Expertengruppe „Bürgerbahn statt Börsenbahn“ fordert: 250. Montagsdemo vor Bahnhof!

An die Herren
Fritz Kuhn, Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart
Dr. Martin Schairer, Bürgermeister der Stadt Stuttgart

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kuhn, sehr geehrter Herr Bürgermeister Dr. Schairer,

seit unserer Gründung im Jahr 2001 als Bahnfachleutegruppe gibt es kein anderes Thema, das uns so bewegt und beschäftigt hat wie Stuttgart 21 – sei es als Experten in der Schlichtung im Herbst 2010, sei es während des Stresstests und danach in Form mehrerer neuer Gutachten, sei es als Mitherausgeber von drei Büchern zu Stuttgart 21, sei es schließlich als Mitorganisatoren der bundesweiten Konferenz „20 Jahre Bahnreform – 20 Jahre Stuttgart 21“, die Ende April 2014 im Rathaus Ihrer Stadt stattfand.

Wir werden am 8. Dezember und anlässlich der 250. Montagsdemonstration gegen S21 als BsB-Gruppe in Stuttgart anwesend sein. Wir werden an diesem Tag in Ihrer Stadt um 12 Uhr eine Pressekonferenz zum Thema der bundesweiten und europäischen Bedeutung des Protestes gegen Stuttgart 21 abhalten. Am Nachmittag werden wir eine reguläre Arbeitssitzung durchführen. Am Abend nehmen wir als BsB-Kreis an der der Kundgebung und der Demonstration teil.

Nun mussten wir mit Bestürzung den Medienberichten der letzten Tage entnehmen, dass es bislang keine Übereinkunft zwischen den Veranstaltern und den städtischen Behörden hinsichtlich des Ortes der Kundgebung gibt. Vielmehr legte die Stadt Stuttgart, vertreten durch Sie, vor dem VGH in Mannheim Beschwerde gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart ein, wonach die Kundgebung vor dem Hauptbahnhof, auf dem Arnulf-Klett-Platz und der Schillerstraße, stattfinden kann. Bei dem von Ihnen ursprünglich zugewiesenen und von der Bewegung gegen S21 bislang erfolgreich abgelehnten Veranstaltungsort (Lautenschlagerstraße) befürchten die Organisatoren von Kundgebung und Demonstration darüber hinaus eine unverantwortlich gefährliche Enge, zumal deutlich mehr Menschen als die dort seitens Ihrer Behörde maximal ins Auge gefassten 3000 Leute an der Demonstration teilnehmen könnten. (Übrigens: Für das tragische Ende der Loveparade in Duisburg im Jahr 2010 wurden in der Öffentlichkeit nicht die Spitzenbeamten der Genehmigungsbehörde, sondern der Oberbürgermeister der Stadt Duisburg selbst verantwortlich gemacht, was 2012 in dem erfolgreichen Abwahlverfahren des Duisburger OB mündete.)

Wir schlagen Ihnen vor, positiv auf die Veranstalter zuzugehen und das Ereignis der 250. Montagsdemonstration in erster Linie als eine Chance für die Stadt Stuttgart zu sehen:

Es gibt unseres Wissens nach keine Stadt in Europa, die eine derart begeisternde und ausdauernde Kultur des Widerstands gegen ein Großprojekt entwickelt hat, welches Ihr Gemeinwesen verschandelt, die Kapazität des strategischen südlichen Schienenknotens verkleinert und die Bedingungen für einen umweltfreundlichen und effizienten Schienenverkehr nachhaltig verschlechtert.

Wir wüssten im übrigen nicht, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, was sich in den letzten 23 Monaten verändert haben sollte, als Sie in Ihrer Antrittsrede als Oberbürgermeister ausführten: „Die Situation ist verfahren. Wir müssen auch über Alternativen diskutieren. Mit der bisherigen Transparenz, die die Bahn an den Tag gelegt hat, ist das Projekt nicht zu verwirklichen“ (Stuttgarter Zeitung vom 8. Januar 2013). Nachdem im Oktober 2014 Wolfgang Dietrich seine Desertion als S21-Sprecher für Ende 2014 ankündigte, nachdem vor wenigen Tagen der S21-Projektplaner Stefan Penn seinerseits erklärte, ebenfalls Ende 2014 die Brocken hinzuwerfen, ist das Projekt Stuttgart 21 nochmals intransparenter und auf alle Fälle im praktischen und im Wortsinne kopflos geworden. Im Grunde dürfte unter den Verantwortlichen längst die Diskussion über den Ausstieg bei Stuttgart 21 ohne allzu peinlichen Gesichtsverlust geführt werden.

Das ist dann allerdings eine andere Baustelle. Wir bitten Sie aktuell dringend darum, die „Baustelle Veranstaltungsort“ am kommenden Montag, dem 8. Dezember, so zu schließen, dass Sie damit der Verantwortung gerecht werden, die Sie für die Mitbürgerinnen und Mitbürger Ihrer Landeshauptstadt, die an der Kundgebung und Demonstration teilnehmen wollen und für die vielen Gäste, die anlässlich der 250. Montagsdemo nach Stuttgart kommen, tragen. Wir fordern Sie auf, Ihre Beschwerde vor dem VGH zurückzuziehen.

Mit vorzüglicher Hochachtung

Prof. Heiner Monheim (Bonn)
Dr. Winfried Wolf (Michendorf b. Berlin)
Dr. Christoph Engelhardt (München)

Die Mitglieder der Bahnexpertengruppe Bürgerbahn statt Börsenbahn (BsB): Prof. Dipl.-Ing. Karl-Dieter Bodack, Gröbenzell // Michael Bienick // Thilo Böhmer, Rodgau, Lokomotivführer // Dr. Christoph Engelhardt, München, Initiator der Faktencheckplattform WikiReal.org // Klaus Gietinger, Wilhelmshorst, Regisseur (u.a. „Tatort“) und Buchautor // Johannes Hauber, Mannheim, President Industrial Railway Committee // Eberhard Happe, Celle, Bundesbahndirektor a.D., Dipl.-Ing. // Prof. Dr. Wolfgang Hesse, München // Andreas Kegreiß, Herrenberg, Dipl.-Ing. // Andreas Kleber, Schorndorf, Initiator „Kleber-Express“// Dr. Bernhard Knierim, Berlin, Autor // Karl-Heinz Ludewig, Berlin, Verkehrswissenschaftler // Prof. Heiner Monheim, Bonn; Autor, Geograph und Verkehrswissenschaftler // Prof. Jürgen Rochlitz, Burgwald-Eder, Mitglied in der Kommission für Anlagensicherheit beim Bundesumweltministerium // Roland Schuster, Mannheim, stellv. Betriebsratsvorsitzender Bombardier Transportation // Gangolf Stocker, Stuttgart, Gemeinderat Stuttgart // Dr. Winfried Wolf, Wilhelmshorst, Buchautor

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2 Antworten zu Expertengruppe „Bürgerbahn statt Börsenbahn“ fordert: 250. Montagsdemo vor Bahnhof!

  1. Horst Ruch sagt:

    Viele Worte….sachlich richtig. Für OB Kuhn zählen allerdings nicht die o.a. Argumente, für ihn zählen nur noch Kretschmanns grünlegimentierte Mehrheitswahnvorstellungen.
    Transparenz und Toleranz sind Tabuthemen.
    Dumm gewählt,dumm regiert. Ein OB Turner hätte sich zumindest an sein Wahlversprechen gehalten.

  2. Wagenmann sagt:

    Unglaublich was sich hier Kuhn erlaubt. Er hat wohl vergessen dass er nur durch die Stimmen der S 21 Gegner zu diesem Posten kam.
    Schande über ihn!
    Bei Turner hätten wir wenigstens gewusst woran wir sind!

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