Rede von Matthias von Herrmann, Parkschützer, beim 100. Schwabenstreich in Leinfelden am Neuen Markt, 21. Juni 2012
Liebe Schwabenstreicher,
herzlichen Glückwunsch zum 100. Schwabenstreich hier in Leinfelden! Eine stolze Leistung, bedeutet dieses Jubiläum doch, dass Sie sich seit 2 Jahren kontinuierlich einmischen, dass Sie regelmäßig und beharrlich die Bereitschaft zur Bürgerbeteiligung demonstrieren. Machen Sie so weiter, bis wir Bürger von der Politik ernst genommen werden. Machen Sie so weiter, bis die grün-rote Landesregierung kapiert, dass im Wort „Bürgerbeteiligung“ die Bürger an erster Stelle stehen. „Bürgerbeteiligung“ ist nämlich kein Synonym für „Phantomdiskussion“.
Im übrigen, Thema „Phantomdiskussion“: So hat Ihr Oberbürgermeister Roland Klenk den Filderdialog bezeichnet – sehr zu recht, wie ich finde! Der Filderdialog bleibt so lange eine reine Phantomdiskussion, wie die Bahn nicht in die Pflicht genommen wird. Die Bahn wird dafür bezahlt, dass sie Stuttgart 21 plant, nicht wir Bürger. Die Bahn muss Pläne vorlegen, die von uns Bürgern akzeptiert werden, nicht umgekehrt! Die Bahn muss endlich Pläne zur Umsetzung des Geißler-Spruchs vorlegen! Solange die erste Bürgerbeteiligung, nämlich der Faktencheck aus dem Jahr 2010, folgenlos bleibt, ist die zweite Schlichtung – jetzt unter dem Namen Filderdialog – reine Zeitverschwendung! Solange die Bahn keine Anstalten macht, die Ergebnisse dieser sogenannten ‚Bürgerbeteiligung’ auch umzusetzen, ist ‚Bürgerbeteiligung’ ein Phantom.
Ein kurzer Blick zurück: Die Bahn hat den Geißler-Spruch mit ausgehandelt und akzeptiert. Sie hat eine Broschüre dazu erstellt, in der die zentralen Punkte aus dem Geißler-Spruch dargestellt werden. Die CDU hat im Wahlkampf zur Landtagswahl plakatiert: Schlichterspruch umsetzen! Und die Bahn hat eineinhalb Jahre später nicht einmal einen Grobentwurf vorgelegt, wie sie Geißlers ‚unabdingbaren Forderungen’ umsetzen will, von einer seriösen Planung ganz zu schweigen. Fordern Sie das von der Bahn ein, fordern Sie Verkehrsminister Hermann auf, dafür zu sorgen, dass diese Pläne endlich auf den Tisch kommen.
Was hat die Bahn unternommen, um den Schlichterspruch umzusetzen? Was ist der Planungsstand bei der Bahn?
Geißlers Spruch verlangt unter anderem:
- Stuttgart 21 muss barrierefreie Fluchtwege haben,
- die Gäubahn muss leistungsstark an den Tunnelbahnhof angebunden werden,
- es muss ein funktionierendes S-Bahn-Notfallkonzept geben,
- die mangelhafte Sicherheit in den Tunneln muss verbessert werden.
Nimmt die Bahn auch nur eine einzige dieser Forderungen ernst? Oder soll der Filderdialog nur davon ablenken, dass die Bahn – mal wieder – nichts geliefert hat?
Bevor wir Bürger bei einem Filderdialog mit den Projektbetreibern über ganz andere Punkte reden, muss die Bahn erst einmal vorstellen, was sie seit dem 30. November 2010 – seit der Verkündung des Schlichterspruchs – getan hat, um die Forderungen von Geißler umzusetzen! Solange die Bahn nichts tut, um die Ergebnisse der ersten Bürgerbeteiligung umzusetzen, ist ein weiterer Dialog reine Zeitverschwendung und in der Tat eine Phantomdiskussion.
Ich frage Sie, ich frage die Bahn und ich frage den Bundesverkehrsminister Ramsauer: Warum wurde nach 10 Jahren Planung für den Filderbereich keine Planfeststellung eröffnet? Wieso sind die Pläne der Bahn bis heute so unausgereift?
Stößt die Bahn womöglich bei ihren Planungen auf massive Probleme? Das muss die Bahn der Öffentlichkeit vorlegen und daraus die Konsequenzen ziehen – und das Projekt S21 endlich in Frage stellen. Hier müssen wir die Bahn in die Pflicht nehmen. Tun Sie dies, auch schon vor der nächsten Filderdialog-Runde! Fragen Sie bei der Bahn nach, wo die Pläne zur Umsetzung des Schlichterspruchs bleiben und wie diese aussehen!
Schauen wir uns nun den Filder-Dialog an: Was wird dort eigentlich diskutiert? Inzwischen sieben Varianten für den Filderbereich. Einzig die Bahn hat NICHTS vorgelegt außer der Antragsvariante, die vom Eisenbahnbundesamt seit Jahren als unausgereift abgelehnt wird. Diese Antragsvariante ist nicht genehmigungsfähig, das hat das EBA seit langem entschieden, darüber brauchen wir nicht zu diskutieren! Hinzu kommt, dass diese Antragstrasse die Anbindung der Gäubahn vollkommen außer Acht lässt, ebenso wie das S-Bahn-Notfallkonzept, obwohl die Bahn dem Schlichtungsergebnis zugestimmt hat! Also erlauben Sie mir erneut die Frage: Wo sind die Pläne zur Umsetzung dieses Schlichtungsergebnisses? Die Bahn plant seit zehn Jahren! Die Bahn hatte eineinhalb Jahre Zeit, von ihren Ingenieuren Pläne für die Anbindung der Gäubahn entwickeln zu lassen! Die Bahn bekommt Planungskosten in Millionenhöhe dafür gezahlt, dass sie eine funktionierende Planung erstellt. Was hat denn die Bahn in den letzten zehn Jahren getan, Herr Ramsauer? Wo sind die Pläne zur Anbindung der Gäubahn, Herr Grube? Und Herr Kefer, welche Planänderungen haben Sie seit dem Geißler-Spruch beantragt, um die Schlichtungsergebnisse umzusetzen?
Für den Filder-Dialog sind also zwei wichtige Voraussetzungen nicht gegeben:
- Seit 10 Jahren plant die Bahn auf den Fildern, hat aber bis heute keine Pläne zur Planfeststellung eingereicht. Solange die Bahn keine ausgereiften Pläne vorlegt, brauchen wir Bürger nicht unsere Freizeit an runden Tischen mit bunten Kärtchen zu verschweden und Phantomdiskussionen zu führen. Wir Bürger müssen nicht die heißen Kartoffeln für die Bahn aus dem Feuer holen, wir müssen uns nicht als Ablenkmanöver missbrauchen lassen für die nicht-existente Planung der Bahn.
- Seit eineinhalb Jahren liegen die Ergebnisse von Heiner Geißlers Faktencheck vor, ein Minimalkonsens der ersten Bürgerbeteiligung zu Stuttgart 21. Solange von der Bahn keine Pläne zur Umsetzung des Schlichterspruchs vorliegen, ist die Bahn offenbar nicht mit dem nötigen Ernst bei der Sache. Damit ist auch die zweite Voraussetzung für den Filder-Dialog nicht gegeben.
Lassen Sie sich nicht verwirren von den Moderationsmethoden des Herrn Weitz, von Expertendiskussionen über Varianten oder von der Landesregierung, die diesen Filder-Dialog rein aus politischen Gründen dringend braucht, um Stuttgart 21 durchsetzen zu können.
Die entscheidende Frage ist die nach den Plänen der Bahn zu den anstehenden Fragen Gäubahn, S-Bahn-Notfallkonzept und Tunnel-Sicherheit. Solange die Bahn dazu nichts vorlegt, entbehrt die Diskussion jeglicher Grundlage. Schließlich erstellen wir Bürger auch nicht die Konstruktionszeichnung für die neue E-Klasse von Daimler. Wenn Sie ein neues Auto kaufen wollen, dann erwarten Sie vom Hersteller, dass er die Pläne und die Fertigung professionell im Griff hat. Nur anhand eines tollen Werbevideos werden Sie kaum ein teures Auto kaufen. Sie werden beim Autohändler nach handfesten Werten fragen. Machen Sie es so auch mit der Bahn! Fragen Sie nach den Plänen und bleiben Sie oben!