Ein Offener Brief der „TheologInnen gegen S21“ an den Landesbischof der Ev. Kirche in Württemberg Frank Otfried July, der Bezug nimmt auf seine Äußerungen zu „Stuttgart 21“ im Interview der Stuttgarter Zeitung vom 21.11.2012 s. HIER.
„Theologinnen und Theologen gegen Stuttgart 21“
Offener Brief an den Landesbischof der Ev. Kirche in Württemberg Frank Otfried July
Anstatt die Auseinandersetzungen um S21 als ungue „Polarisierung zu disqualifizieren, sollte die Kirche diese begrüßen als notwendigen Diskurs über ein umstrittenes Projekt.
Kirche leistet nur dann einen glaubwürdigen und wirkungsvollen Beitrag zum Frieden, wenn sie die Frage nach Wahrheit und Gerechtigkeit dabei nicht ausklammert.
Die Forderung, mit sachlichen Argumenten zu streiten, muss an die Betreiber des Projekts gerichtet werden – von den Kritikern wird sie längst eingelöst.
Sehr geehrter Herr Landesbischof July!
Sie haben sich in einem Interview der Stuttgarter Zeitung zur Rolle von Kirche und Theologie im Konflikt um das Projekt „Stuttgart 21“ geäußert. Für uns als Mitglieder der Initiative „Theologinnen und Theologen gegen S21“ sind Ihre Äußerungen dazu nicht nachvollziehbar. Ihnen oder Ihrer Presseabteilung kann nicht entgangen sein, dass unsere Initiative seit zwei Jahren eine sachliche, theologisch fundierte Auseinandersetzung mit dem Projekt führt.
Wir haben dazu eine „Gemeinsame Theologische Erklärung“ veröffentlicht (http://s21-christen-sagen-nein.org/gemeinsame-erklarung-von-theologinnen/). Seit Jahren finden zahlreiche Gottesdienste und Andachten dazu statt, zu denen Hunderte suchender Menschen regelmäßig kommen. Wir haben uns immer wieder öffentlich geäußert, Kolleginnen und Kollegen angeschrieben, Diskussionen geführt. Ihnen persönlich haben wir mehrfach das Gespräch angetragen.
Wenn eine ganze Stadt, ja, ein ganzes Land, wegen dieses Projektes gespalten ist, kann Kirche nicht lediglich als Moderatorin auftreten oder sich gar ganz heraus halten. Denn dann geht es nicht mehr lediglich um „Technik- und Planungsfragen“. Wenn ein Bahnhof 10 Jahre lang ohne genehmigungsfähigen Brandschutz geplant wird, dann geht es nicht mehr um wertfreie Planung, sondern um eine wesentliche ethische Frage des Lebensschutzes.
Für uns wirft dieses Projekt eine Vielzahl weiterer ethischer und theologischer Fragen und Probleme auf. Um nur einige zu nennen: Umgang mit dem Geld der Steuerzahler, Zerstörung von Natur, einseitige Bereicherung von Investoren, Missachtung der Belange von Menschen mit Behinderung, Energieverschwendung, gesetzeswidriger Rückbau des (aus ökologischen Gründen eigentlich unbedingt zu erweiternden) landesweiten Bahnverkehrs und, und, und…
Biblisches Verständnis von „Frieden“ schließt Wahrheit und Gerechtigkeit mit ein. Wir sehen auf Seiten der Projektbetreiber die Wahrheit massiv verletzt. Alle Argumente, mit denen das Projekt jahrelang propagiert worden ist, haben sich inzwischen als Interessen geleitete Zweckpropaganda erwiesen. Um auch hierzu nur einige zu nennen: „Doppelte Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs“, „24 000 neue Arbeitsplätze durch S21“, „Anschluss an die Magistrale“, „Ökologische Stadtentwicklung“, „Barrierefreiheit“, „Schub für die Wirtschaftskraft Baden-Württembergs“ usw.
Wenn ein Projekt derart umstritten ist wie S21 (und mittlerweile zum Symbol der Glaubwürdigkeitskrise der Politik geworden ist), dann darf Kirche sich nicht nur dazu äußern, dann muss sie es. Und wenn sie nicht selbst dazu Position beziehen will oder kann, dann muss sie im Sinne der Denkschriften der EKD an die Verantwortlichen die richtigen Fragen stellen.
Wir suchen den Dialog und tragen Ihnen hiermit erneut das Gespräch über Stuttgart 21 und seine theologischen Implikationen an.
Mit freundlichen Grüßen,
im Namen der „Theologinnen und Theologen gegen S21“
Burkhard Bartel, Eberhard Dietrich, Friedrich Gehring, Michael Harr, Gunther Leibbrand, Guntrun Müller-Enßlin, Martin Poguntke, Wolfgang Schiegg, Martin Schmid-Keimburg
Martin Poguntke, martin.poguntke@online.de, www.s21-christen-sagen-nein.de
Vielen Dank für eueren mutigen und fundierten Brief.
Nun liebe Theologen , auch Kirche betreibt Politik; siehe Rom. Desweiteren bekommt ihr vieleicht auch die Einsicht , das es auch bei der Kirche Verlogenheit, z.T. auch kriminelles Verhalten gibt. Deshalb macht weiter mit euerem Protest !!! Hier bei S21 geht es auch um Ethik, Glaubwürdigkeit,Menschenrechte ( Behinderte u. andere Gebrechliche ).
Ihr gemeinsamer Brief hat mich sehr
gefreut. Die ev. Kirche war schon immer auf der Seite der Regierenden. So hat sie bereits lange vor 1933 den Antisemitismus begründet und den ev. Hassprediger Stoecker unterstützt. Auch die heute noch posthum verehrte Herzogin Wera gehörte zu seinen Anhängern. Die ev. Kirche muss sich insoweit wandeln. Wir muessen sie in unsere Gebete einschließen.
Herzlichst
Ihr Gerhard Hiller
Wenn sich die Kirchen nicht in die aktuellen Ungerechtigkeiten einmischt, bzw. sich im Gottesdienst damit auseinandersetzt,wird sie unlebendig und weltfremd. Sie muß es schaffen die Gemeindemitglieder zum Nachdenken zu bringen Die Parkgebete im Freien, im Stehen bei Hitze und Kälte, sind besser besucht als die meisten Kirchen.
Zerstörung der Natur,Infrastrukturrückbau (Stresstestbetrug) der Bahn, „Behinderten muß im Brandfall geholfen werden“, Fehlende Aufarbeitung des 30.9.2010, Sonntagsarbeiten (Rodung vor Wagenburgtunnel) , Betrügereien, Intransparenz…Schere zwischen arm und reich,marodes Gesundheitssystem, Renten, marode Schulen…
Das sind Themen, die gut zu vielen Bibeltexten passen.
Ob Herr July wenigstens den Theolog/innen antwortet ?
Ich habe von ihm bisher noch keine meiner mails beantwortet bekommen.
Das Interview mit July offenbart vor allem die gänzlich unchristliche Arroganz der Kirchenoberen und den völligen Unwillen sich gesellschaftlichen Auseinandersetzungen in einer Weise zu stellen, die befriedend wirkt, ohne den Konflikt zuzukleistern. Das kirchliche Geschwätz vom Frieden richtet sich immer nur gegen die, die Veränderung und ein besseres Miteinander wollen, eben den Stachel im Fleische kirchlichen Nichtstuns zum Erhalt der bestehenden Verhältnisse. Alleine die Idee ein Gespräch zwischen Frau Müller-Enßlin und Pfarrer Bräuchle herbei zu führen, ist einfach eine bodenlose Respektlosigkeit gegenüber der Arbeit und dem Engagement von Frau Müller-Enßlin. Nicht zu registrieren, wie sehr sich die Bürger um sachliche Information bemühen und gleichzeitig festzustellen, in welch übler Weise von der Proseite mit Leuten wie Bräuchle gehetzt, gelogen und selbst vor Zerstörungsaktionen gegen Gegner dieses Projektes nicht zurückgeschreckt wird. Noch immer sind zerstochene Autoreifen und zerkratzte Autos ein probates Mittel der Proseite in dieser Auseinandersetzung. Die Lügen des Desinformationsbüros sind nur die andere Seite dieser Missachtung der Bürger der Stadt.
Insofern ist dieser Brief zu begrüßen, auch wenn ich es für ziemlich sinnlos halte mit Leuten wie July zu reden. Das ist reine Zeitverschwendung.