Finanzierungsvertrag einhalten = Stuttgart 21 jetzt abwickeln
Stuttgart, 28. Dezember 2012: Mit Masken, Kettensägenlärm und Tierbildern aus dem Rosensteinpark warnen die Parkschützer den Finanzminister heute vor einer blinden Unterschrift unter den Gestattungsvertrag für die Zerstörung des Rosensteinparks. Die Bahn hat den Kostendeckel gesprengt, damit ist die Finanzierung für das Milliardengrab S21 geplatzt und die Projektpartner – also auch Finanzminister Nils Schmid – sind verpflichtet, jetzt genau das zu tun, was im Finanzierungsvertrag für diesen Fall festgelegt ist: Stuttgart 21 abwickeln.
Wörtlich heißt es im Finanzierungsvertrag: „Kann danach [nach dem 31.12.2009] die Finanzierung nicht sichergestellt werden, wird das Projekt qualifiziert abgeschlossen.“ (§2 Abs. 2, auf S.6); Dabei ist genau geregelt, was unter einem 'qualifizierten Abschluss' zu verstehen ist: „Herstellung eines verkehrssicheren Betriebszustandes (kein Provisorium), der Verkehrsleistungen in dem Zustand, wie sie vor Beginn des Projektes möglich waren, ermöglicht“. Ebenso geregelt ist, wer die Kosten trägt: diese werden „von den EIU zu 60% und vom Land zu 40% getragen“ (EIU: Eisenbahninfrastrukturunternehmen, d.h. die Bahn und ihre Töchter). Finanzierungsvertrag als durchsuchbares PDF.
„Der Fall, dass die 'Finanzierung nicht sichergestellt' werden kann, ist nun definitiv, erklärtermaßen und öffentlich anerkannt eingetreten“ sagt Matthias von Herrmann, Pressesprecher der Parkschützer. „Deshalb müssen Bahn und Land jetzt genau die Konsequenzen ziehen, die der Finanzierungsvertrag vorsieht: Stuttgart 21 abwickeln. Schon gar nicht darf Nils Schmid nun einen Gestattungsvertrag unterschreiben, der es der Bahn ermöglicht, auch noch den Rosensteinpark zu zerstören. Vielmehr muss der Finanzminister das durchsetzen, was im Finanzierungsvertrag ebenfalls klar geregelt ist: Angesichts der enormen Kostensteigerungen darf die Bahn ohne Plazet des Lenkungskreises gar nichts tun! Und schon gar nicht einfach weitermachen oder gar Bäume fällen.“
Der Rosensteinpark ist wie der Schlossgarten Eigentum des Landes Baden-Württemberg und wird vom Finanzministerium verwaltet. Für Arbeiten jeglicher Art im Rosensteinpark benötigt die Bahn als Bauherr die Zustimmung des Landes, also einen sogenannten Gestattungsvertrag. Der von der Bahn vorgeschlagene Vertragsentwurf liegt dem Finanzminister seit einer guten Woche vor. Das Verkehrsministerium und die Landtagsgrünen appellierten bereits an Nils Schmid, den Vertrag nicht zu unterschreiben, angesichts der geplatzten Finanzierung und den großen Zweifeln an der Umsetzbarkeit des Tunnelprojekts Stuttgart 21.
Im Finanzierungsvertrag wird wiederholt betont: Wenn es um Kostensteigerungen geht, hat der Lenkungskreis zu entscheiden – solange eine Entscheidung des Lenkungskreises aussteht, hat die Bahn nicht das Recht, 'einfach mal zu machen'. So steht z.B. in §3 Abs. 7, S. 10: „Werden - betrachtet über alle Gewerke - Kostensteigerungen nicht durch Einsparungen oder Chancen ausgeglichen, so bedarf es nach Maßgabe des nachfolgenden §13 Abs. 2 einer Entscheidung des Lenkungskreises. […] Sind das Land und seine Partner der Auffassung, dass Kostensteigerungen nicht durch die aufgezeigten Einsparungen oder Chancen ausgeglichen werden können, so können sie den Lenkungskreis anrufen.“
Verstehendes Lesen ist schon schwer. Dass der Kostenrahmen gerissen wurde, heißt nicht automatisch, dass die Finanzierung nicht sichergestellt ist.
Hier wird behauptet:
„Wörtlich heißt es im Finanzierungsvertrag: „Kann danach [nach dem 31.12.2009] die Finanzierung nicht sichergestellt werden, wird das Projekt qualifiziert abgeschlossen.“ (§2 Abs. 2, auf S.6)“
Tatsächlich lautet der Passus aber wie folgt:
„Für den Fall, dass nach Abschluss der Entwurfsplanung, spätestens jedoch bis zum 31.12.2009, eine Erhöhung der für das Projekt aufzuwendenden Gesamtkosten zu erwarten ist, welche zusätzlich die unter nachfolgendem § 8 Abs. 3 vereinbarten Beiträge übersteigt, werden die Vertragsparteien Verhandlungen aufnehmen. Kann danach die Finanzierung nicht sichergestellt werden, wird das Projekt qualifiziert abgeschlossen.“
Wer hat denn den Stichtag 31.12.2009 sinnentstellend hinter „danach“ hineingemogelt?
Die Reihenfolge/ der Sinn der Regelung ist doch eine völlig andere:
Die geregelte Möglichkeit eines qualifizierten Abschlusses sollte nur bis zum 31.12.2009 gelten.
P.S. Zu diesem Zeitpunkt sprach Dr. Grube von der Sollbruchstelle bei 4,5 Mrd.
Nachdem nun aber weitere Verträge geschlossen und weitere Bauarbeiten bereits durchgeführt oder begonnen wurden, verschiebt sich eine solche Zahl betriebswirtschaftlich natürlich.
Allerdings kann die DB nach dem 31.12.2009 ja nun gar nicht mehr aussteigen, die zitierte Regelung ist zeitlich überholt.
Noch ein P.S.
„Ebenso geregelt ist, wer die Kosten trägt: diese werden „von den EIU zu 60% und vom Land zu 40% getragen“ “
ist auch unvollständig zitiert, da der Anteil des Landes sich auf Beitrag dessen Gesamtanteil am Projekt beschränkt.
Auch daraus ist erkennbar, dass diese Regelung nur bis zum 31.12.2009 gelten sollte.
Denknotwendig werden die Rückabwicklungskosten nach Baubeginn irgendwann mal einen Betrag erreichen, welcher durch diese Regelung nicht mehr abgedeckt ist.
Die DB ist dann aber auch nicht verpflichtet, diese Kosten selbst zu tragen.
Man ging seinerzeit davon aus, dass eine solche Möglichkeit bis zum 31.12.2009 nicht eintreten wird, was bei den zum VE benannten Ausstiegskosten ja auch nicht der Fall gewesen wäre.
Seither haben aber viele Vergaben stattgefunden, die Tunnelbormaschine ist fertig, das Technikgebäude wird gerade gebaut, das Gleisvorfeld ist umgebaut usw. …
Schon aus Gründen der Vertragssicherheit kann es also nicht sein, dass diese Regelung über den 31.12.2009 anwendbar ist.
Warum dies durch die Juristen zu S 21 dennoch behauptet wird, erschließt sich mir nicht.
Richtig müsste man also schreiben:
Kann danach (nach Abschluss der spätestens am 31.12.2009 aufzunehmenden Verhandlungen) die Finanzierung nicht sichergestellt werden, wird das Projekt qualifiziert abgeschlossen.
Ein letztes P.S.
Falls die DB, wie Dr. Grube ja u.U. schon einräumte, aufgrund von Planungsfehlern / vergessenen Kostenfaktoren vor dem Stichtag zu geringe Kosten angab, muss man eben sinngemäß prüfen wie dann zu verfahren ist.
Die DB kam dabei offenbar zum Ergebnis, dass sie DIESE Kosten wohl selbst tragen muss.
Könnte das Land beweisen, dass es ausgestiegen wäre, wenn es von höheren Zahlen gewusst hätte, wäre die Bahn wohl jedenfalls in der Pflicht.
Allerdings spricht bereits dagegen, dass das Land und die Stadt das Projekt unbedingt wollten und die DB kein höheres Kostenrisiko eingehen wollte, wie im es Vertrag ja ausdrücklich ausgeführt wird.
Dagegen spricht auch, dass es das Land war, welches die Zahlen des Bundesrechnungshofes nicht publik machen wollte, welche ja dennoch bereits damals der Tagespresse entnommen werden konnten.
Pingback: S 21 – Presseerklärung: Hände weg vom Rosensteinpark, Herr Schmid! « rauscherpeter