Als Reporter und Fotograf war Wolfgang Rüter kurz nach dem Zugunglück im Hauptbahnhof am Samstagmittag vor Ort und hat einen Kurzbericht sowie etliche Fotos mitgebracht:
"Sicher kann man sich als FahrGAST der DB heute nicht mehr fühlen, besonders nicht in Stuttgart. Bereits zum zweiten Mal innerhalb von nur zwei Monaten ist an der Weiche 227 a/b im Gleisvorfeld ein Zugunglück passiert. Dieses Mal aber weitaus schlimmer als beim ersten Mal. Es gab etliche Verletzte und der vollbesetze Zug musste von Rettungskräften und der Feuerwehr über die Gleise hinweg evakuiert werden. Davon abgesehen bekamen auch andere Fahrgäste weiträumig um Stuttgart herum das Zugunglück zu spüren. Viele, die z.B. mit der S-Bahn zum Flughafen wollten, haben ihren Flieger nicht bekommen. In den auf den Strecken haltenden Zügen wurden die Fahrgäste oftmals im Unklaren gelassen und mit nichtssagenden Durchsagen desinformiert. Das Chaos war perfekt, der DB-Service in den Zügen und später auch in der Stuttgarter Bahnhofshalle war eine Katastrophe. Der entgleiste Zug hatte (wohl auch in einer viel zu eng gebauten Kurve mit Weiche, ähnlich wie bei einem Zugunglück in Berlin, wo das EBA daraufhin den Zugverkehr an dieser Stelle verbot) mehrere Oberleitungsmasten umgerissen. Diese Masten waren dadurch auf das Dach der Lok gefallen und stellten eine zusätzliche Gefahr für die Fahrgäste dar. Man kann nur hoffen, dass die Betrofffenen tausendfach Schadensansprüche gegenüber der DB stellen und ihre Rechte einfordern, denn höhere Gewalt war das hier mit Sicherheit nicht."
Ein Bahn-Insider gab dazu folgendes Statement ab: "Die Unfallbilder zeigen die gleiche Ursache wie bei der vorherigen Entgleisung.: Im durch das Großprojekt S21 verkürzten Gleisvorfeld wurden so enge Gleis- und Weichenradien eingebaut, dass bei schiebendem Triebfahrzeug die meist beladenen WAgen aus dem Gleis bogenauswärts gedrückt werden - wieder ein Umstand, der bei der Planung offensichtlich nciht berücksichtigt worden war."
Zu dem Satz „wurden die Fahrgäste oftmals im Unklaren gelassen und mit nichtssagenden Durchsagen desinformiert“ erlaube ich mir, das Statement einer Parkschützerin aus dem PS-Forum hier zur Ergänzung einzustellen. Denn die Durchsagen in manchen Bahnen waren offenbar aus Unwissenheit oder Bosheit teils so formuliert, dass unter den Fahrgästen der Eindruck entstand, wir, die Bewegung, seien schuld an dem Chaos. Ein zusätzlicher Skandal, der nicht unter den Tisch fallen darf.
Hier der diesbezügliche Augen- und Ohrenzeugenbericht einer tapferen S-Bahn-Nutzerin:
„Der heutige Anreisetag nach Stuttgart war für mich wieder ein Beispiel wie gegen uns Stimmung gemacht wurde.
In der S6 kam ständig die Mitteilung, die S-Bahn kann den Bahnhof nicht anfahren, da sich Personen auf den Gleisen befinden. Bei der ersten Durchsage wusste ich noch nicht, was passiert war. Aber in der S-Bahn kam sofort die Äusserung von „den blöden Stuttgart-21-Demonstranten“.
Bei der zweiten Durchsage wusste ich mittlerweile, warum der Bahnhof gesperrt wurde, und es gab für mich kein Halten mehr, den Leuten in der S-Bahn lautstark zu erläutern, dass dort ein Zug entgleist ist, den sicherlich kein Demonstrant umgeworfen hat. Und überhaupt sollten sie doch mal endlich ihr Hirn einschalten, sich besser mal fragen, warum dort nun in kürzester Zeit schon wieder ein Zug entgleiste.
Ich war auf 180 und habe jedem, der nur eine blöde Äusserung machte, zu verstehen gegeben, das dies nur ein kleiner Vorgeschmack ist für die nächsten 20 Jahre, falls denn der Murks überhaupt gebaut wird.
Richtig zornig war ich über die Durchsagen des Schaffners, immer wieder diese blöde Aussagen, es befinden sich Menschen auf den Gleisen, kein Wort von dem entgleisten Zug, kein Wort von der Beschädigung der Oberleitungen.
Das heute hat mir echt wieder gereicht. Die Leute sind so abgestumpft, vor lauter Lederhosen und Dirndl um mich rum, kam ich zu dem Schluss: Es juckt diese Leute einfach nicht, sie fanden es teilweise spassig und die, die sich ärgerten, haben es bis morgen eh vergessen, da sie sich alle auf dem Volksfest das Hirn zusaufen und dann eh nicht mehr wissen, was heute war.
In diesem Sinne: Falls ich die Möglichkeit gehabt hätte, zu dem Fahrer der S-Bahn vorzudringen, ich hätte ihm meine Meinung gesagt und vielleicht sein Mikro geklaut, um die Menschen in der S-Bahn die Wahrheit zu sagen.
Bin heute geladen und echt stinksauer.
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> „…es befinden sich Menschen auf den Gleisen…“ -kein Wort von dem entgleisten Zug, kein Wort von der Beschädigung der Oberleitungen- …abgestumpft, vor lauter Lederhosen und Dirndl um mich rum… haben es bis morgen eh vergessen, da sie sich alle auf dem Volksfest das Hirn zusaufen…
-haben wir auch so erlebt, kann ich bestätigen u erweitern:
wir waren wegen des unfalls den tag über im zugnahverkehr um stuttgart rum mit bw-ticket unterwegs -wir kamen ca eine stunde nach dem unfall aus karlsruhe an u wurden ein paar züge weiter hinten umdirigiert u durften in einen ice von stuttgart richtung münchen mitfahren u kamen dabei mit den insassen (viele davon von einer grossen reisegruppe zum oktoberfest nach münchen) ins gespräch, zumeist desinteressiert: wir teilten flyer aus…
mein eindruck: die einlullungsstrategien fruchten NOCH…!