Aktionsbündnis schreibt an den Aufsichtsrat der Bahn und an den Bundesfinanzminister

Pressemitteilung
Stuttgart, 1. März 2013

Aktionsbündnis schreibt an den Aufsichtsrat der Bahn und an den Bundesfinanzminister

„Der Ausstieg ist einer Fortführung von

Stuttgart 21 vorzuziehen“

Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG soll in seiner Sitzung am 5. März 2013 die Beschlussvorlage des Bahnvorstands ablehnen und statt dessen auf einen Grundkonsens mit den Vertragspartnern von Stuttgart 21 hinwirken. In einem entsprechenden Schreiben vom 28. Februar 2013 an alle Mitglieder des Gremiums nennt Dr. Eisenhart von Loeper, Rechtsanwalt und Sprecher des Aktionsbündnisses gegen Stuttgart 21, dafür fünf zu erfüllende Punkte:

a) Für das Projekt Stuttgart 21 tritt ein sofortiger Bau- und Vergabestopp in Kraft.
b) Es wird wechselseitig anerkannt, dass der Finanzierungsvertrag vom 2. April 2009 nicht mehr erfüllbar ist.
c) Dementsprechend schuldet keiner der bisherigen Vertragspartner mehr Leistungen und Zahlungen für das Projekt Stuttgart 21.
d) Verhandlungen über die Art und Weise des qualifizierten Abschlusses aus dem Projekt sollen aufgenommen werden.
e) Es sollen konstruktive Vorschläge ausgetauscht und sinnvoll geklärt werden, auf welchem Wege eine partnerschaftliche Verständigung – mit bürgerschaftlicher Beteiligung – zu erreichen ist, um in den kommenden Monaten die anstehenden wesentlichen Fragen zur Verbesserung des Bahnknotens Stuttgart zu beantworten und gefundene Lösungen zu realisieren.

Auf sieben Seiten erläutert von Loeper die Gründe für diese Forderungen. Erstens sei die Wirtschaftlichkeit des Großprojekts nicht mehr gegeben. Im zehnjährigen Projektverlauf seien über den bereits um 2,3 Milliarden gesprengten Kostendeckel hinaus weitere Mehrkosten in Milliardenhöhe zu erwarten. Jeder Weiterbau schaffe Fakten, die einen Zwang zur Zustimmung für weitere Mehrkosten in sich bärgen. Würde der Aufsichtsrat dies billigen, käme er seiner Überwachungsaufgabe nach Paragraf 111 Aktiengesetz nicht nach.

Zudem seien die tatsächlichen Kosten eines Ausstiegs aus S 21 mit rund 400 Millionen Euro wesentlich geringer als die vom Bahnvorstand behaupteten zwei Milliarden Euro. So rechne der Vorstand entgehende Einnahmen wegen der Rückabwicklung des Grundstücksverkaufs in seine Bilanz der Ausstiegskosten hinein, lasse aber die einzusparenden Ausgaben – den Eigenanteil an den Baukosten in Höhe von 2,859 Milliarden Euro – zugleich unter den Tisch fallen. Außerdem koste die Sanierung des Kopfbahnhofs die Bahn auch dann Geld, wenn S 21 weitergebaut werde. Insgesamt sei die von der Bahn eingestandene minimale Wirtschaftlichkeit des Projekts in Wahrheit aus zahlreichen Gründen jetzt schon eindeutig auszuschließen.

Völlig ausgelassen habe der Bahnvorstand auch zahlreiche Fragen, die ebenfalls für die Entscheidung des Aufsichtsrates eine wichtige Rolle spielten: So sei mit dem Projekt „Stuttgart 21“ nachweislich ein Rückbau der Kapazität des Stuttgarter Hauptbahnhofs verbunden. Jeder Baufortgang sei daher schädlich mit gewaltigen, rechtswidrigen Folgen. Wegen einer Klage der Privatbahnen könne das Gleisvorfeld auch gar nicht entwidmet werden. Die beim Bundesverfassungsgericht laufenden Verfahren enthielten für die Bahn ein hohes Risiko des Bauabbruchs und des Verbots der Mischfinanzierung. Mit falschen Angaben erschlichene EU-Subventionen müssten zudem möglicherweise zurückgezahlt werden.

Ein Ausstieg sei daher einer Fortführung des Projekts vorzuziehen. Den Weg dafür bereiten könnte eine Zurechnung von Kosten auf die Projektpartner.

Zwei Tage zuvor hatte Eisenhart von Loeper Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble in einem Brief darauf hingewiesen, dass ihm das Machtwort - „Stuttgart 21 wird gebaut“ - nach dem Aktienrecht gar nicht zustehe. Denn demnach habe allein der Aufsichtsrat „einzuwirken auf das wirtschaftliche, ordnungsgemäße und rechtmäßige Handeln des Vorstands der Deutschen Bahn AG“. So habe das Gremium auch zu klären, „ob der Ausstieg aus S 21 geboten ist“.

Schäubles These vom „gesamtstaatlichen Interesse“ widersprach der Bündnissprecher mit dem Argument, es liege „sicher nicht im Interesse des Gemeinwohls, einen weder vollständig geplanten noch ausreichend finanzierten Bahnhof mit zweistelligen Steuermilliarden in den Stuttgarter Untergrund zu setzen – einen Bahnhof, der die Verkehrskapazität in der Spitzenstunde von gegenwärtig 50 auf 32 Züge senken und schwerwiegende, ungelöste Mängel in sich bergen würde, zum Beispiel den fehlenden Brandschutz, die Gefahren verdoppelter Grundwasserentnahme sowie eine regelwidrig hohe und deshalb gefährliche Gleisneigung. All dies würde bezahlt auf Kosten einer funktionsfähigen Bahninfrastruktur im ganzen Bundesgebiet. Unter diesen Umständen brächte jeder Weiterbau eine unverantwortliche Veruntreuung des Vermögens der Gemeinschaft.“

Anlagen:
- Brief an die Aufsichtsratsmitglieder der Deutschen Bahn AG vom 28. Februar 2013
- Brief an den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble vom 26. Februar 2013

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