Zum Jahrestag: Rückblick auf Parkbesetzung und Parkräumung am 14.2.2012

Kurz nach der Parkräumung am 14. und 15. Februar 2012 erschien in den Stuttgarter Nachrichten ein Artikel des Architekten
R. Ostertag
mit der bitteren Klage, dass die S21-Gegner es nicht geschafft hatten, genug Leute für einen effektiven Widerstand im Park zu mobilisieren. Südflügel und Park seien praktisch kampflos übergeben worden. Der langjährige Friedensaktivist Wolfgang Sternstein hielt die Aktion im Park für eine politische Niederlage, doch mit Stolz verbunden, dass es gelungen sei, Gewalt zu vermeiden
(„… Reifeprüfung in Sachen gewaltlose Konfliktaustragung bestanden.“)
.

Rückblicke sind subjektiv und relativieren sich zudem von Jahr zu Jahr. Während kurz nach einem Ereignis die Emotionen in viele Richtungen gehen, Lob und Kritik überschwänglich verteilt werden, wird der BIick in die Vergangenheit mit fortschreitender Zeit nicht nur sanfter, sondern auch selektiver. Manches gerät einfach in Vergessenheit, anderes wird verdrängt, wiederum anderes bewusst verschwiegen. Wird es unserem Parkgedächtnis anders ergehen? An was erinnern wir uns heute, drei Jahre nach der Parknacht? Der Versuch, das gesamte Wissen und die Berichte von Zeitzeugen - diejenigen, die die Parknacht miterlebt haben – zu sammeln und festzuhalten, wurde nur ansatzweise verwirklicht, doch kam nie ein „Gesamtwerk Parknacht“ heraus.

Im Folgenden soll es auch um einen subjektiven Bericht über die „Parkverteidigung“ gehen. Dieser Bericht wurde noch im Februar 2012 niedergeschrieben und ist in der jetzigen Fassung leicht überarbeitet, vor allem in Teilen gekürzt, da die Analyse der Vorgänge nochmals mehr als acht Seiten betragen hätten. (Gerade diese Analyse, die sich um die Frage dreht, warum wir den Park in nur einer einzigen Nacht verloren haben, ist schmerzlich und soll zum jetzigen Zeitpunkt nicht zur Diskussion stehen.) 
Mir ist es in diesem Bericht wichtig, zu verdeutlichen, mit welch einem grandiosen Aufwand und Einsatz – zeitlich, logistisch, psychisch und physisch -  die Parkverteidigung vorbereitet und durchgeführt wurde. Dies gilt es zu erinnern und festzuhalten.

1. Vorbereitung der Parkverteidigung
Die Vorbereitung der Parkschützer angesichts der bevorstehenden Parkräumung durch die Polizei – von der man zwar wusste, dass sie bis Ende Februar 2012 anstehen würde, über deren genauen Zeitpunkt man aber in vielen Analysen nur spekulierte - war mit einem hohen Anspruch an Logistik, Einsatzplänen, Material und Widerstandskraft verbunden. Vom bewundernswerten zeitlichen und physischen Engagement vieler Einzelner ganz zu schweigen. Was Einzelne dabei geleistet haben, ist nicht nach außen gedrungen, nie völlig gewertschätzt worden und später in der Trauerphase nach der Parkrodung untergegangen.

Wir erinnern uns: Im Herbst 2011 hatte es ein Plenum gegeben mit dem Ziel, den Park in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses zu stellen. Dafür war angedacht worden, eine tägliche Zusammenkunft um 18 Uhr im Park zu machen, eine Parkbesetzung mit Zelten zu organisieren, ein  großes Zirkuszelt aufzustellen, ein Kulturprogramm zu machen, u.a. Von all den Vorschlägen blieb es bei Plänen. Dieses notwendige „Gemeinsam-schaffen-wir-es“ stand einem Wir können so viele sein wie wir wollen, die Polizei ist immer übermächtigentgegen. „Wenn wir 10 000 sind, kommen sie eben mit 20 00.“

Schmerzliche Erfahrungen wie der 30.9., die Schlichtung, die verlorene VA, die Unfähigkeit der neuen Regierung, u.a. führten zu einer inneren Haltung der Resignation, bei der allenfalls noch das symbolische Auflehnen übrig blieb.
Dennoch machten sich im Herbst 2011 und verstärkt im Januar 2012 viele Gruppen daran, die „Verteidigung des Parks“ vorzubereiten. Es waren Gruppen wie: Robin Wood und andere Baumbesetzer, die Versorger, das Megafon-Team, die Pressegruppe, die Logistiker, die Demosanitäter, die Jugendinitiative, die Musikgruppen, Bezugsgruppen aus den Stadtteilen und andere Bezugsgruppen, die Kooperations-Gruppe, … um nur einige zu nennen. Die Gruppe AusSitzen z.B. hatte zu einer Parkbegehung mit Sitzübung und Besprechung wg. des besten „Sitz- bzw. Blockadeortes“ aufgerufen.

Es wurden zweimal Flyer in Briefkästen verteilt, wobei Stuttgart in Bezirke aufgeteilt war. Das war eine wichtige Arbeit, so dass eigentlich jeder Innenstadt-Haushalt einen Flyer hätte bekommen müssen. Auch viele „Einzelkämpfer“ bereiteten sich allein oder zu zweit mit Übernachtungsrucksäcken auf die Parkbesetzung vor. Neben dem umfriedeten Zeltdorf kamen ein paar zusätzliche Privatzelte in den Park, v.a. in der Nähe des GWM. Noch Anfang Februar 2012 gab es ein Blockadeplenum. Besonders aktiv erschienen die Parkbewohner, die ihre Zelte verteidigen wollten, deren Vorgehensweise aber für Außenstehende nicht durchschaubar war. Die Parkverteidigung mit  Barrikaden war eine Einzelinitiative. Bis auf Holzpaletten – die dann verheizt wurden - wurde nicht erkennbar Material in den Park geschafft.

Faszinierend war das große Engagement bei der Vorbereitung auf den „Einsatz“. Doch über allem schwebte dieses Eingeständnis „Wir schaffen es nicht gegen die Übermacht der Polizei, es ist alles nur symbolisch“. Für eine symbolische Aktion – das muss man zugeben – waren die Vorbereitungen bewundernswert ernsthaft und zeitaufwändig. Dieser persönliche Einsatz im Vorfeld der Parkräumung ist weder in den Medien erkannt noch honoriert noch in der K21-Bewegung ausreichend thematisiert worden. Meiner Meinung nach weiß ein Großteil der Bewegung auch heute nicht, wie viel persönlicher Einsatz geleistet wurde.

Bei den Vorbereitungen gab es natürlich etliche Unbekannte. So kannte man nicht den genauen Zeitpunkt des polizeilichen Einsatzes und die Anzahl der Polizisten, die Strategie ihres Einsatzes und die detaillierte Vorgehensweise. Eine große Unbekannte war die Taktik der Polizei: entweder hartes Vorgehen mit Wasserwerfern, Tränengas und Schlagstöcken oder eine sanfte Räumung ohne übermäßige Anwendung von Gewaltmitteln. Die Meinungen gingen in der Bewegung stark auseinander.
Da man nicht wusste, auf welche Weise die Polizei in den Park „einfallen“ würde, gab es auch die Option, an etlichen Stellen im und außerhalb des Stadtgebiets Blockadepunkte mit Material einzurichten, um die anrückenden Fahrzeuge zu behindern. Ein Flyer mit diesen Material-Punkten lag an der Mahnwache aus. Doch wer sollte sich daran beteiligen? Wie sollte die Kommunikation dann sein? Letztlich waren die Widerstandswilligen im Park versammelt.

2. Mobilisierung für den 14.2.
Am Dienstag, 14.02.2012, war so viel Polizei in Hotels und an anderen Orten im Stadtgebiet zusammengezogen, dass der „Angriff“ der Einsatzkräfte beginnen konnte. Durch Informanten wurden der Tag und die ungefähre Uhrzeit bekannt und auf BAA und anderen Medien kommuniziert. Am Sonntag, 12.02.2012 wurde nachmittags ein Fest im Park gefeiert mit dem Ziel, die Menschen nochmals für den Schutz des Parks zu sensibilisieren und zu mobilisieren. Am Montag, 13.02.2012, stand die Montagsdemo mit Vorstellung eines Protestrucksacks und Umrundung des Parks mit Kerzen unter dem Thema „Vorbereitung auf die Parkverteidigung und Verabschiedung vom Park.“ Am Dienstag, 14.02.2012, gab es eine Demo um 19:30, die in Form eines Sternmarsches zum Hauptbahnhof erreicht wurde. Auf der Schillerstraße stand eine Rednerbühne.  Da ab Mittag des 14.2. die Zugänge zum Park mit noch offenen Barrieren versehen waren, war man sich nicht sicher, wie lange die Polizei die Demonstranten in den Park hineinlassen würde. So gingen viele nicht auf die Schillerstraße, sondern schauten von Ferne bzw. vom Leitner-Steg aus zu. Während des ganzen Nachmittags und am Abend zogen nun Demonstranten bzw. Parkbesetzer in den Park. Es hatte den Voralarm und den großen Parkschützeralarm gegeben. Es kamen viele Menschen, aber keine Massen.

3. Ablauf der Nacht vom 14. auf 15.2.2012
Die interne K21-Organisation durch Infozentrale, Parkschützerbüro, Informanten, Presse, Versorger, Demosanitäter, SprecherInnen-Rat, Megafon-Team,  … funktionierte relativ gut. Die Parkverteidiger – also die Parkschützer - verlebten die Nacht ganz unterschiedlich, jeder und jede auf seine und ihre Art. Robin-Wood-Aktivisten saßen auf den Bäumen in den Baumhäusern. Auch nicht-organisierte Aktivisten hatten Bäume besetzt. In dem umfriedeten Zeltdorf hielten sich die Zeltbewohner auf. Menschen saßen unter Bäumen, einige hatten sich mit Ketten und Fahrradschlössern „angekettet“. Zwei Aktivisten hatten sich in einem Zelt einbetoniert. Viele Leute saßen rund um die Feuertonnen. Andere standen in Gruppen zusammen oder liefen umher. Beliebter Treffpunkt war der Platz am Pavillon und nahe des GWM. Leute, die eigene Zelte hatten, saßen bzw. standen dort. Bezugsgruppen saßen und standen zusammen, später viele nahe des GWM. Am Biergarten lagen Tische u.a. Material auf dem Weg. Auch hier saßen Menschen.

4. Zahlen
Eigene Zahlen zur Parkräumung hat die Parkschützerbewegung meines Wissens nie erhoben. So beziehen sich die Zahlenangaben nur auf die eingetragenen Parkschützer auf der Parkschützerseite und auf die Pressemitteilung der Polizei. Beim Überfall auf den Schlossgarten hatte man einen noch weitaus größeren Widerstand als beim Abriss des Nord- und Südflügels erwartet. Der Park  sollte die höchsten Emotionen und damit den größtmöglichen Widerstand hervorrufen. Die Widerstandsbewegung und auch die Polizei waren davon ausgegangen, dass der Park das gesamte städtische und überregionale Widerstandspotenzial mobilisieren würde. Immerhin hieß es – und heißt es bis heute: „Bei  Abriss Aufstand.“ Wenn nicht für den Park, wann dann? Es gab im Februar 2012 über 32 000 eingetragene Parkschützer, davon 10 809 in der Stufe orange und 2 761 in der Stufe rot.

Die Pressemitteilung der Polizei vom 15.02.2011, 15:30 Uhr lautete:
„ …Gegen 0:00 Uhr hielten sich über 1000 Personen im Rahmen einer Versammlung im Bereich des Mittleren Schlossgartens auf. … ab 2:30 Uhr Aufforderung zur Versammlungsauflösung. … Mehrere Hundert Stuttgart 21-Gegner verließen den abgesperrten Bereich.  Um 3:15 Uhr  Aufstellung der Absperrgitter.  Gitteraufbau um 4:00 Uhr beendet. Gegen 4:45 Uhr Beginn der Räumung. Es hielten sich ca. 750 Personen im abgesperrten Raum auf. Gegen 5:45 Uhr waren ca. 350 Personen im Park, bis gegen 6:30 Uhr verringerte sich die Zahl auf zirka 100. Insgesamt 79 Personen verließen den abgesperrten Raum nicht. Deshalb mussten 42 Personen herausgetragen und 37 hinausgeführt werden. Um 5:55 wurden vier Personen festgestellt, die sich an Bäume gekettet hatten. Zwei davon mit einem Schloss um den Hals. Gegen 6:30 entdeckten  Einsatzkräfte zwei Personen, die sich in einer Röhre im Erdreich einbetoniert hatten. Aus dem ersten Zeltdorf haben Polizeikräfte sieben Personen weggebracht. Im zweiten Zeltdorf befanden sich gegen 7:20 Uhr noch zwei Personen. Insgesamt waren zwei Bäume mit 16 Personen (10 Männer, 6 Frauen) besetzt. Seit Beginn des Einsatzes sind 24 Personen, darunter 8 Frauen, vorläufig festgenommen worden. .. Widerstand gegen Beamte, Beleidigung, Verstoß gegen Versammlungsgesetz…“

Es kann tatsächlich so gewesen sein, dass gegen Mitternacht 1000 Demonstranten/Besetzer gleichzeitig im Park waren, denn es war bis nach Mitternacht möglich, den Park zu verlassen bzw. hinzuzukommen. So gab es zumindest bis zur Umzingelung des Parks durch die dichte Polizeikette (um genau 3:00 Uhr) ein Kommen und Gehen. Auch die weiteren Zahlen der Polizei sind möglich. Dass die Statistik der Weggetragenen und Hinausgeführten so gering ausfiel, gehörte zur Räumungsstrategie der Polizeiführung.  Man wollte ganz bewusst den Widerstandswillen herunterspielen. Damit wertete man die Taktik der Polizei auf und den Widerstandswillen ab.

5. Wie reagierten die Besetzer auf die Strategie der Polizei?
Als der Park am 15.2.2012 ab 3:00 Uhr durch dichte Reihen von Einsatzkräften umstellt und die Absperrgitter aufgestellt waren und als dann die Polizeieinheiten für die Räumung vom GWM aus anrückten, löste sich eine zuvor gebildete dichte Reihe von Demonstranten auf. Nur wenige setzten sich hin. Es wurde zurückgewichen, da der Rückzugsraum zumindest am Anfang der Aktion noch groß war. Dass jeder Zentimeter Rückzug aber Verlust von Parkfläche bedeutete, wurde dabei nicht bedacht.

Die Strategie der Polizeiführung (sanfte, ruhige, aber konsequente Räumung des Parks) war erfolgreich. Es gab zwei Ausgänge, von beleuchteten und beschrifteten Pylonen gekennzeichnet. Diese Auswege nahmen die Menschen, die in der ersten Phase der Räumung den Park verließen. Auch in der zweiten Phase, in der die Polizisten die Demonstranten sanft, aber bestimmt vor sich herschoben, gingen viele durch die Ausgänge oder über den Leitner-Steg. Die Polizeikette schob sich Zentimeter für Zentimeter durch den Park voran und Demonstranten, die sich nicht hinsetzten, blieb nichts anderes übrig, als sich zu den Ausgängen schieben zu lassen. Demonstranten, die eine Chance hatten, sich dieser sanften Taktik zu widersetzen, waren diejenigen, die auf den Bäumen saßen, sich einbetoniert hatten, sich anketteten, sich hinsetzten und sich schlicht weigerten, den Park zu verlassen.

Nur diese Formen des Widerstands waren erfolgreich im Sinne, dass der Park möglichst lange verteidigt wurde, die Räumung wirksam behindert wurde und Zahlen von Festgenommenen/aus den Bäumen Geholten/ Weggetragenen/ Abgeführten sich in Presseberichten bzw. Statistiken niederschlugen. Die Zahlen in den Statistiken wurden von der Polizei allerdings bewusst schon im Park gemindert, indem sie bei den meisten Abgeführten keine Personalienfeststellung machte. Letztlich bekamen nur die aus den Bäumen geholten, freigeschnittenen und weggetragenen Besetzer und diejenigen Demonstranten, die eine Personalienfeststellung ausdrücklich forderten, einen Bußgeldbescheid. Dies hatte für die Polizei den Vorteil, dass die Statistik über den Widerstand im Park marginalisiert werden konnte.

Festzuhalten ist, dass es keine gemeinsame Strategie der Parkschützer gab, keinen Konsens, wie man sich der anrückenden Polizei kraftvoll und entschieden entgegenstellen könnte. Viele waren sich im Klaren, dass sie entweder bald gehen würden oder sie wollten ihr Vorgehen ad hoc entscheiden. Es gab keinen breiten Konsens, den Park bis zuletzt zu besetzen und sich mit der Polizei „anzulegen“ in Form z.B. einer Sitzblockade. Abgesehen von den Baumbesetzern, den Angeketteten und den Sitzblockierern stand die Mehrheit der Demonstranten eher unschlüssig herum oder war auf dem Sprung. Für die Mehrheit war das Da-Sein (vor Ort) ein symbolisches Zeichen, ihren Park zu beschützen.

6. Was hätte im Idealfall geschehen können?
Nein, eine Wertung soll nicht gemacht werden. Es war so, wie es war  und „hinterher ist man immer schlauer“. Bis heute gibt es Parkschützer, die die Situation im Park wieder und wieder analysieren, verbal wiederkäuen, mit „hätte“ und „wenn“ diskutieren. Im Idealfall - angesichts der äußerst ambitionierten Vorbereitung der Parkverteidigung hätten viel mehr Menschen kommen müssen. Angesichts des immer wiederkehrenden Bekenntnisses „Wenn es an den Park geht, gibt es einen Aufstand ...“ hätten es locker 5000 sein müssen.

Im Idealfall wäre eine gemeinsame Strategie hilfreich gewesen. Jedoch hat der K21-Widerstand zwei Merkmale, die dem entgegenstehen: Er hat die Prämisse „alles ist erlaubt, solange es gewaltfrei ist und dem Aktionskonsens entspricht und „jede/r kann so weit gehen, wie sie/er will“. Die Vielfalt von Widerstandsformen wird ausdrücklich betont und erwünscht. Auf diese Weise kann aber keine gemeinsame Strategie verfolgt werden und die Bewegung kann in entscheidenden Momenten auseinandergenommen werden.
Im Idealfall wären die Menschen im Park nicht Demonstranten gewesen, sondern Besetzer. Die Besetzer (1000) hätten sich alle hingesetzt, ungeachtet des Wetters. Es hätten sich 1000 Menschen wegtragen oder wegführen lassen. Möglicherweise hätte sich die Taktik der Polizei dann geändert (Schlagstockeinsatz, Schmerzgriffe, …). So jedoch hat man der Polizei ziemlich widerstandlos das Feld geräumt. Was in den zwei Jahren zuvor kommuniziert, geübt und praktiziert worden war (Sitzblockadentraining), kam im Park nur verhältnismäßig wenig zur Anwendung.

7. „The day after“ – Der Tag danach
Als der Park gefallen war, am „day after“, geschah in der Stadt Stuttgart nichts! Man hatte erwartet, wenn der Park fällt, gäbe es Wutausbrüche, Straßen- und Platzbesetzungen, Verkehrschaos, Bahnhofs- und andere Gebäudebesetzungen. Aber es geschah nichts. Ich bin sicher, auch die Polizei hat sich lange gewundert angesichts der „Hinnahme des Unabwendbaren“. Der Widerstand ist nicht auf die Straße gegangen.
In den Folgetagen kamen Parkschützer und Schaulustige an die Absperrgitter des Parks, sie schauten sich das Massaker an den Bäumen fassungslos und weinend an. Wer sich das nicht antat, heulte zu Hause, legte sich ins Bett, wurde krank, telefonierte; man sprach sich gegenseitig Beileid und Anteilnahme aus, man ging zur Arbeit, versuchte erste Analysen und schrieb „Wir machen trotzdem weiter“ … Der Schock saß tief und eine lange Trauerzeit ergriff den Widerstand.
Diese fast traumatisierende Erkenntnis, den Park verloren zu haben, die direkte (vor Ort) oder indirekte (im Internet, in Mails, in Gesprächen) Begleitung des Baummassakers  wirkten lange nach; bis heute. Viele Wege der Aufarbeitung von Trauer, Trostlosigkeit und Frustration, Wut und Erschütterung angesichts des baumfreien Parks wurden gegangen.

Nicht wenige Bezugsgruppen rappelten sich auf, versuchten Wege der „kritischen Begleitung“; denn was ist es anderes als das, wenn man Vorträge und Demos, Diskussionen und Sachbearbeitungen organisiert und besucht? Es gab Große und Kleine Ratschläge, Struktur- und Strategieberatungen.
Die Großdemo am dem auf die Parkräumung und Abholzung folgenden Samstag brachte dann eine kurzfristige Straßenbesetzung und eine ganz kleine Hügelbesetzung (Presse: „Die Polizei verhinderte die Stürmung des Baufelds.“). Auch bei folgenden Montagsdemos gab es noch hin und wieder einen längeren Aufenthalt in der Bahnhofshalle und an Verkehrsknotenpunkten, was die Polizei schnell unterband. Der Stuttgarter Widerstand hatte sich entschieden, nur baubedingte Einrichtungen zu blockieren. Dazu gehörte nicht die angrenzende Schillerstraße und nicht der stehengebliebene Bahnhofsteil. Die Polizei freute sich, die Regierung auch. Alles war friedlich und ordentlich verlaufen.

8. Ausblick
Detaillierte Analysen wurden in vielen Parkschützer-Gremien gemacht, sie hier aufzuführen, würde den Text überfrachten. Geblieben ist nach drei Jahren ein mutiges „Trotz allem!“ Viel ist seit dem 14.2.2012 geschehen. Aus dem 100-Meter-Lauf nach dem Motto „Das Ziel liegt in Sichtweite, nur noch dieser eine Mosaikstein, dann kippt das ganze Projekt“ ist ein Marathonlauf mit zeitlich unkalkulierbarem Ende geworden. Ausdauer statt Sprint ist angesagt. Die K21-Bewegung hat heute weniger aktive Mitglieder als im Jahr 2012. Na und!? Schauen wir uns die an, die dabei sind, die nicht zu Hause bleiben, die noch Buttons tragen, die noch zu Montagsdemos kommen, die noch dienstags am Bauzaun sind, die noch schreiben, twittern, sich regelmäßig treffen, in Gruppen diskutieren. Es gibt sie noch. Und am letzten Samstag waren sie im Park.

(Petra Brixel)

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