Rede von Dipl.-Ing. Hans Heydemann, Ingenieure22 für den Kopfbahnhof, bei der 176. Montagsdemo am 17.6.2013
S-21 und das Hochwasser
Seit 2 Wochen sehen wir tagtäglich Bilder überschwemmter Gebiete im Süden und Osten Deutschlands – Wasser soweit das Auge reicht, ganze Ortschaften meterhoch überflutet! Nur 11 Jahre nach der Jahrhundertflut 2002, die diesmal noch übertroffen wurde, hatte niemand damit gerechnet, daß sich solches nach so kurzer Zeit und in noch schlimmerem Ausmaß wiederholen würde. Der von Menschenhand in Gang gesetzte Klimawandel zeigt weltweit verheerende Folgen!
Der Großraum Stuttgart ist diesmal glimpflich davongekommen, doch auch Neckar und Nesenbach führten Hochwasser, welches mancherorts bereits über die Ufer gestiegen war. Langanhaltende ergiebige Regenfälle und daraus folgende verheerende Hochwasser-Ereignisse treten auch in hier im Neckarraum immer wieder auf. Beim Hochwasser von 1824 schwoll der Neckar nach tagelangem Regen so an, daß in Eßlingen das Wasser 11 m hoch stand! Auch Cannstatt und Stuttgart waren schwer betroffen.
Bedingt durch die Kessellage Stuttgarts schießen bei einem schweren Sturzregen große Wassermassen von den Hängen herunter und strömen in den Nesenbach, der dann sofort gefährlich anschwillt. Darin unterscheidet sich Stuttgart von allen anderen Großstädten Deutschlands. Die Chronik berichtet immer wieder von schwersten Überflutungen der Stadt durch den Nesenbach, so im Jahre 1508 mit 11 Toten, mehreren von der Flut weggerissenen Häusern und mannshohem Wasser auf dem Marktplatz. 15 weitere schwere Nesenbach-Hochwasser haben Stuttgart heimgesucht, zuletzt 1938, 1965, 1966 und 1972.
Die Hochwassergefährdung Stuttgarts wird durch S-21 als dem dümmsten Projekt aller Zeiten noch vergrößert! Bekanntlich zerschneidet der Tiefbahnhof alle großen Abwasser-Sammler der Innenstadt, die deshalb umgelegt und als Düker unten hindurch geführt werden müssen, was deren Abflußleistung verringert und die Überschwemmungsgefahr der Innenstadt vergrößert. Die Abwassersammler können dann die großen Regenwassermassen nicht mehr abführen; diese treten aus den Kanälen aus, überfluten Straßen und Keller.
Auf unser Schreiben mit den 16 Fragen hierzu hat das TBA nach 2 Monaten mit nur wenigen knappen Sätzen geantwortet, ohne auf die gestellten Fragen einzugehen.
So heißt es zu den Fragen nach der Verringerung der Abflußleistung, den hydraulischen Nachweisen und dem Rückstau nur: Auf Grundlage der vom Institut für Wasserbau der Uni Karlsruhe durchgeführten hydraulischen Modellversuche wurde die Freigabe erstellt.
Auf die Fragen, wie die Dükerrohre gereinigt werden, in welchen Zeitabständen dies geschehen muß und welche zusätzlichen Kosten dadurch entstehen, wer diese dann tragen soll und wie sich die Abwasser-Gebühren für die Bürger Stuttgarts dadurch erhöhen, antwortet das TBA zusammenfassend: Inspektion, Unterhaltung und Reinigung des Kanalnetzes einschließlich Sonderbauwerke – darunter zahlreiche Düker – werden von der Stadt Stuttgart nach den Regel der Technik bedarfsorientiert durchgeführt.
Als Krönung des Ganzen noch diese Vorbemerkung: Vorausschicken möchte ich, daß der Hauptsammler Nesenbach auch künftig dem Kanalnetz der Landeshauptstadt Stuttgart uneingeschränkt zur Verfügung steht.
Diese Aussage ist hinsichtlich des größten abführbaren Abflußstroms schlicht unzutreffend! In der Ausstellung am Neckartor ist für den Nesenbachkanal ein größter abführbarer Ablaufstrom von 100 m³/s angegeben. Der Nesenbachdüker ist mit einem Gesamt-Querschnitt von 24,6 m² geplant; dies bedingt eine Fließgeschwindigkeit von 4,06 m/s. Die Strömungswiderstände des Dükers erfordern eine zusätzliche Druckverlusthöhe von 0,82 m, die aber nicht vorhanden ist. Deshalb kann der Nesenbachkanal nach Einfügen des Dükers keine 100 m³/s mehr abführen; es werden dann wohl nur noch ~80 m³/s sein! Also wird die Abflußleistung des Nesenbachkanals gegenüber dem heutigen Zustand um etwa 20 % deutlich verringert und die Überschwemmungsgefahr der Innenstadt bei einem schweren Sturzregen, wie er immer wieder mal vorkommt, erheblich vergrößert! Für die anderen Abwasser-Hauptsammler gilt gleiches.
Wenn zukünftig wegen der Düker diese Wassermassen nicht mehr abfließen können, wird sich vor dem Tiefbahnhofswall ein bis zu 2,5 m tiefer Stausee bilden und dabei die Unterführung der Klettpassage und über den Hauptzugang auch die Tiefbahnhofshalle überfluten! Welch ein Schwabenstreich!
Die Inkaufnahme einer verringerten Abflußleistung der Abwasser-Kanäle Stuttgarts wegen S21 ist angesichts der Überflutungsgefahren bei Sturzregen nicht zu verantworten und nicht hinnehmbar!
Auch deshalb: Kein Stuttgart 21! Oben bleiben!
Meine Strömungslehreprüfung war gruselig, hat aber dann doch geklappt. Heydemanns Einwendungen sind schlüssig und präzise. Seine Fragen nicht zu beantworten ist verantwortungslos. Es sieht danach aus, als ob es keinen Platz für das fehlende notwendige Gefälle von 0,82m des Nesenbachdüker gibt, außer in der Grundgipsschicht. Nach bisherigen Erfahrungen mit fehlenden Notwendigkeiten, doppelgleisige Kurven, Brandschutz … muß damit eine noch größere Schweinerei vertuscht werden. In diesem Fall ist das Naheliegendste das Ende der Mineralwässer. Heydemann als Sprecher der Ingenieure keine öffentliche Spekulation abgeben, aber das hier springt ins Auge.
In Ergänzung zu der ausgezeichneten Darstellung von Herrn Heydemann:
Die Überbauung des Gleisvorfeldes führt zu neuen mikroklimatischen Verhältnissen mit verheerenden Folgen: die hohe Aufnahme von Wärmeeinstrahlung im Sommer tagsüber führt zu thermischen Verhältnissen, die sich bildende Gewittertürme über der Stadt über das bisher gesehene hinaus hoch kochen werden. So ist mit bedeutend mehr Regen bei Gewittern zu rechnen als bisher, wobei man die Wirkung der so entstehenden starken Abwinde noch nicht abschätzen kann, wenn diese in den Kessel fallen. Ich könnte mir da ziemlich heftige neuartige Sturmböen vorstellen.
Dazu bildet diese neu überbaute Fläche nachts einen thermischen Riegel zum mechanischen des Halbtiefbahnhofs, der den nachts einsetzenden Talwind, minimal aber doch vorhanden, im Kessel staut und damit eine Luftzirkulation unterbindet.
Das Atmen in Kessellage wird im Sommer vor allem des nachts in der Rekreationszeit schwerer werden. Dazu erhöhter Feinstaub in der Luft usw.
Oben bleiben und im Licht der Sonne leben und fahren!
Sorry, das musste in meinem Beitrag statt Talwind Bergwind heissen, der nach dem Verschwinden der Sonne einsetzt und das Talwindsystem ersetzt. Besonders ausgeprägt in den Himalayatälern zu beobachten. Im Talkessel Stuttgarts wohl kaum zu bemerken aber trotzdem minimal vorhanden. Und eben weil das das Sytsem so schwach ist ist jedes Hindernis und da vor allem der neue thermische Riegel am Talkesselausgang ein Riesenhindernis für den Luftabfluss und damit Nachfliessen kühler und frischer Luft. Sehe gerade den Fehler beim Durchlesen.