"...und sie bewegt sich doch!"
"Sie" ... damit ist die Bewegung für einen modernisierten Kopfbahnhof, für ein lebenswertes Stuttgart, für ein menschenwürdiges Dasein auf der Welt gemeint. Stark war diese Bewegung, bunt, vielfältig, begeisterungsfähig, penetrant, friedlich, unerschöpflich, wirksam,unberechenbar,... und mehr. Warum war? Alles Vergangenheit?
Lasst sie uns wieder wachkitzeln, chillen können wir später noch! Motten wir die Schwächen ein, polieren wir die Stärken, stellen unser Licht nicht unter den Scheffel, machen weiter - einfach immer weiter!
Deshalb:
Austausch- und Ideenforum am Samstag, 25.10.2014 von 14:00-18:00 Uhr, Lilo-Herrmann-Haus, Böblinger Str.109; Haltestelle U1, U14, Bus 42: Erwin-Schoettle-Platz.
Mit dabei ...
- ein Impulsreferat von Dr. Annette Ohme-Reinicke zu Stärken
und Schwächen der S21-Bewegung.
- Beiträge von Aktionsbündnis, Montagsdemo-Team,
Blockadegruppe, SeniorInnen gegen Stuttgart 21.
- wir alle in der Diskussion.
Für alle Interessierten hier schon mal was zum “Vorglühen”:
Drei Thesen zum Stand der Bewegung gegen „Stuttgart 21“
von Dr. Annette Ohme-Reinicke, Soziologin und Buchautorin
1. Die Proteste gegen „Stuttgart 21“ haben die politische Kultur in Stuttgart verändert.
Es ist jetzt eine kritische Bürgerschaft aktiv, die die Entwicklungen in der Stadt genau beobachtet, hinterfragt und miteinander im Gespräch ist. Ein Grund für die Beständigkeit der Proteste gegen „Stuttgart 21“ liegt in der gemeinsamen Erfahrung von Macht, die eine aktive Bürgerschaft entfalten kann: Die Protestbewegung hat nicht nur kulturelle Impulse gegeben und bundesweit Themen gesetzt, sie hat nicht nur eine Landesregierung gestürzt und Öffentlichkeit geschaffen. Sie hat vor allem erfahren, dass es möglich ist, sich selbst als Öffentlichkeit Gehör zu verschaffen, dabei Grenzen zu überschreiten und sich selbst zu verändern. Das ist für viele Aktive zu einer bereichernden Erfahrung geworden und damit hat die Stuttgarter Bürgerschaft sich selbst als potentiellen politischen Faktor in die Welt gesetzt. Das beinhaltet auch einen Wink mit einer Drohung an die etablierte Politik: Widerstand ist latent vorhanden, könnte neue Dynamik entfalten und zu einem unberechenbaren Faktor werden.
2. Die Bewegung gegen „Stuttgart 21“ hat im Streit um den Tiefbahnhof politisch verloren.
Außerhalb Stuttgarts wird die Protestbewegung kaum wahrgenommen, gilt beinahe als nicht mehr existent. Denn sie hat sich zwar kulturell, aber nicht politisch durchgesetzt. Schlichtungsverhandlungen, Volksabstimmung und die Fixierung auf die Partei der Grünen als Stellvertreter der Bürgerbewegung haben dazu geführt, dass die Deutungshoheit über das Geschehen um „Stuttgart 21“ momentan bei den Projektbefürwortern liegt: Durch die Schlichtung wurde das Projekt „Stuttgart 21“ inthronisiert, nämlich zum verhandelbaren Objekt erklärt und außerdem wurde der Streit auf die Frage nach technischen Leistungsfähigkeiten reduziert. Durch die Volksabstimmung wurden – zwar manipulativ, aber dennoch faktisch – Mehrheiten und damit eine formaldemokratische Legitimation erzeugt und durch die Fixierung auf die Grünen als Stellvertreter hat sich die Bewegung selbst zum Objekt von Parteipolitik gemacht, die immer in erster Linie auf den Zugewinn von Wählerstimmen zielt. Überdies betrügen die gegenwärtig geführten „Bürgerdialoge“ offenbar um das was sie versprechen: Mitgestaltung des öffentlichen städtischen Raumes durch die Bürger.
3. Die Protestbewegung befindet sich zurzeit im Zustand des pro testare:
Es wird öffentlich immer wieder Zeugnis davon abgelegt, dagegen zu sein – ganz in der Tradition evangelikaler Kirchenkritiker. Dabei sind die Argumente einerseits von sehr großem technischem Sachverstand geprägt, andererseits von einer großen moralischen Empörung. Hier liegt m. E. das aktuelle Dilemma: Ausgeschlossen ist das Politische. Eine Protestbewegung kann sich aber nur weiterentwickeln, wenn sie sich selbst in ihrem Status als Bewegung reflektiert und bestimmt. Erst dadurch würde es möglich positive Macht zu entfalten, die sich nicht nur abgrenzt von Anderem, die nicht nur den Vertretern der etablierten Politik sowie den Protagonisten technischer Projekte kenntnisreich deren Mängel und uneingelöste Versprechungen vorhält, sondern die eigene Vorstellungen des Gemeinsamen und des Kommunalen entwickelt.
Wir freuen uns auf Euch!!!
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