Hier präsentieren wir Ihnen noch das Schlusswort von Parkschützerin Myriam Rapp bei ihrem Prozess wg. Ankettens an einen Baum und an den Südflügel am 30.1.2013. Siehe auch die Einlassung Teil 1 und Teil 2.
Ich fühle eine große Verantwortung für die zukünftigen Generationen; nicht zuletzt weil ich viele Kinder ein Stück ihres Lebensweges begleitet habe. In diesem Sinne sehe ich es als richtig und wichtig an, mich auf friedliche Weise für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen und sinnvoller Infrastrukturen einzusetzen.
Seit 2009 beteilige ich mich intensiv an der Sammlung von Unter- schriften und der Verteilung von Informationsmaterialien gegen S21. Beispielsweise habe ich die Eltern im Kindergarten über die Proble- matik von S21 informiert. Von Beginn an bis heute habe ich mich an der Organisation und Durchführung der Mahnwache beteiligt und habe viele Aktionen und Demonstrationen mitgestaltet. Auf eigene Kosten bin ich zusammen mit vielen Mitstreitern in andere Regionen Baden-Württembergs gefahren, um über das Tunnelvorhaben aufzuklären.
Meine Erfahrungen zeigen mir, dass es sehr schwer ist, sich in der breiteren Öffentlichkeit und der Politikdamit Gehör zu verschaffen. Entweder wird gar nicht über uns und unsere Argumente berichtet – oder verspätet – oder es werden Halbwahrheiten verbreitet!
Immer wieder bedrängte mich die Vorstellung, dass es keine Instanz zu geben scheint, die einschreitet, wenn z. B. Parlamentarier von Regierungsmitgliedern oder der Bahn belogen werden, oder wenn der sogenannte Stresstest manipuliert wird. Ich fand und finde das sehr bedenklich.
Für mich ging es darum, sowohl bei der Aktion am Südflügel als auch bei der im Schlossgarten ein möglichst starkes symbolisches Zeichen zu setzen, das von Herz und Verstand getragen ist und bei allen anderen Menschen Herz und Verstand ansprechen soll. Mein Ziel war, mit einem starken Bild die Öffentlichkeit zu erreichen und deutlich zu machen, dass es nicht akzeptabel ist, so viel Zerstörung hinzunehmen für ein so sinnloses Vorhaben wie S21.
Bewusst haben Nina Picasso und ich entschieden, dieses Anliegen in einer gemeinsamen Aktion auszudrücken und dafür auch Unannehmlichkeiten in Kauf zu nehmen.
Selbstverständlich haben wir uns nicht der Illusion hingegeben, dass wir damit das Tunnelvorhaben S21 tatsächlich verhindern können. Es war uns bewusst, dass die Polizei die Mittel hat, uns dort schnell wegzuholen und dies ohne große Anstrengungen oder großen Aufwand. Wie anfangs bereits geschildert, sind uns die Polizisten freundlich begegnet – und wir ihnen auch. Wir haben uns jederzeit kooperativ verhalten.
Für mich ist es absurd, hier von Gewalt zu sprechen. Ich beantrage deshalb Freispruch.
Danke für diese starke Öffentlichkeitsarbeit und die Rechtfertigung dieser ausßergewöhnlichen Protestmethode. Es geht eben nicht darum, dass man, weil man im demokratischen Prozess unterlegen war, jetzt zu äußersten Mitteln greift. Dem illegitimen Vorgehen der Bahn und ihrer Projektpartner, die den demokratischen Prozess durch systematische Täuschung, Untreue und Rechtsmissbrauch pervertiert haben, muss etwas Adäquates entgegengesetzt werden. Der Zusammenhang zwischen schwerem Unrecht auf Seiten der Bahnmanager und der lediglich symbolischen Regelverletzung der Protestierenden muss hergestellt werden. Das Gericht ist kaum in der Lage, einen Freispruch zuzugestehen; aber Richter können trotz allem ein mildes Urteil fällen und vor allem eingestehen, dass sie die Motive nachvollziehen können. Dann bewegt sich auch an anderer Stelle etwas. Und schließlich könnte dann eine Einsicht auch einmal in den normalen Printmedien veröffentlich werden. Das muss unser Hauptziel sein.
Gott sei Dank ist es so in unserem Rechtssystem, dass Straftatbestände nicht gegen einander verrechnet oder aufgewogen werden können.
Nur ist es leider so und wie es hier wieder einmal mehr gezeigt wird: die Grossen lässt man laufen, die Kleinen werden gehängt, hier gar noch weniger als die Kleinen: es wurde mit dieser Protestaktion mit angemessenen Mitteln auf Straftatbestände, nicht nur mutmassliche, hingewiesen, die in der Öffentlichkeit als solche nicht wahrgenommen werden .
Wäre ich Richter, dann würde ich auf die hier vorliegende Unrechtssituation, die die Beklagte zu diesen Aktionen gedrängt hätte verweisen
und den Fall als besondere Zivilcourage herausstreichen, für die unsere Gesellschaft das Strafrecht in seiner Perversion anzuwenden hat. Warum darf ein Richter nicht auch einmal offen die Situation rügen, in die ihn das Gesetz bringt???
Auf so etwas wartet man draussen wohl vergeblich, obgleich es der Weiterentwicklung unserer Demokratie nur gut täte, wäre doch ein solches Urteil eine Schelte des Gesetzgebers, der zum Handeln gezwungen würde, Richter in Zukunft nicht in die Situation des Strafenden dort zu bringen, wo sie in Vertretung unserer Gesellschaft den Angeklagten mit der Entlastung zugleich zu loben hätten.
Auf solch eine Entwicklung können wir bis zum St. Nimmerleinstag warten. Ein Beamter möchte schliesslich auch nach oben und die Signale aus der Politik stehen bei diesem Projekt bei einem solchen Verhalten eines Richters eben nicht auf Karriere. Seufz.
Und Dank an Frau Rapp für ihren Mut und ihren Einsatz gegen das Unrecht, die Denkfaulheit, Bequemlichkeit und das Versagen der 4. Gewalt, auf der allein dieser ganze Unrat, wie wir ihn bei S21 wahr(!)-nehmen, schwimmen kann!