Thomas Felder zur S21-Tunneltaufe am Freitag + alternativer Predigtvorschlag

Sehr geehrter Herr Landesbischof, Dr. July,
sehr geehrter Oberkirchenrat,

inzwischen wurden die ersten zwei meiner drei brennenden Fragen an Sie vom S21-Projektsprecher Wolfgang Dietrich beantwortet. Er hat die Medien-Redaktionen offiziell zur »feierlichen Taufe des Tunnels Bad Cannstatt« eingeladen und verkündet, dass seitens der Evangelischen Landeskirche Herr Pfarrer Romeo Edel die Segnung ausrichten wird.

Herr Edel soll also am Freitag im Beisein stattlicher Prominenz vor einer großen Öffentlichkeit bekennen, wess' Herren Knecht er als Christenmensch und Kirchenvertreter einzig und allein ist. Wir sind gespannt, denn wir wissen: »man kann nicht zwei Herren dienen«. Jünger Jesu sind »Salz der Erde« – und nicht »Gsälz«, wie uns die bisherigen S21-Tunneltäufer als willfährige Lakaien der Projektgesellschaft schön süßlich suggeriert haben, und eine wachsende Zahl von Kirchenmitgliedern damit vor den Kopf stoßen.

So darf es nicht weiter gehen! Die Kirche hat eine klare Position, nämlich die Botschaft Jesu Christi, welche in Matth. 4.17 direkt auf S21 Bezug nimmt: »Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen«. Dazu wurde von Pfarrer Friedrich Gehring ein Predigtvorschlag ausgearbeitet, den ich Sie bitten möchte, baldmöglichst zur Kenntnisnahme an Pfarrer Edel weiterzuleiten – seine aktuelle Adresse ist mir nicht bekannt.

Ich kann mir vorstellen, dass Herr Edel sich nicht gerade um diesen Job gerissen hat und dankbar ist, wenn am Freitag jemand für ihn einspringt. Herr Gehring wäre dazu gerne bereit und von seinem Amtstitel her auch geradezu prädestiniert: Er ist derzeit offizieller Beauftragter für den kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt. Wenn Sie ihn mit der Amtshandlung beauftragen, erübrigt sich auch die Beantwortung der dritten brennenden Frage meines jüngsten Schreibens an Sie (Kopie s. u.). Hier sein Entwurf:

Predigtvorschlag von Pfarrer i. R. Friedrich Gehring zur „Tunneltaufe“ am 21.3.2014 am Nordbahnhof

"Was ich als christlicher Pfarrer dort verkündigen würde:

Liebe Festgäste,
es wurde in letzter Zeit bei den Eröffnungen von Tunnelbauarbeiten von „Tunneltaufe“ gesprochen. Natürlich kann ein Tunnel nicht getauft werden, denn die Taufe ist die Aufnahme eines Menschen in die christliche Kirche und ein Tunnelbauwerk kann nicht in die Kirche aufgenommen werden. Wir feiern hier auch keinen kirchlichen Gottesdienst, sondern gestalten eine Feier der Deutschen Bahn AG aus Anlass des Beginns der Bauarbeiten an dem Tunnel von hier nach Bad Cannstatt. Da ich gebeten worden bin, als Pfarrer bei dieser Feier mitzuwirken, ist es meine Aufgabe zu erläutern, was von der christlichen Botschaft her zu diesem Baubeginn zu sagen ist.
Für nicht wenige Menschen in unserem Land hat das Bauen an diesem großen Bahnprojekt eine große Verheißung: Es wird Wachstum in unsere Region bringen und damit eine Mehrung unseres Wohlstands. Unsere für die Richtlinien der Politik zuständige Kanzlerin Merkel hat es auf den Punkt gebracht, indem sie mit eben diesem Projekt Stuttgart 21 die Schicksalsfrage verband, ob in Deutschland künftig noch Großprojekte möglich sind oder nicht. In ihrer Sicht entscheidet sich an diesem Bauwerk, vor dessen Teilabschnitt wir hier stehen, die wirtschaftliche Zukunft Deutschlands.

Ziemlich genau diese Hoffnung verband sich auch mit dem Bau des Atomkraftwerks Kalkar am Niederrhein vor etwa 40 Jahren. Die Atomenergie erschien als der Schlüssel für die Zukunft. So wurde der schnelle Brüter für Milliarden D-Mark gebaut, lieferte aber nie auch nur ein Kilowatt Strom, weil während des Baus erkennbar wurde, dass diese Technologie zu gefährlich war. Heute ist das Atomkraftwerksgelände ein Vergnügungspark. Es ist das große geschichtliche bleibende Verdienst unserer Kanzlerin Merkel, dass sie nach der Katastrophe von Fukushima als gelernte Naturwissenschaftlerin die Umkehr aus der Atomindustrie gewagt hat.

Auch mit dem Projekt Stuttgart 21 sind sehr hohe Risiken verbunden. Insbesondere die Tunnelbauten können zu einer tödlichen Falle für die Fahrgäste werden, weil die Genehmigung erteilt wurde ohne Entrauchungsanlagen und ohne Fluchttunnel. Eine Wirtschaft, die ohne die Rücksicht auf die Lebensgefahr der Fahrgäste Wachstum und Lebensstandart bringen will, kann nicht die Zukunft unseres Landes sein so wenig wie es die Atomwirtschaft sein konnte. In diesem Zusammenhang wird verständlich, dass Papst Franziskus mahnt: „Diese Wirtschaft tötet“.

Die zentrale Botschaft Jesu war: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen“ (Mt 4,17). Buße heißt Umkehr. Wenn wir die Botschaft Jesu ernst nehmen, dann müssen wir immer offen blieben dafür, einen falschen Weg einzugestehen und neue Wege zu beschreiten, wie wir das bei der Atomkraft tun. So müssen wir offen sein für die Möglichkeit, dass dieser Tunnel, nachdem er fertiggestellt ist, z. B. zum Züchten von Pilzen dient, weil er als Eisenbahntunnel zu gefährlich ist, so wie der schnelle Brüter von Kalkar nun als Freizeitpark die Besucher erfreut.

Das Reich des barmherzigen Gottes ist nicht gleichzusetzen mit wirtschaftlichem Wachstum um jeden Preis. Im Reich Gottes geht es um das Wachstum der Nächstenliebe und der Gerechtigkeit. In diesem Sinne wünsche ich dem Tunnelbauwerk, dessen Beginn wir heute feiern, dass die Arbeiter an diesem Bau immer einen gerechten Lohn empfangen mögen und ihre Arbeit ohne Unfälle zu Ende bringen können. Amen" (Pfarrer i. R. Friedrich Gehring)

Mit besten Wünschen

Thomas Felder

Kopie des Schreibens vom 13. März 2014 22:51:56 MEZ (bislang ohne Eingangsbestätigung):

Sehr geehrter Herr Landesbischof, Dr. July,

heute wende ich mich u.a. auch an Ihren Pressesprecher, Herrn Oliver Hösch, der mir zu Beginn dieses Kirchenjahres vor laufenden Kameras versicherte, die Evangelische Landeskirche Württemberg habe mit dem Projekt S21 nichts zu schaffen, es seien definitiv nur Methodisten und Katholiken, die sich an Tunneltaufen und ähnlichen Veranstaltungen segnend beteiligten; die EKL verhalte sich hier vollkommen neutral. Offenbar hatte er gar nicht mitbekommen, dass sich bereits seit 2009 Frau Heike Baehrens im Namen von Kirche und Diakonie medienwirksam aus dem Fenster lehnte.

Sie, Herr Dr. July hatten nach meinem Protest gegen diese Entgleisung in einer eindringlichen Presseerklärung versprochen alles zu rügen, was sich im Namen unserer Kirche pro oder kontra S21 positioniert. Frau Baehrens wurde aber niemals gerügt – im Gegenteil: in einem weihevollen Abschiedsgottesdienst wurde sie würdevoll aus ihren kirchlichen Ämtern in den Bundestag entlassen, wo sie sich nun für den Anbau von genmanipuliertem Mais stark macht. In ihrem Wahlkreis kursieren bereits Plakate wie das u.st., (dia)komische Beispiel.

Zurück zu S21: Ihrem Presse-Sprecher, Herrn Hösch waren auch alle Presse-Meldungen entgangen, nach denen im Namen der EKL bereits letzten Sommer ein S21-Tunnelanschlag gesegnet worden war. Als ausübender Geistlicher unserer Kirche hatte sich Herr Pfarrer Schaber aus Wiesensteig zur Verfügung gestellt (siehe unten). Deshalb teile ich Ihnen heute aus gut informierter Quelle vorsorglich mit, dass am kommenden Freitag den 21.03. 2014 um 15:00 Uhr der Tunnel Nordbahnhof nach Cannstatt getauft werden soll – mit kirchlicher Beteiligung! Geladen sind wieder einmal vorwiegend prominente Persönlichkeiten wie Dr. Grube und seinesgleichen – der einfache Grubenarbeiter muss leider draußen bleiben.

Drei brennende Fragen:

1.) Ist die EKL schon angefragt worden?
2.) Wie würde sie auf eine Anfrage reagieren?
3.) Wird ein Geistlicher der EKL gerügt, wenn er sich für eine derartige Handlung hergibt?

In Erwartung Ihrer baldigen Antwort
mit freundlichen Grüßen
Thomas Felder

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3 Antworten zu Thomas Felder zur S21-Tunneltaufe am Freitag + alternativer Predigtvorschlag

  1. Andi sagt:

    Klasse Aktion!

  2. Pingback: Proteste gegen S21-Tunnelfeier: 400 Parkschützer stören Tunneltaufe | Bei Abriss Aufstand

  3. Johannes K. sagt:

    Sehr geehrter Thomas Felder,

    erwarten Sie denn nun auch, dass nun auch die Pfarrer/innen gerügt werden, welche sich öffentlich gegen S 21 aussprechen?

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