. Mir wurde erklärt, dass dort auch ganz normales Öl eingesetzt würde. Ich habe deswegen gefragt, weil bei uns in der Firma alle Getriebe, die im Freien eingesetzt werden sollen, mit biologisch abbaubarem Lebensmittelöl befüllt werden müssen.
Zur Musterkelchstütze (Station 10) erfuhren wir nichts, was wir nicht schon gewusst hätten.
An Station 11, Nesenbachdüker, wurde es wieder interessanter. Angeblich ist der Düker soweit fertig. Allerdings gibt es bei der Anbindung des Dükeroberhaupts Probleme, weil die Stadt Stuttgart Widerspruch gegen die Planung der DB eingelegt hat. Genaueres war leider nicht zu erfahren, nur, dass es wohl zu einer weiteren Planänderung kommen wird. Außerdem wurde von Mitarbeitern des Tiefbauamtes erklärt, dass der Düker "wartungsarm" sei und die einzelnen Röhren nach Rückgang der durchfließenden Wassermenge mit Schmutzwasser gespült würden. Zu jährlichen Betriebskosten war nichts zu erfahren.
Station 12, die Haltestelle Staatsgalerie, war sehr gut besucht, dort gab es Glühwein. Ansonsten versuchte man auch dort darzustellen, dass alles nach Plan läuft. Auf Nachfrage kam dann doch wieder das Eingeständnis, dass der Baufortschritt der SSB stark von der DB abhängig sei. Die Sperrung der Trasse Staatsgalerie – Hauptbahnhof wurde bis Ende 2020 angegeben, wenn die DB ...
Zum Schluss besuchten wir noch die Station 13, die Baugrube 22. Allerdings bremste uns schon lange davor ein Bauzaun und von Baugrube 22 war recht wenig zu sehen. Trotzdem bekam ich von Herrn L. eine interessante Auskunft. Der Mann, der sich als Geologe vorstellte und nicht müde wurde, Prof. Wittke in den höchsten Tönen zu loben, erklärte mir auf meine Frage, dass die Gleise bei S 21 vom Bahnhof aus mit stets leichtem Gefälle zum Neckar führen würden. Der Fildertunnel beginnt seinen Anstieg erst am Verzweigungsbauwerk unter dem Kernerviertel.
Mich aber interessierte die Strecke nach Untertürkheim. Schließlich baut man ja im Bahnhofstrog Öffnungen in die Seitenwände, durch die bei einem starken Anstieg des Grundwasserpegels das Grundwasser in die Bahnhofshalle einströmen soll, um so ein Gegengewicht zu erzeugen, damit der Bahnhofstrog nicht aufschwimmt. Das kann aber nicht funktionieren, denn nach Angaben von Herrn L. würde das einströmende Grundwasser sofort durch die Tunnel weiter in Richtung Neckar fließen. Da der Neckar aber tiefer liegt als der Bahnhof, würde das Wasser wohl eher aus den Tunneln in Untertürkheim austreten, als dass es den Bahnhof befüllt. Darauf hatte auch der Geologe keine Antwort.
Auf dem Rückweg fiel mir dann noch ein Schild auf, auf dem verkündet wurde, dass nach Fertigstellung von S 21 die S-Bahn auf eigenen Gleisen fahren würde. Da muss ich mich doch fragen, wo sie heute fährt.
Zum Abschluss unseres Rundgangs bemerkte ich die Rettungszufahrt vom Nordausgang des Bahnhofsgebäudes in Richtung LBBW bzw. Bahnsteighalle. Ob da ein Krankenwagen durchfahren kann, wage ich zu bezweifeln.
Zuletzt kam ich noch an einem Toilettenhäuschen vorbei, das verschlossen war. Aufschrift: defekt. Das wäre dannn auch mein ganz persönliches Resümée dieser Veranstaltung: Die DB will einen "Bahnhof der Superlative" bauen und schafft nicht einmal, eine Toilette drei Tage lang störungsfrei zu betreiben.