Rede von Christoph Ozasek, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE in der Regionalversammlung Stuttgart und Mitglied des Stuttgarter Gemeinderats, auf der 301. Montagsdemo am 14.12.2015
Verkehr(skonzept) für die Region
Liebe Freunde!
Unsere 301. Montagsdemonstration folgt auf die COP21-Verhandlungen in Paris. Nach 20 ergebnislos gescheiterten Gipfeln seit der UN-Konferenz in Rio im Jahr 1992 wurde nun ein Klimaschutzabkommen ausgehandelt.
Die darin fixierten Absichtserklärungen der Regierungen sind ein kleiner Hoffnungsschimmer. Doch dieser Vertrag verlangt einen entschiedenen Kurswechsel. Wie ein zukunftsfähiges Mobilitätskonzept für eine regionale Verkehrswende aussehen muss, beginnt mit der Frage, wie Mobilität nachhaltig gestaltet werden kann. Denn Kohlenstoff, gebunden in Kohle, Rohöl und Erdgas, darf zum Schutz der Lebensgrundlagen nur noch sehr begrenzt freigesetzt werden.
Der erste Schritt für ein zukunftsfähiges Mobilitätskonzept für die Region beginnt bei einer verkehrsvermeidenden Raumordnung. Der Schlüssel dazu ist die Stärkung des ländlichen Raums und die Rückkehr zu lokalen Wirtschaftskreisläufen. Während der Wohnungsmarkt in Stuttgart und in den Mittelzentren völlig überhitzt, drohen viele Gemeinden zu vergreisen. Das ist kein Naturgesetz. Eine Raumordnung der kurzen Wege, mit einer intakten Nahversorgung, mit weiterführenden Schulen und einem echten Wirtschaftsleben vor Ort würde diesen Trend umkehren, Wertschöpfung im ländlichen Raum binden und die Wirtschafts-, Ausbildungs- und Pendlerverkehre reduzieren.
Liebe Freunde, es ist nicht hinnehmbar, dass bereits heute jede siebte Gemeinde über keinen Lebensmittelversorger mehr verfügt, dass große Discounter und Shoppingmalls wie das Milaneo die Kaufkraft aus dem ländlichen Raum saugen!
Der zweite Schritt ist die Schaffung eines leistungsfähigen Bus- und Bahnangebots in der Fläche und die konsequente Verlagerung des Verkehrs und der Güter runter von der Straße. Doch anstatt dieses Ziel entschieden zu verfolgen, wurden jüngst, nach der Devise: „Viel Blech und Asphalt bringt viel Wohlstand“, zahlreiche große Straßenneubauprojekte für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet! U.a. der längst tot geglaubte Nord-Ost-Ring und die Filderauffahrt.
Den fortschreitenden Abbau bestehender Industriegleise nehmen die Regionalpolitiker desinteressiert zur Kenntnis, genehmigen gleichzeitig die Ansiedlung von riesigen Gewerbe- und Logistikunternehmen auf fruchtbarsten Böden entlang der Autobahn A81.
Die Konsequenz? Der Straßenverkehr, besonders der LKW-Verkehr, nimmt auch zukünftig rasant zu – und im Schlepptau steigen die CO2-Emissionen, die Luftschadstoffe, und es entsteht immer mehr krankmachender Straßenlärm, von dem bereits heute 1 Million Menschen in der Region akut betroffen sind.
Während der Geldhahn für den Straßenbau aufgedreht wird, wiegt schwer, dass beim Ausbau des Nahverkehrs die grün-rote Landesregierung per Landesgesetz die Fördersätze für den ÖPNV kurzerhand halbiert hat!
Wie bei soviel Autokonzern-freundlicher Politik die gesetzeswidrige Luftschadstoffbelastung hier im Kessel gemindert und dem Klimaschutz Rechnung getragen werden soll, bleibt das Geheimnis von Verkehrsminister Winfried Hermann, Regionalpräsident Thomas Bopp und Oberbürgermeister Fritz Kuhn. Es ist schlicht verantwortungslos, wie sich die genannten Herren im Vorfeld der nahenden Landtagswahl wegducken, während die gefährlichen Luftschadstoffe in Wohnungen, Büros, Klassenzimmer und Kitas entlang der belasteten Verkehrsachsen Menschenleben gefährden!
Anstatt regional in sinnvolle Ausbauvorhaben des S-Bahn-Angebots zu investieren – wie z.B. die Schuster- und Panoramabahn als Tangentialverbindungen zur Entlastung des S-Bahn-Stammasts auszubauen – und den Betrieb durch Ertüchtigung der maroden Schienenanlagen zu stabilisieren, versickern die dringend benötigten Mittel weiter in der Baugrube von Stuttgart 21.
Vergangene Woche hat die Region wieder den Geldhahn für S21 aufgedreht. Anstatt die DB für ihre gescheiterte Planung auf den Fildern finanziell in die Verantwortung zu nehmen, werden weitere 20 Millionen Euro in die 3.-Gleis-Variante gepumpt! Damit zertrümmert die Regionalversammlung nun endgültig den angeblichen Kostendeckel von 100 Millionen Euro. Und wofür? In einer Vorlage stellt die Verwaltung nüchtern dar, dass die Maßnahme lediglich dazu dient „[...] das S-Bahn-Angebot im Filderraum aufrecht und stabil zu halten“. Also 20 Millionen Euro für 0% Leistungszuwachs! Bis heute fehlt der Nachweis der Leistungsfähigkeit. Eine entsprechende Begutachtung wurde sogar explizit abgelehnt. So Steuergelder zu verbrennen ist schlicht verantwortungslos!
Liebe Freunde, ich kann euch versichern, dass DIE LINKE nicht müde wird, Unsinn weiterhin als Unsinn zu bezeichnen, und solchen Unsinn wie Stuttgart 21 weiterhin konsequent ablehnen wird.
Und ich hoffe, dass auch für euch der Widerstand weitergeht. Stuttgart 21 ist kein Beitrag zur Lösung, sondern Kern des Problems!
Oben bleiben!
Starke Rede über eine vernünftige und nachhaltige Verkehrspolitik!
Außer mit den Linken ist dies mit keiner weiteren der etablierten Parteien zu haben!
Jogi: Sie haben bei allen Kommentaren recht und hoffe, dass es nur wenige so verbohrte Wähler gibt, die sich von den abstrusen Äußerungen der Allerweltsparteien abschrecken lassen.