Rede von Jürgen Klaffke, Kaktus-Gruppe IHK Stuttgart, auf der 390. Montagsdemo am 23.10.2017
Liebe Hoffnungsträger und -trägerinnen auf ein besseres Stuttgart mit einem Bahnhof, der der beste aller Bahnhöfe ist – einem Kopfbahnhof, der allen wirklich nützt!
Auch heute gilt wiederum das geschriebene Wort und das mit dem Du und Sie. Und: das ich heute wiederum zu Euch reden darf, liegt einfach an der IHK. Die können es einfach nicht lassen.
Und lasst mich noch etwas Wichtiges vorausschicken: die Recherchen und Aktivitäten der Unternehmerinnen und Unternehmer in der Kaktusinitiative – hier sind insbesondere Martina Ueberschaar und Clemens Morlock zu nennen – machen die heutige Aktion und auch diese Rede erst möglich!
Und nun geschwind mit dem 1. Kapitel beginnen. Es ist dem ehrbaren Kaufmann gewidmet. Der ehrbare Kaufmann ist ein Begriff, der schon im Mittelalter bekannt ist. Es scheint schon viele Jahrhunderte die Menschen das Problem mit Handel und Anständigkeit zu beschäftigen. Nun denn – googeln wir ein wenig. Wikipedia beschreibt den ehrbaren Kaufmann so: „Die Bezeichnung ‚ehrbarer Kaufmann‘ beschreibt das historisch in Europa gewachsene Leitbild für verantwortliche Teilnehmer am Wirtschaftsleben. Es steht für ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein für das eigene Unternehmen, für die Gesellschaft und für die Umwelt. Ein ehrbarer Kaufmann stützt sein Verhalten auf Tugenden, die den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg zum Ziel haben, ohne den Interessen der Gesellschaft entgegenzustehen. Er wirtschaftet nachhaltig.“
Und auch die IHK Region Stuttgart kennt den Begriff des ehrbaren Kaufmanns. In der Satzung der IHK heißt es ganz vorne, schon im §2 – scheint also etwas Grundsätzliches zu sein: „§ 2 Aufgaben – (1) Die IHK hat die Aufgabe, das Gesamtinteresse der ihr zugehörigen Gewerbetreibenden wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Gewerbebetriebe sowie Bezirke abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen. Dabei obliegt es ihr, insbesondere durch Vorschläge, Gutachten und Berichte die Behörden zu unterstützen und zu beraten sowie für Wahrung von Anstand und Sitte des ehrbaren Kaufmanns zu wirken.“
Das klingt gut, scheint aber bei der IHK in der Realität wenig Bestand zu haben. Der heutige Tag mag als Beleg dienen. Just in diesen Minuten wird in der IHK Region Stuttgart die höchste Auszeichnung, die die IHK Stuttgart alljährlich verleiht – an herausragende Persönlichkeiten versteht sich. Dieser Preis ist der „Merkur“. Zum Empfänger des Preises komme ich gleich.
Zuerst das 2. Kapitel: Merkur, der Gott des Handels
Die Römer hatten viele Götter, da haben sie sich fleißig an die Götter der Griechen gehalten. Und die Griechen hatten den Hermes. Er war der Schutzgott des Verkehrs, der Reisenden, der Kaufleute, der Hirten, aber auch neben vielen anderen der Gott der Diebe. Er soll schon gleich nach der Geburt seinen Bruder bestohlen haben. Das nannte man dann schlaues Kerlchen, denn Hermes soll sich da clever aus der Affäre gezogen haben. Ob das schon damals was mit Handel zu tun hatte?
Die Römer hat es nicht gestört. Aus Hermes wurde Mercurius, im deutschen Merkur. Und Merkur war hauptsächlich zuständig für Händler und Diebe, und so müssen wir korrekt formulieren: Merkur, der Gott des Handels und der Diebe. (Übrigens wurde auch ein Wochentag nach ihm benannt: der Mittwoch, im französischen noch an der Bezeichnung mercredi deutlich erkennbar.)
- Kapitel: Merkur und die IHK Region Stuttgart
Das wiederum hat auch die IHK Region Stuttgart nicht gestört, ihre „höchste Auszeichnung“ – wie sie selber sagt – nach dem Gott Merkur zu nennen.
Seit 1990 verleiht sie diese Auszeichnung. Erhalten hat diese Ehrung unter anderem: Birgit Breuel, die ehrenwerte Dame der Treuhandanstalt, der ehemalige Bosch-Chef Hans L. Merkle, Hans-Peter Stihl (früherer DIHK-Präsident und jetziger Ehrenpräsident der IHK Stuttgart), Horst Köhler, Bundespräsident a.D., Dieter Zetsche (Daimler) u.v.a. Und heute ganz aktuell Dr. Günther Baumann.
- Kapitel: der diesjährige Preisträger Dr. Baumann
Ich zitiere aus der Pressemitteilung der IHK Region Stuttgart vom 17. August 2017: „Dr. Baumann war ein wichtiger Impulsgeber für die Betriebe in der Region und in ganz Baden-Württemberg. Sein Engagement wirkt bis heute nach“ so IHK-Präsidentin Majorke Breuning. Weiter wird ausgeführt, dass er sich u.a. für Ausbildung leistungsschwächerer Jugendlicher eingesetzt hat, für Bildungspartnerschaften von Schulen und Betrieben in ganz Baden-Württemberg und und und. „Bei all seinen Aktivitäten seien ihm bis heute zwischenmenschlicher Austausch und Respekt vor der Meinung und Leistung anderer stets besonders wichtig“, so die IHK-Präsidentin.
Und was hat Herr Dr. Baumann so gearbeitet? 1974 trat er in die Unternehmensgruppe Eberspächer ein, 1988 übernimmt er die Leitung bis 2005, danach übernimmt sein Sohn die Geschäfte. Er selbst war von 2006 bis 2017 Vorsitzender des Firmenbeirats. Ach so: Eberspächer ist Automobilzulieferer, insbesondere für Standheizungen. Der einzige andere Anbieter ist in diesem Bereich Webasto. Und damit die Geschäfte noch besser laufen, begannen 2001 diese beiden Firmen mit Preisabsprachen, Aufteilung der Kunden, gemeinsamer Festlegung der Händlerrabatte. Dazu sagte EU–Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager: „Diese Mauschelei ging zulasten... letztlich der Auto- und Lastwagenkäufer.“ Und zwar von 2001 bis 2011.
Und da beim Mittag- oder Abendessen die Familie Baumann nie über Eberspächer gesprochen hat, wusste der Sohn nicht, was der Vater tat und natürlich der Vater auch nicht, was der Sohn tat – eigentlich wussten beide von nix! Oder??
Jedenfalls verhängte die EU wegen Kartellrechtsverstoß 2015 eine Strafe von 68 Millionen Euro für Eberspächer, Webasto blieb straffrei, da sie den Verstoß gemeldet hatte.
All das hält die IHK-Oberen nicht davon ab, den Merkur an Herrn Dr. Baumann zu verleihen. Nicht einmal Gras wollen sie über die Angelegenheit wachsen lassen. Das wollen sie einfach durchziehen. Selbst Anfragen der Presse werden mit „kein Kommentar“ beantwortet.
- Kapitel: Dr. Baumann und Stuttgart 21
Eigentlich erscheint es jetzt als beinahe selbstverständlich, dass der ehrenwerte Herr Dr. Baumann auch mit Stuttgart 21 zu tun hat. Und er hat!
Kein Geringerer als Günther Oettinger (der bei den Erklärungen nach der Bundestagswahl im Fernsehen so dicht bei der Kanzlerin gestanden hat) erklärte 2009, als er Herrn Dr. Baumann das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse überreichen durfte: „Dr. Günther Baumann war in dieser Zeit ein geschätzter Ratgeber und wichtiger Impulsgeber. Ich danke ihm in diesem Zuge auch für seinen großen persönlichen Einsatz für das Projekt Baden-Württemberg 21“. (Offizielle Verlautbarung des Landes Baden-Württemberg vom 11.02.2009)
Projekt BW21 mündet in das Projekt S21. Und bei der Recherche um BW21 habe ich ein schönes Zitat gefunden, dass ich Euch nicht vorenthalten will: „Neben den mittelbaren Immobilienpreis-Auswirkungen der Erreichbarkeitsverbesserungen in Baden-Württemberg werden die städtebaulichen Maßnahmen von S21 in Stuttgart das Immobilienvermögen um etwa 2,1 Mrd. Euro (gemäß 5.4) unmittelbar erhöhen.“ (Volkswirtschaftliche Bewertung des Projekts Baden-Württemberg 21 [BW21]. Gutachten im Auftrag des Innenministeriums Baden-Württemberg, Endbericht März 2009).
Noch Fragen?
- Kapitel: Dr. Baumann ist nicht allein
Er sitzt nicht mehr im Präsidium der IHK, sein Sohn Heinrich Baumann hat seine Nachfolge angetreten, aber die Geschichte von Veruntreuung und Strafen kann sich sehen lassen. Ein ehrenwertes Gremium, das Präsidium der IHK Region Stuttgart! Hier nun die Strafen für die im Präsidium vertretenden Firmen:
Zuerst jedoch noch ein Schmankerl: 2013 stellt die Staatsanwaltschaft Stuttgart im Verfahren gegen Herrn Richter, Hauptgeschäftsführer der IHK Stuttgart, in der Einstellungsverfügung fest, es liege der objektive Tatbestand der Untreue vor, aber es sei kein Vorsatz nachzuweisen.
Und nun geht`s ins Geld:
- 2015: 68 Mio. Euro, von der Firma Eberspächer zu zahlen, siehe oben.
- 2016: 1,09 Milliarden Euro für Daimler als Vergleichszahlung. Daimler hat jahrelang unerlaubte Preisabsprachen im LKW-Bereich (u.a. mit Iveco, DAF, Volvo, MAN (VW-Tochter) getätigt. MAN hat Hinweise an die EU-Kommission gegeben und blieb deshalb straffrei.
- 2017 einigt sich Bosch im Dieselskandal in den USA mit Sammelklägern ohne Schuldanerkennung auf Schadenersatz in Höhe von 300 Millionen Euro, im gleichen Jahr erhält die Firma Mahle wegen illegaler Preisabsprachen (Kartellrechtsverstoß) eine EU-Strafe von 62 Millionen Euro und die Deutsche Bank wegen unzureichender Vorkehrungen gegen Geldwäsche in den USA eine Strafe von 41 Millionen Dollar.
Wahrlich eine ehrenwerte Gesellschaft! Und dabei handelt es sich um Firmen, die quasi für einen ordentlichen bzw. stellvertretenden Sitz im Präsidium der IHK Region Stuttgart gesetzt sind, denn sie sind aus der Sicht der IHK für die IHK unverzichtbar. Wirtschaftspolitisch gesehen mag das (noch) berechtigt sein? Aber der ehrbare Kaufmann wurde vorsichtshalber erst gar nicht in diesen Firmen angestellt.
- Kapitel: Transparenz
Das ist das, was diese Damen und Herren fürchten sie wie der Teufel das Weihwasser. Das ist das, was uns stark macht, diese Steilvorlagen, egal ob sie aus der IHK oder von der Deutschen Bahn AG kommen. Wir brauchen nur hinzuschauen, wir brauchen nur einen Blick hinter die Kulissen zu tun – schon haben wir sie erwischt. Und wir machen es publik. Wir sagen nicht: ach, das ist halt so oder: naja, da kann man nichts machen oder gern wird auch gesagt: die machen ja doch, was sie wollen! Nein: Wir fragen nach, wir hinterfragen und wir merken, dass sie das verunsichert. Ich bin sicher, diese Ehrung haben sie sich anders vorgestellt, intimer, sozusagen unter sich – ohne ehrbaren Kaufmann. Man kennt sich ja, solche Sachen wie Kartellrechtsverstöße scheinen sie geradezu zu adeln.
Ohne uns! Oben bleiben! Und einen schönen Schwabenstreich!
Ich danke Euch.
Nach den vielen Mauscheleien ist es an der Zeit, das „Kartell“ Stuttgart 21 aufzudecken.
Die Herren Schuster, Oettinger, Späth, Stihl,Mappus,
Zetsche und viele andere haben, zusammen mit den Banken und unverantwortlichen Bahnvorständen, das grösste Chaos deutschland- und europaweit, in Stuttgart angerichtet. Tausende Reisende leiden täglich unter den katastrophalen Zuständen in Stuttgart Hbf. Wieviele Jahre soll das so weitergehen?
Welche Partei ist in der Lage, die Baumassnahmen zu stoppen und einen Super-Kopfbahnhof zu bauen?