Im Jahr 2015 steht uns wieder ein Bürgerhaushalt bevor.
Nachdem die Stadtteilgruppen sich letztes Mal stark engagiert haben und viele Forderungen einbrachten und unterstützten, sehen wir VertreterInnen der Stadtteilinitiativen dieses Verfahren mittlerweile mehr als kritisch. Wir reihen es ein in die Veranstaltungen zur strategischen Einbindung (wie die sogenannte Schlichtung, den Filderdialog oder Bürgerbeteiligungen ganz allgemein). Mittlerweile wissen wir, dass auch diese Methode mit freundlicher Unterstützung der Bertelsmannstiftung in unserem Gemeinwesen Einzug gehalten hat. Die eigentliche Idee dahinter, die aus Porto Alegre in Brasilien stammt, wurde so verwässert, dass wir hier noch nicht mal über Brotkrümelchen abstimmen.
Zudem geraten wir auch noch in Konkurrenz zueinander. Statt sinnvolle Spielgeräte für alle Schulhöfe zu fordern, versucht jede Schule Punkte für ihren Pausenhof zu sammeln.
Wir lassen uns nicht mehr einbinden in ein pseudo-demokratisches Verfahren, das nichts mit echter demokratischer Partizipation zu tun hat. Beim Bürgerhaushalt haben wir kein Entscheidungsrecht, sondern nur Vorschlagsrecht. Ein gutes Abstimmungsergebnis führt nach Prüfung durch die Verwaltung nur dazu, dass der Gemeinderat über einen Vorschlag überhaupt spricht. Damit ist noch nichts entschieden.
Der Sachverstand von BürgerInnen wird genutzt, aber sie werden nicht wirklich an den Entscheidungen beteiligt.
Wir haben nicht die Absicht, in die Mit-Mach-Falle zu tappen.
Wir haben andere Vorstellungen.
Unsere zentrale Forderung lautet: WIR wollen entscheiden. Und zwar in Form direkter demokratischer Beteiligung.
Wir wollen in den Stadtteilen tatsächlich an der Basis darüber diskutieren und beschließen, wofür das Budget ausgegeben werden soll.
Soll man dieses Jahr erst die Schule oder erst das Schwimmbad renovieren? Soll erst ein Bürgerhaus gebaut werden oder soll man lieber
die Schlaglöcher beseitigen? Die Verwaltung wäre dann quasi ausführendes Organ der Bürgerversammlungen. Die Entscheidungen fielen an der Basis.
Wenn es so bei uns liefe, wäre das in unseren Augen ein echter Bürgerhaushalt, bei dem wir gerne mitmachen würden. Bis dahin brauchen wir unsere Kraft, um die Dinge grundsätzlicher zu ändern und nicht, um in stundenlanger Arbeit Vorschläge für den Bürgerhaushalt zu formulieren, zu lesen, zu bewerten und zu bewerben.
Diese Stellungnahme der meisten Stadtteilgruppen in Stuttgart bietet sicherlich Diskussionsstoff. Ihr müsst selbst wissen, ob ihr euch bei der Plattform abmelden wollt oder doch mitmachen möchtet. Denkt drüber nach!
Gut ist auf jedem Fall:
- wenn Ihr bei den Infoveranstaltungen kritische Fragen nach einem richtigen Bürgerhaushalt stellt.
- wenn Ihr nach einem Budget für den Stadtbezirk fragt.
- wenn Ihr nach Entscheidungsprozessen, die von unten nach oben laufen fragt.
- wenn ihr mit anderen - und zwar nicht nur bei den Infoveranstaltungen – darüber redet, ob nicht ein anderes Verfahren beim Bürgerhaushalt besser wäre.
Links zum Weiterlesen (Auswahl, bitte selbst weitersuchen...):
Infos zu Porto Alegre:
https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/von-porto-alegre-um-die-welt
http://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Themen/Kommunalpolitik/OP-Vortrag.pdf
Infos zur Bertelsmannstiftung:
http://www.bertelsmannkritik.de/index.htm
https://lobbypedia.de/wiki/Bertelsmann_Stiftung
Und zwei Videos, die einen kleinen Einblick geben (leider nicht auf DE oder EN)
https://www.youtube.com/watch?v=PoZxjlNp7oQ
https://www.youtube.com/watch?v=_HCLDbpcSn0
Bürgerhaushalt als Mitmachfalle
http://www.giessener-zeitung.de/giessen/beitrag/86339/buchbesprechung-thomas-wagner-die-mitmachfalle-buergerbeteiligung-als-herrschaftsinstrument/
Noch ein Feigenblatt für die praktizierte Bürgerverachtung ? Auf keinen Fall.
Bis heute wurde kein Regelkatalog vorgeschlagen wie zukünftige Volksbefragungen/abstimmungen ablaufen sollen. Damit ist für mich die Wertschätzung auch! durch die Grünen für Engagement inakzeptabel.