Beobachtet und berichtet von Petra Brixel.
Anruf aus Bremen: „Demonstriert ihr etwa immer noch?“ –„ Ja!“ – „Und blockiert ihr immer noch?“ – „Ja!“ – „Warum denn das? Der Park ist doch weg.“ – „ Gerade deshalb, weil wir dem Zynismus, der Arroganz und dem Verbrechen an der Natur entgegentreten. Weil wir immer noch nicht hinnehmen, dass das Grundwassermanagement gebaut werden soll und dann die übrigen Bäume im Schlossgarten vertrocknen. Weil es Unrecht ist, dass der Park gerodet wird, obwohl …“ - „Ach, so!“ Ich sage noch zum Schluss „Wenn sich nicht einige gegen den Strom stellen, gehen alle den Bach runter“. Das Zitat ist zwar nicht von mir, trifft aber genau die Situation der Demonstranten, die sich heute Früh um 6:30 am Südausgang des Bahnhofs einfanden und dann am gerodeten Park vorbei zum Café Nil gingen, um dort auf der Straße am Schlossgarten die ein- und ausfahrenden Baufahrzeuge zu begleiten. Nach der Großblockade und Räumung des Parks vor einer Woche stellten sich am heutigen Dienstagmorgen wieder 15 Protestierer mit Schildern und Bannern an der Einfahrt zum Abrissareal des Südflügels und LKW-Zugang zum ehemaligen Mittleren Schlossgargten auf. Da diese Baustelle durch ein starkes Polizeiaufgebot geschützt wird, waren auch gleich Einsatzkräfte zur Stelle, um den Demonstranten zu zeigen, wer hier Herr auf der Straße ist. Protestierer, die sich vor Baufahrzeuge stellten, wurden weggeschoben und geschubst und die Straße wurde zu beiden Seiten mit einer Polizeikette gesichert.
So blieb den Plakatträgern nur das Gespräch mit den Einsatzkräften. Dies war heute Morgen nicht uninteressant, denn nachdem sich zwei Polizisten geoutet hatten, dass sie bei der Volksabstimmung auch mit Ja gestimmt hatten und andere Kollegen sich für eine Diskussion zugänglich zeigten, kam es angesichts des Massakers im Schlossgarten zu einem Austausch von Gedanken und Argumenten. „Hier zerstört die Deutsche Bahn mit Genehmigung der Baden-Württembergischen Landesregierung und mit Unterstützung der Polizei den Stuttgarter Schlossgarten!“ Betretenes Schweigen. „Sie wissen es alle, dass hier ein himmelschreiendes Unrecht geschieht … die Bahn, die Regierung, die Gerichte, die Investoren, sie wissen es alle und sie tun es doch. Das ist der eigentliche Skandal!“, rief eine Demonstrantin. Unrecht erkennen und nicht schweigen … war die Aussage der Demonstranten heute Morgen am Rande des Schlossgartens. Angesichts des großen Polizeiaufgebots für 15 Buttonträger wurde ihnen klar, was ein kleiner Mensch bewirken kann, wenn er solidarisch mit anderen aufrecht und friedlich nur so da steht. Am richtigen Platz. Dies war heute auf der Straße am Schlossgarten. Demonstranten und Blockierer gibt es übrigens nach wie vor jeden Tag dort. Das ist ein Akt der freien Meinungsäußerung, die Wahrnehmung des Demonstrationsrechts und freie Platzwahl für eine Kundgebung, und sei sie auch noch so klein. Wer es sich antun will, die märchenhafte S21-Austellung im Bahnhofsturm zu besuchen, wird darin auch zwei besonders zynische Aussagen finden: „Der denkmalgeschützte Bonatzbau bleibt in seinem charakteristischen Teil erhalten. Nur die Seitenflügel fallen weg“, bzw. „Der Schlossgarten bleibt während der Bauzeit bis auf einen kleinen Teil zugänglich und für Freizeit und Erholung erhalten.“ Wer dies im Kopf hat, kommt nächste Woche zur gleichen Zeit zum gleichen Ort zur Blockade und Protestkundgebung. Die moralische Legitimation geben diese beiden Zitate allemal. Ja, sie sind wieder da, die morgendlichen Demonstranten! Und sie wissen, warum.