Rede von Dr. Eisenhart v. Loeper, Rechtsanwalt und Sprecher des Aktionsbündnisses gegen S21, auf der 393. Montagsdemo am 13.11.2017
Liebe Freundinnen und Freunde,
unsere Bürger- und Demokratiebewegung hat am 7. November durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts kräftigen Rückenwind erhalten. Bisherige Tricks von Bund und Bahn bei S21 sind zu beenden.
Herausragendes Beispiel: Unser zweites Bürgerbegehren gegen die Mischfinanzierung des Projekts durch die Stadt Stuttgart startete Anfang 2011 mit dem Grund: Hoheitsträger in Bund und Land müssen kraft Grundgesetz ihre Ausgaben allein bestreiten, wenn sie eine Aufgabe zu erfüllen haben, weil Politik für reiche Länder oder Städte nicht käuflich sein darf.
Die Stadt Stuttgart wies das Bürgerbegehren dennoch ab, und im Klagewege haben wir schmerzhaft in drei Instanzen verloren, dagegen läuft die Verfassungsbeschwerde. Sie ist jetzt sehr erfolgversprechend, denn das Bundesverfassungsgericht hat Bund und Bahn klipp und klar die Leviten gelesen.
Aus dem Urteil des Gerichts – als „Hüter der Verfassung“ bewährt – hebe ich drei Kernsätze wegen der Auswirkungen für unsere Bewegung besonders hervor:
- Zuerst geht es um parlamentarische Anfragen im Bundestag: die Bundesregierung darf ihre Antwort nicht wegen aktienrechtlicher Verschwiegenheitspflichten verweigern, wie es wiederholt geschehen ist. Das Funktionieren des demokratischen Rechtsstaats hat nämlich hohen Verfassungsrang. Werden Abgeordnete nicht am Wissen der Regierung beteiligt, kann das Parlament sein ihm gebührendes Kontrollrecht nicht ausüben.
Deshalb stellen wir fest: unhaltbar war und ist also die Vertuschungspraxis von Bund und Bahn bei S21, speziell bei geheim gehaltenen Gutachten von KPMG/Basler, wenn es um öffentliches Informationsinteresse geht. Nach Auffassung des Gerichts kann die Antwortpflicht der Bundesregierung nur wegen gleichwertiger Verfassungsgründe begrenzt sein.
- Der trickreiche Versuch der Bundesregierung, aus der Organisationsform der Bahn als Aktiengesellschaft eigene Grund- und Abwehrrechte der Bahn zu zimmern, ist gescheitert. Dieser Salto mortale der Grundrechte ist ins verdiente Aus befördert.
- Von der Öffentlichkeit noch unbemerkt und für unsere Demokratiebewegung von größtem Gewicht ist: das Bundesverfassungsgericht stellt sich in krassen Gegensatz zum Urteil des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig – ohne es auch nur zu nennen. Jenes hatte vor gut einem Jahr unsere Klage gegen das für Hoheitsträger gültige Verbot der Mischfinanzierung von S21 abgewiesen. Dieses Fehlurteil war abenteuerlich begründet: der Staatskonzern sei ja privatisiert als Aktiengesellschaft, also müsse er sich nicht an das grundgesetzliche Verbot der Mischfinanzierung halten. Sprich: der Staat kann machen, was er will. Eine erschütternde Aussage, weil sie – wie es Verfassungsrichter Prof. Peter Huber ausdrückte – die „Demontage des öffentlichen Rechts“, ja selbst des Grundgesetzes eröffnet, und es zum Spielball bloßer Geschäftsinteressen erniedrigt.
Genau dagegen verwahrt sich das Bundesverfassungsgericht und stellt fest: bei der Bahn ist nur die Organisationsform privatisiert, nicht aber die Aufgabe von Bau und Betrieb des Schienenverkehrs, diese bleibt eine öffentliche Aufgabe, das Grundgesetz ist und bleibt für den Staatskonzern beachtlich.
Was folgt daraus? Stuttgart 21 muss auch deshalb scheitern, weil seine Mitfinanzierung durch Stadt und Land und alle sonstige Demontage des funktionierenden Schienenverkehrs verfassungswidrig ist.
Selbst das Feigenblatt kommunaler Planungshoheit steht nicht für S21, weil sie der Bahnhofsplanung nachgeordnet ist. Erst wenn die Zweckbindung des Gleisvorfeldes für den Schienenverkehr aufgehoben wäre, könnte kommunal eine andere Planung zum Zuge kommen. Dies alles habe ich der Kanzlerin für das Aktionsbündnis durch Urteilszitate begründet und ergänzt: Die höchstrichterliche Rechtsauffassung sollte jetzt für S21 Geltung finden, ohne die Entscheidung zur Verfassungsbeschwerde abzuwarten. Gefragt sind politischer Mut und Einsicht, um ständig anwachsende Milliardenschäden des Weiterbaus von S21 zu vermeiden und den Umstieg von S21 einzuleiten.
Vom höchsten Gericht ermutigt wirken wir ein auf die Politik, auf den Bahn-Vorstand und -Aufsichtsrat, die am 13. Dezember tagen. Dazu auf die Staatsanwaltschaft Berlin.
Nein zur Demontage des Schienenverkehrs durch S21!
Oben Bleiben!
Diese Rede bzw. der Inhalt dieser Rede/das BVG-Urteil ist wie Balsam auf die (meine) geschundene Seele.
Aber dieses Balsam – wofür ich mich recht herzlich bedanke – wurde und wird sehr sehr hart und unermüdlich, insbesondere von den Akteuren des „Aktionsbündnisses gegen S21“ und für einen funktionierenden Schienenverkehr im „Deutschlandtakt“/Kopfbahnhof erkämpft!Und zwar hart erkämpft – gegen eine vermeintlich demokratisch bzw. rechtsstaatlich handelnde verantwortliche Bundes-, Landes- und Kommunalregierung/-politik.
Die deutschen verantwortlichen Parteien müssen sich in Grund und Boden schämen (von den verantwortlichen Parteiführern/Funktionären bis zum gemeinen Mitglied)
Man sollte mal die Machenschaften der Baufirma
Strabag/Züblin kontrollieren.
Beton mit Sand und Zement ist ein Spekulations-
projekt. Wie viele Tonnen werden in Stuttgart verbuddelt! Auch in Rastatt war diese Bau-
gemeinschaft an der Absenkung beteiligt.
Und was sagen Bundesregierung und der Bahn-Boss
zu dem Urteil?
Augen zu und durch?
Wenn die Mischfinanzierung verfassungswidrig ist, wer bezahlt denn dann die schon wieder gestiegenen Kosten?
Die DBAG alleine? Dann kann sie sich schon mal auf den Weg zum Konkursrichter machen!
Ich meine mal gelernt zu haben, wenn ein
Bestandteil eines Vertrags nichtig ist, ist der ganze Vertrag nichtig, wenn keine sog.
salvatorische Klausel vereinbart ist – ist sie?
Ansonsten wären die Verträge DBAG&BaWü&Stadt
über S21 nichtig.
Wie lange wollen die Beteiligten eigentlich
noch weiterwurschteln ohne Rechtsgrundlage?
Ich meine, es wird jetzt „höchste Eisenbahn“,
dass sich die Bahn aus diesem Wildwestabenteuer verabschiedet – Baustop
jetzt und oben bleiben!
aabel-s@gmx.de
Solche salvatorischen Klauseln sind Standard in den Verträgen, sonst wären 90 % aller Verträge ungültig.