Rede von Steffen Siegel, Schutzgemeinschaft Filder, auf der 196. Montagsdemo am 4.11.2013
Das Jahr 2022 und die Filder-Problematik
Liebe Freunde,
da hab ich doch neulich wirklich schallend lachen müssen – ja, auch das gibt es beim Thema Stuttgart 21. Hat doch das Kommunikationsbüro die Stirn, die ihr durchaus wohlgesonnene Stuttgarter Zeitung zu verklagen. Diese solle nicht mehr behaupten dürfen, dass Stuttgart 21 nach bahninternen Informationen nicht 2021, sondern erst 2022 fertig werde. Dass das Projekt selbst 2022 nie und nimmer fertig wird, pfeifen ja bereits alle Spatzen vom nicht gebauten Glubschaugendach.
Es ist absurd, dass hier der Falschspieler den verklagt, der sein falsches Spiel aufdeckt. Volker Kefer sagte bereits vor mehreren Monaten, um die Fertigstellung Ende 2021 tatsächlich zu erreichen, seien „sämtliche Planungsprämissen im best case angenommen und zusätzliche Risiken aus der Planfeststellung nicht berücksichtigt“. Das ist ein Witz. Damit gibt er ja zu, dass alles extrem schöngerechnet ist. Und so kam Kefer auch im Juli im Lenkungskreis zu folgendem Ergebnis: „Die Wahrscheinlichkeit, dass S 21 trotz allem erst Ende 2022 fertig wird, liegt momentan bei 80%“. Das muss man auf sich wirken lassen.
Kinder lernen frühzeitig in der Schule, dass 80% Wahrscheinlichkeit schon sehr wahrscheinlich bedeuten. Da fragt man sich: Was geht da nur in Kefers Kopf vor? Er beherrscht doch als gelernter Ingenieur das Prozentrechnen. Kefer kifft doch nicht etwa heimlich?
Auch sein Mitspieler Wolfgang Dietrich denkt, dass das Projekt ganz sicher 2021 fertig wird. Ich behaupte ohne Beweis: Kefer kifft nicht, Dietrich denkt nicht und das Projekt wird 2021 nicht fertig. Schauen wir zurück:
- 1995 behauptet die Deutsche Bahn: Das Jahrhundertwerk geht 2008 in Betrieb.
- 2003 bewarb sich Stuttgart um die Olympiade 2012 und behauptete, bis dahin sei S21 fertig.
- Bei der Volksabstimmung 2011 vor ziemlich genau zwei Jahren wurde noch behauptet: Das Ding wird bis 2019 fertig.
- Seit Kurzem einigten sich die Planer auf die Sprechweise: Der Fertigstellungstermin ist 2021; wohl wissend, dass das eine Falschaussage ist.
Vor wenigen Stunden hat das Landgericht sein Urteil verkündet. Der Richter gibt der Bahn Recht. Da spätestens gefriert einem doch das Lachen. Aber halt, bevor wir den Stab über dem Richter brechen: Er hatte nur darüber zu befinden, ob in einer bestimmten Sitzung der Aufsichtsrat darüber informiert wurde, ob S21 bis 2021 fertig würde oder nicht. In dieser Sitzung war dies offenbar nicht der Fall, aber die StZ hatte dies wohl so geschrieben. Der Richter hat ausdrücklich nicht darüber befunden, welcher Fertigstellungstermin der richtige ist.
Was die Bahn hier veranstaltet hat, ist also eigentlich nur ein absolut lächerliches Theater auf einem lächerlichen Nebenkriegsschauplatz. Haben die wirklich nichts Besseres zu tun? Und sollten die Gerichte nicht eher unserem Dreigestirn Dietrich, Kefer und Grube eine Auszeit in einem Kloster verschreiben. Wir geben die Hoffnung nicht auf, dass sie dann ein klein wenig nachdenklich würden, dass Grube womöglich ins Grübeln käme.
Neben diesem frommen Wunsch müssen wir aber auch selbst was tun. Mein eigentlicher Auftrag heute war es, einen kurzen Redebeitrag zur anstehenden Planauslegung auf den Fildern zu geben. Und das hängt mit dem soeben Gesagten eng zusammen.
Kefer und Dietrich behaupten , das Projekt S21 liege im Plan, allerdings: „befindet sich der Filder-abschnitt auf einem kritischen Pfad“ und „die Bahn ist darauf angewiesen, dass sie bis Anfang 2015 den Planfeststellungsbeschluss für die Anbindung an den Flughafen auf den Fildern bekomme“.
Bei allen bisherigen Abschnitten lag die Zeitspanne zwischen Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens und dem Planfeststellungsbeschluss (PFB) zwischen 4 und 6 Jahren und oft kamen noch endlose Zeitverzögerungen durch Planänderungsverfahren dazu. Hier nur zwei Beispiele:
- Bsp. 1 (schwieriger Abschnitt): Abschnitt 1.1 Hbf
Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens Oktober 2001
Planfeststellungsbeschluss Januar 2005
Aber: Ein Ende ist noch nicht absehbar, erst dieser Tage wurde das 14. Planänderungsverfahren (Nesenbach-Düker) eingeleitet.
- Bsp.2 (relativ unproblematischer Abschnitt): Abschnitt 1.4 (Plieningen – Wendlingen)
Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens Juni 2002
Planfeststellungsbeschluss April 2008 (Gesamtzeit 6 Jahre)
Hier auf den Fildern nun sagt die Bahn, wenn wir es nicht bis Anfang 2015, also in einem guten Jahr schaffen, dann ist der Termin 2021 nicht zu halten. Und um diese vage Zahl führen die Prozesse? Die Deutsche Bahn will uns doch bewusst hinters Licht führen.
Seit 2002 versucht die Bahn zum wiederholten Male diesen Abschnitt 1.3 in die Planfeststellung zu bringen. Das EBA hat es mehrfach zurückgewiesen. Es ist infam, zu behaupten wir Gegner seien schuld, wenn es nicht bis 2021 klappt.
Jetzt starten sie einen neuen Versuch: Ab kommenden Mittwoch, 6.November, liegen die Pläne für den Abschnitt 1.3 in den Rathäusern der betroffenen Gemeinden auf den Fildern aus, in Stuttgart im Amt für Stadtplanung in der Eberhardstraße und im Netz beim Regierungspräsidium: www.rp-stuttgart.de
Der Filderbereich ist nach dem Hauptbahnhof der problematischste Abschnitt; nicht umsonst hat die Bahn über 11 Jahre herumgepfuscht und auch die jetzigen Pläne sind unheilbar schlecht.
Die Auftritte von Dietrich und Bahnvertretern vor den Gemeinderäten auf den Fildern in den letzten Wochen waren so unterirdisch stümperhaft, dass sich sogar ausgewachsene S21-Befürworter öffentlich dafür schämten. Hier auf den Fildern geht es wirklich ans Eingemachte, es geht dabei auch um die Planrechtfertigung für ganz S21, und auf den Fildern geht es u.a. um den Mischverkehr durch Leinfelden-Echterdingen, um die Ausnahmegenehmigung, um den Betrug am Filderdialogergebnis, um den Erhalt der Gäubahn, um die Gefährdung der Stabilität und Qualität des S-Bahnbetriebs auf den Fildern, um ausufernde neue Kosten, um höhengleiche Fahrstraßenkreuzungen, eingleisigen Gegenverkehrsbetrieb im Terminalbahnhof, hohe Brandgefahr im 27 m unter der Messe liegenden Schnellbahnbahnhof, usw. usw. usw.
Bereits im Sommer 2012, am Ende des Filderdialogs, sagte Kefer, man müsse den Abschnitt 1.3 wohl in zwei Abschnitte aufteilen, einen auf Plieninger Seite entlang der Autobahn (1.3a). Der sei rascher umzusetzen. Dann könne man Stuttgart 21 schon mal starten, allerdings für Jahre ohne Halt am Flughafen und ohne die direkte Verbindung Zürich – Stuttgart. Diese endet dann eben in Vaihingen. Für den zweiten Abschnitt (1.3b), der den Flughafenbahnhof, den Terminalbahnhof , die Einschleifungen und die Strecke bis zur Rohrer Kurve beinhaltet, für diesen zweiten brauche man deutlich mehr Zeit. Damit sagt Kefer aber klar, wir schaffen das Gesamtkonzept nie bis 2021.
Sind die Weichensteller der Bahn nur dumm oder sind sie raffiniert oder wollen sie mit ihrer lächerlichen Klage nur vom eigentlichen Problem, das im Gesamtprojekt steckt, ablenken? Oder haben sie nur Angst davor, dass jedes Jahr Verzögerung die Kosten weiter über die 7 Milliarden Euro Grenze triebe und dies zu äußern im Moment wirklich nicht klug wäre?
Das Gericht müsste sie wegen bewusster Falschinformation nicht ins Kloster, sondern hinter ganz andere Mauern schicken und die angeklagten Journalisten müssten einen Rüffel wegen mangelhafter Recherche bekommen, weil das Projekt niemals 2022, eher 2025 oder gar nicht fertig wird.
Mein Appell an Euch hier:
- Verfolgt aufmerksam das Verfahren zum Abschnitt 1.3.
- Geht in die Rathäuser und studiert die Pläne. Informiert alle Bekannten, schreibt Einsprüche an das Regierungspräsidium.
Ich werde bei der Montagsdemo in 14 Tagen, wenn wir die ausgelegten Unterlagen erstmals durchgesehen haben, dazu noch mal zu Euch sprechen.
Wir werden Mustereinwendungen formulieren, und Sammeleinspruchslisten mitbringen. Ähnliches planen viele andere auch, z.B. die Vaihinger, die Gruppe „Kein IC durch LE“, Gruppen wie BUND, VCD, ProBahn, usw.
Arbeiten wir daran, dass dieser entscheidende Baustein 1.3 noch schneller zerbröselt, als er es wohl von ganz alleine tun würde. Legen wir diesen Dilettanten und Falschspielern das Handwerk.