Gerade in Stuttgart werden die Grenzwerte zur Luftreinhaltung durch die Großbaustelle S21 ständig überschritten. Auch ohne das Beweismittel Messwerte sieht man: Es herrscht ständiger LKW-Verkehr in der Innenstadt und es ist ja – bekannt, dass die meisten Lkws mit Diesel fahren. Das wird auch Jahre hindurch so bleiben – solange Stuttgart21 noch gebaut wird. Gerade deshalb ist das Urteil des Verwaltungsgerichts für Stuttgart von großer Bedeutung. Erinnern möchten wir aber hier einmal an das Bundestagswahlprogramm 2017 der Grünen. Darin heißt es u.a.: ... Wir werden aber auch weiterhin mit den Lobbyverbänden und den Unternehmen den Konflikt austragen, die ihre Geschäftsinteressen ohne Rücksicht auf die Umwelt verfolgen. Freiwillige Selbstverpflichtungen helfen da wenig weiter. Wir werden alles dafür tun, dass Umweltrecht konsequent umgesetzt wird und Bürger*innen sich ohne Hürden in Verfahren einbringen und auch klagen können. Ja, und es wurde auch geklagt, und das Urteil ist gesprochen. Aber: Wird nun von der Landesregierung Revision eingelegt zum Wohl und Schutz (!) der Bürger/-innen? Wetten, dass ...?
Nachfolgend ein Kommentar von Wolfgang Rüter:
Das Urteil auf saubere Luft ist am Freitag (28. Juli 2017) von der 13. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart zugunsten der Deutschen Umwelthilfe (DUH) verkündet worden. Das Medieninteresse war denn auch entsprechend groß. Inzwischen haben alle Medien, in- und ausländische, darüber ausführlich berichtet: Print, Radio und TV.
Das Gericht, unter Vorsitz von Richter Kern, hatte es sich in der Urteilsbegründung nicht leicht gemacht. Bereits am 19.07.2017 hatten sich Kläger und Beklagte mit dem Richter im Verwaltungsgericht getroffen und ihre Argumente ausgetauscht. Den existierenden Luftreinhalteplan des Landes Baden-Württemberg bezeichnete das Verwaltungsgericht bei der Urteilsverkündung als unzureichend und forderte eine schnellstmögliche Senkung der Stickstoffdioxidwerte. Zugleich hat das Verwaltungsgericht aber auch den Weg frei gemacht für Fahrverbote von Diesel-Fahrzeugen in Stuttgart. Seit Jahren werden die Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid in der Umweltzone Stuttgart regelmäßig überschrittenen. Der von der Politik und von Ministerpräsident Kretschmann favorisierten Nachrüstung von Dieselfahrzeugen wurde eine Abfuhr erteilt.
In Anbetracht dieses Urteils ist man geneigt, das Urteil mit dem militärischen Begriff „die Schlacht ist von der DUH gewonnen“ zu bewerten, welchen ich trotzdem nicht mag. Zugleich ist es aber nach Aufdeckung der zahlreichen Skandale (z. B. Auto-Kartell-Verdacht, Diesel-Skandal, Lastwagen-Kartell) erschreckend, welch betrügerisch-kriminelles Potenzial sich in der Automobilwirtschaft (und nicht nur in dieser!) entwickelt hat, entwickeln konnte, und das letztendlich mit Hilfe von Lobbyisten, der Politik und den Behörden. Nicht zu fassen ist außerdem, dass die Autohersteller nur wenige Stunden nach dem Urteilsspruch schon wieder darauf hoffen, dass ihnen die Politik mit dem Erlassen von Fahrverboten entgegen kommt. Leben wir hier eigentlich in einer Bananen-Republik? Glauben die Autokonzerne etwa man könne die Politik weiterhin mit Zuwendungen, mit schummeln und tricksen, mit Arbeitsplatzverlusten usw. „gefügig“ machen? Zum Diesel-Gipfel wegen der Dieselkrise nächste Woche Mittwoch (2. August 2017) haben Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) und Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) zwar die Autohersteller geladen, aber warum eigentlich nicht die Umweltverbände, zumindest als Beobachter? Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass die Politik nach dem Gipfel wieder einmal vor der Auto-Lobby einknicken wird. Und dass Bundeskanzlerin Merkel den Dieselskandal jetzt zur Chefsache machen soll, ist doch vor der anstehenden Bundestagswahl nur eine Beruhigungspille für das Wahlvolk. Sie wird das Ganze, wie üblich, aussitzen.
Die von der Automobilwirtschaft betrogenen Besitzer von Dieselfahrzeugen, die jetzt zu Recht (?) über den plötzlichen Wertverlust ihrer Autos jammern, sollten sich lieber an die Hersteller wenden, ihren Schaden dort einklagen, mit dafür sorgen, dass die verantwortlichen Manager RICHTIG zur Rechenschaft gezogen und mit hohen Strafen belegt werden. Sie sollten zugleich daran denken, dass auch ihre Gesundheit durch Feinstaub und Stickstoffdioxide gefährdet ist. Und überhaupt muss einmal hinterfragt werden, ob die ausufernde und über alles gepriesene Freiheit auf individuelle Auto-Mobilität mit immer weiter steigendem Verkehr noch verantwortet werden kann.
Die Gerichtsverhandlung und die Urteilsverkündung wurden medienwirksam mit Protest-Bannern begleitet und in Szene gesetzt. Hierzu nachfolgend ein paar Fotos.
Teil 1: http://reporterderstrasse.de/fotogalerie/index.php?/category/98
Teil 2: http://reporterderstrasse.de/fotogalerie/index.php?/category/99