Die Regie hat mir 5 Minuten Redezeit und zusätzlich 2 Minuten für Ihren Applaus zugestanden. Mein Vorschlag an Sie: Applaudieren Sie erst nach 7 Minuten, dann geht die Applauszeit von der Redezeit meines Nachredners ab.
Warum sind Sie alle heute schon wieder zur Demo gekommen? Unser Park ist doch abgeräumt und der Südflügel wird derzeit "abgecräsht" und all dies unter dem grünen MP "Cräshmann". Stellt sich da nicht die Frage: Wie lange wollen wir denn noch demonstrieren und gegen was? Meine Antwort darauf: Bis nach der möglichen Inbetriebnahme des Tiefbahnhofs und danach bis zum Abbruch des Gleisgebirges in ca. 2020-2022. Um so lange durchzuhalten will ich Ihnen ein wenig Mut machen.
Die meisten unter uns haben sich mehr für Park und Südflügel interessiert als das was zwischen den beiden Seitenflügeln in den Gleisanlagen - dem wichtigsten Teil eines Bahnhofs - verändert wurde. Der Umbau im Gleis- und Stellwerksbereich sei weitestgehend abgeschlossen teilte die Bahn unlängst mit und wahrlich, ein Blick dorthin lohnt sich wirklich:
Bislang gab es im Kopfbahnhof zwischen den Streckengleisen von und nach Cannstatt, von und nach Feuerbach und von und nach dem Gäu sogenannte Wartegruppen und zwar die
- Wartegruppe Ost vor Gleis 15 u. 16 mit 7 Gleisen
- Wartegruppe Mitte vor Gleis 11-13 mit 8 Gleisen
- Wartegruppe West vor Gleis 8-11 mit 6 Gleisen
- Wartegruppe S-Bahn vor Gleis 5-7 mit 4 Gleisen = 25 Wartegleise
Diese Wartegruppen, früher als Stauraum zwischen Personen- und Abstellbahnhof erforderlich, werden nicht mehr in diesem Umfang benötigt und können auf je 2-3 Gleis pro Wartegruppe reduziert werden. Und in diese gekürzten Wartegruppen hinein wurden nun die Bahnsteige um ca. 120 m verlängert, um dort, wo heute die Prellböcke stehen, Platz für die riesige Baugrube für den Tiefbahnhof zu gewinnen.
Und diese Verlängerung der Bahnsteige mit Umbau des Gleisvorfeldes hat die Bahn hervorragend geplant und durchgeführt. Um es genauer zu sagen: Die Bahn hat den Ausbau der Gleisanlagen des Kopfbahnhofs K20 so durchgeführt, wie ich mir die Renovierung des Kopfbahnhofs vorgestellt habe, und die Bahn hat nahezu den Zustand der Gleisanlagen erreicht, wie ihn Herr Arnoldi für sein auch heute noch hochaktuelles Projekt K21 benötigt, das wir weiterhin und aktiver als bisher unterstützen müssen. Ich glaube fast, wir müssen eine Delegation nach Berlin schicken, um Herrn Hany Azer - sofern er noch im Dienst der DBAG steht - für die Umplanung des Kopfbahnhofs zu danken. Gehen Sie einmal vor bis zur Spitze der verlängerten Bahnsteige oder gehen Sie mit einem Fernglas auf den Bahnhofsturm und Sie werden heute vergeblich nach Hüttenkruscht, Gleisgewirr und Gleisschrott Ausschau halten. Gleichzeitig hat die Bahn aber auch ihre Aussage, die Renovierung des Gleisfeldes des Kopfbahnhofs sei fast so teuer wir der Bau des Tiefbahnhofs, wie so vieles erneut ad absurdum geführt.
Was bedeutet dies nun für uns: Im jetzigen Zustand haben wir einen Super-Kopfbahnhof auf dessen überlangen Bahnsteiggleisen bis zu 3 Züge hintereinander zur Abfahrt aufgestellt werden könnten und auch nach Öffnung der Baugrube werden wir einen funktionierenden Kopfbahnhof K20/K21 haben, barrierefrei und mit ebenen Gleisen, allerdings mit sehr schwierigen Zugangsmöglichkeiten über die Baugrube. Das bedeutet für uns, daß Stuttgart auch bei möglichem Austritt von Mineralwasser, Untauglichkeit des Nesenbachdückers, Aufquellen von Gipskeuper in den Tunnels sowie bei Überschreitung der Kostengrenze und möglicher Einstellung von S 21 immer noch einen funktionierenden Kopfbahnhof K20 / K21 haben wird. Und sollte es der "Stuttgarter Netz AG" gelingen, den Kopfbahnhof ganz oder teilweise zur Nutzung von Privatbahnen zu erhalten, steht neben dem schrägen Tiefbahnhof ein betriebsfähiger Kopfbahnhof zur Verfügung, wie dies auch die Herren Geißler/Stohler mit ihrem Kompromißbahnhof vorgeschlagen haben.
Das finale Ende des Kopfbahnhofs wäre allerdings mit Abbruch des Gleisgebirges ca. 2022 besiegelt und bis dahin sind m.E. Protest und Demos nicht nur sinnvoll sondern auch nötig. An uns ältere Damen und Herren ergeht daher die Aufforderung, durch einen gesunden Lebenswandel - wozu auch Demozüge und Protestgeschrei äußert förderlich sind - diese Jahre bis 2022 noch aktiv durchzustehen.
Und sinnvoll sind weiterhin unsere Proteste am Bahnhof mit nachfolgendem Demozug durch die Stadt. Und sinnvoll kann auch der Versuch des umgekehrten Weges sein. Prüfen wir den Test, zur Schonung der Verkehrsteilnehmer in der Schillerstraße, sich künftig am Marktplatz zur treffen und zu versammeln, dort gehaltvolle Reden von ausreichenden 30 Minuten zu hören und dann in großer Zahl und Öffentlichkeit den Demozug zum Bahnhof oder zur ehemaligen Bundesbahndirektion nehmen z.B. über verschiedene Wege: Leitnersteg zum Park, Königstraße, Lautenschlagerstraße oder Friedrichstraße zum Hbf mit Abschluß im Bahnhofsgebäude oder bei der Mahnwache oder vor dem H 7, der ehemaligen Bundesbahndirektion.
Die Bäume auch vor der ehemaligen BD wurden bereits gefällt. Dort steht aber noch der Erinnerungsstein mit folgender Aufschrift: "1914-1918, 1939-1945. Den in zwei Weltkriegen gefallenen württembergischen Eisenbahner zur Ehre und zur Erinnerung". Wird auch dieses Erinnerungsdenkmal gefällt und entsorgt wie die Parkbäume? Wo endet eigentlich die Barbarei des Abrisses in Stuttgart?
Wir haben derzeit und auch in Zukunft einen barrierefreien, ebenen und gut funktionierenden Kopfbahnhof und wir erwarten sowohl von den immer aktiven Parkschützern als auch vom erweiterten neuen Sprecherteam des Aktionsbündnisses gemeinsame Aktionen. Nur so können wir durchhalten!
Und nun dürfen sie applaudieren so lange Sie wollen, aber bleiben Sie noch lange oben.
Pingback: Rede von Egon Hopfenzitz bei der 114. Montagsdemo « rauscherpeter
Pingback: 114. Montagsdemo « Bodenfrost