Rede von Dipl-Ing. Hans Heydemann bei der Wasser-Demo vor dem Umweltministerium am Kernerplatz am Samstag, 14.7.2012
Grundwasser-Management - Stolperstein für S-21?
Die „Seifenblase Grundwasser-Management“ der DB ist also geplatzt; vorerst zumindest kann S-21 nicht weitergebaut werden, bevor nicht ein neues Planfeststellungsverfahren mit neuen Gutachten und mit Öffentlichkeitsbeteiligung durch ist.
Das kann dauern – und wir werden alle dazu beitragen durch viele tausend Einwendungen, daß sich das Verfahren in die Länge hinzieht, bis die Bahn vollends die Lust daran verliert und das Vorhaben endgültig aufgibt. Daran ändert auch die derzeitige verzweifelte Buddelei der Bahn für das Technikgebäude vor dem Nordausgang nichts – ohne das Grundwasser-Management geht gar nichts! Nach Recht und Gesetz ist auch dieses rechtswidrig!
Wie aber konnte es nur zu dieser für die Bahn verheerenden Entwicklung kommen, schien doch nach Streßtest und Volksabstimmung schon alles für die Bahn gelaufen? Schließlich handelt es sich doch um das angeblich „bestgeplante Vorhaben aller Zeiten“, nach 16 Jahren Planungszeit, mit hunderten bestbezahlter Experten und nahezu 300 Millionen Euro bislang vergeudeter Planungskosten!
Man erinnere sich: Die Bahn hatte 2001 den Planfeststellungsantrag für dieses unsinnige S-21-Vorhaben eingereicht mit der Angabe, es müßten während der Bauzeit insgesamt 3,2 Mio. m³ Grundwasser zum Trockenhalten der Baugruben abgepumpt und – nach Reinigung im GWM – wieder in den Untergrund eingeleitet werden, damit der Absenktrichter des Grundwassers nicht zu groß werde. Grundlage war ein Grundwassermodell, abgeleitet aus einer sehr begrenzten Anzahl von Meßwerten und als „verifiziert“ erklärt.
Den Antrag hatte das Eisenbahnbundesamt so genehmigt; die rd. 370 Einsprüche dagegen wurden vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim abgewiesen! Auf dieser Grundlage ist der Bahn Baurecht erteilt worden.
Im Sommer letzten Jahres wurde nun bekannt, daß jetzt von 6,8 Mio. m³ abzupumpender Grundwassermenge auszugehen sei, was mehr als eine Verdoppelung darstellt und auch 38 anstelle der ursprünglich angegebenen 23 Schluckbrunnen erforderlich machen würde. Hierüber hat die Bahn im März diesen Jahres einen „7. Planfeststellungs-Änderungsantrag“ beim Eisenbahn-Bundesamt eingereicht,– wohl in der Annahme, das werde dort schon durchgewunken. Wie man sich doch täuschen kann!
Nicht zuletzt wegen der beharrlichen und nachhaltigen Einsprüche von BUND, Landesnaturschutzverband und anderen beim EBA sowie der unermüdlichen „Aufklärungsarbeit“ unserer Fachleute aus dem Widerstand wie der Geologe Dr. Ralf Laternser und Dipl.-Physiker Roland Morlock in ihren Gesprächen mit dem Umweltministerium zum fehlerhaften Grundwasser-Modell der Bahn geht das nicht mehr so einfach. Diese Fachbehörden haben jetzt doch Bedenken angemeldet und fordern weitere Gutachten hierüber sowie ein neues Planfeststellungsverfahren.
In der Tat wird mit der mehr als verdoppelten Grundwasser -Entnahme die ursprüngliche Genehmigungsgrundlage verlassen; es ergeben sich neue und größere Risiken, viele ungeklärte Fragen tun sich auf.
Der Grundwasser-Absenktrichter wird sich durch die erhöhte Grundwasser-Entnahme vergrößern; das ergibt neue Betroffenheiten.
Welche Auswirkungen hat dies etwa auf die verbliebenen Bäume im Park? Werden die dann auch noch krepieren?
Wie verhält sich der Untergrund, dem einerseits Grundwasser entzogen, andererseits aber Grundwasser zugeführt werden soll? Bleibt er wirklich stabil, wie die Experten der Bahn behaupten? Oder muß doch mit Setzungen oder gar Hangrutschungen gerechnet werden, die zu Rißbildungen an den Gebäuden führen, zumal hier im steilen Kernerviertel? Und wer kommt für diese dann auf? Die Bahn sicherlich nicht; die wird noch nicht einmal die Beweislast tragen müssen!
Was ist, wenn gar die hohe Stützmauer an der Hausmannstraße hier oberhalb von uns nachgeben sollte? Stürzt diese ein, werden die darunterliegenden Häuser verschüttet, es wird Tote und Verletzte geben!
Beispiele für durch technische Eingriffe verursachte Geländehebungen und -Setzungen gibt es zuhauf, etwa in Oberstaufen im Badischen mit teilweise schweren Schäden an über 270 Gebäuden nach Erdwärme-Bohrungen, für die keiner aufkommt, nicht einmal die Elementarschaden-Versicherung!
So auch in Leonberg-Eltingen, wo nach einer Geothermie-Bohrung mit lediglich 15 cm Durchmesser letztes Jahr im Sommer an mehreren Häusern große Risse auftraten, für die ebenfalls keiner einstehen will. Das gleiche im Wohngebiet Zumhof-Rudersberg bei Schorndorf, wo sich das Gelände bis um 39 cm angehoben hat und ebenfalls viele Häuser Risse bekommen haben, für die niemand die Verantwortung übernehmen will!
Erinnert sei auch an die vier mißratenen Probebohrungen (Bohrloch 203) vor ein paar Jahren hier oberhalb im Bereich der Jugendherberge, die beim Niederbringen wegen unerklärbarer Wasserströme eiligst abgebrochen und mit Beton verschlossen werden mußten, um Schlimmeres zu verhüten. Dabei soll sogar ein festgeklemmter, sehr teurer Bohrkopf nicht mehr geborgen und aufgegeben worden sein.
Auch konnte die im Anhydrit verlaufende Nordröhre des Wagenburgtunnels unweit von hier bis heute nicht fertiggestellt werden, weil schon während der Bauzeit 1954 dort Quellungen auftraten. Jetzt soll diese als Baustellen-Einfahrt in den geplanten Fildertunnel genutzt werden und später als „Rettungszufahrt“ dienen. Nein danke!
Die Bahn spielt hier „Russisch-Roulette“; sie will ein „wirtschaftlich optimiertes“ Bauvorhaben durchziehen – den möglichen Schaden jedoch als ein dem technischen Fortschritt geschuldetes „Restrisiko“ auf die betroffenen Bürger abwälzen!
Entgegen allen Beteuerungen kann die Bahn hier keine Sicherheit geben; dessen ist sie sich auch voll bewußt. So hatte bei der Erörterung zum Fildertunnel Herr Westhoff als Gutachter der Bahn auf die Frage nach den Auswirkungen der geplanten Grundwasser-Absenkung geantwortet: „Genau werden wir das erst wissen, wenn wir gebaut haben“! Die Bahn gesteht damit ein, doch nicht so genau zu wissen, was sich tun wird, wenn gebaut wird!
Als aber ein besorgter Hausbesitzer aus dem Kernerviertel nachfragte, was denn mit seinem am Hang stehenden Haus geschehen könne, wenn der Grundwasserspiegel wie für S-21 vorgesehen abgesenkt wird, ob gar der Hang ins Rutschen geraten könne, wurde ihm von diesem Gutachter versichert: „Seien Sie unbesorgt! Ihrem Haus wird schon nichts passieren!“
Ungeklärt bleibt weiter die Frage, ob und in welchem Ausmaß das unterhalb des Grundwassers liegende Mineralwasser betroffen wird, ob dieses als Folge der Grundwasser-Absenkung dann nach oben durchbricht, die Schüttung der Mineralquellen dadurch zurückgeht, diese gar auf Dauer versiegen?
Zur Stützung der Mineralwasser-Führung im Untergrund sieht die beantragte Planänderung der Bahn jetzt die Einleitung von nahezu 800.000 m³ Trinkwasser in den Untergrund vor – sechsmal mehr als bisher genehmigt. 800.000 m³ Trinkwasser – das entspricht dem jährlichen Wasserverbrauch von 20.000 Menschen. Und das angesichts weltweiter Verknappung von Trinkwasser! Welch eine Verschwendung, allein um diesen idiotischen Kellerbahnhof s-21 zu bauen für eine fragwürdige Reisezeitverkürzung von 2 Minuten zwischen Paris und Bratislava.
Wie also konnte es sein, daß die Experten der Bahn auf der Grundlage eines jetzt als völlig falsch erwiesenen Grundwasser-Modells über mehr als ein Jahrzehnt hin falsch geplant und sich ein so nicht ausführbares Baurecht haben erteilen lassen. Dann war das fahrlässige Schlamperei; die Bahn hat so einmal mehr ihre Unfähigkeit bewiesen, S-21 wirklich bauen zu können.
Oder war es womöglich gar Absicht der Bahn, zunächst mit einer bewußt zu niedrigen Angabe der Grundwasser-Entnahmemenge den Planfeststellungs-Antrag leichter durch das Genehmigungsverfahren zu bringen und so das Baurecht zu erlangen, um dann im Anschluß – wie jetzt geschehen – nachzulegen in der Annahme, das werde dann unter Ausschluß der Öffentlichkeit als einfache Planänderung ohne viel Aufhebens durchgehen?
Das allerdings wäre dann vorsätzliche Täuschung, die den Widerruf des Planfeststellungs-Beschlusses und damit des Baurechts nicht nur rechtfertigen, sondern zwingend erfordern würde!
So oder so: Die Rechtfertigung des Vorhabens ist jetzt endgültig dahin!
Wir fordern das Umweltministerium auf, von der Bahn unabhängige Gutachten einzuholen und diese auch der interessierten Öffentlichkeit zugänglich zumachen.
Und wir fordern das Umweltministerium zu einer sorgfältigen und äußerst kritischen Prüfung der Antrags-Unterlagen und des gesamten Sachverhaltes auf. Das sind die uns schuldig!
Wir halten weiterhin die Augen auf und lassen uns nicht unterkriegen!
Wir bleiben Oben!
Pingback: IO-Newsletter 15.07.2012: Aktuelles in Kürze | InfoOffensive Baden-Württemberg