Stuttgart 21: Gericht gibt grünes Licht für Schlossgarten-Räumung

Eilanträge gegen Aufenthalts- und Betretungsverbot im Stuttgarter Schlossgarten bleiben ohne Erfolg - Camp darf sofort geräumt werden - Aufenthalts- und Betretungsverbot kann nach Freigabe der Baumfällarbeiten durch das Eisenbahnbundesamt vollzogen werden

PRESSEMITTEILUNG vom 25.01.2012
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Beschlüssen vom 24.01.2012 die Eilanträge gegen die Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 22.12.2011 abgelehnt, mit der diese ein Aufenthalts- und Betretungsverbot und die Räumung des Zeltlagers für Teile der Mittleren Schlossgartenanlagen in Stuttgart angeordnet hat (vgl. auch Pressemitteilung des Gerichts vom 11.01.2012). Nach dem Tenor der Entscheidung hat die Stadt allerdings folgende Auflagen zu beachten:

1. Das Aufenthalts- und Betretungsverbot nach Ziffer 1 der Allgemeinverfügung wird mit der Bekanntgabe der Einsatzmaßnahmen der Polizei wirksam.

2. Diese Bekanntgabe hat durch die Antragsgegnerin selbst zu erfolgen.

3. Die Bekanntgabe der Einsatzmaßnahmen der Polizei - und damit das Inkrafttreten des Aufenthalts- und Betretungsverbots nach Nr. 1.1. und Nr. 1.2. - darf erst erfolgen, wenn das Eisenbahnbundesamt das Baumfällverbot vom 05.10.2010 aufgehoben und den Baumfällarbeiten zugestimmt hat.

4. Das Aufenthalts- und Betretungsverbot im Mittleren Schlossgarten ist - soweit nicht das Baufeld selbst betroffen ist - nach Abschluss der Einrichtung und Sicherung der Baustelle aufzuheben.

Die Landeshauptstadt Stuttgart hat mit Allgemeinverfügung vom 22.12.2011 ein Aufenthalts- und Betretungsverbot für Personen in einem bestimmten Teil des Mittleren Schlossgartens in Stuttgart angeordnet. Danach haben alle Personen, die sich in dem gekennzeichneten Bereich aufhalten, ohne hierzu besonders berechtigt zu sein, diesen Bereich spätestens ab Beginn/Bekanntgabe der Einsatzmaßnahmen der Polizei im Mittleren Schlossgarten unverzüglich zu verlassen bzw. es wird ihnen untersagt, diesen Bereich bis zu dessen Freigabe durch den Polizeivollzugsdienst zu betreten oder sich dort aufzuhalten (Nrn. 1.1 und 1.2.). Weiterhin hat die Stadt angeordnet, dass alle campingartigen Behausungen, die sich im gesamten Bereich des Mittleren Schlossgartens befinden, unverzüglich nach Bekanntgabe der Allgemeinverfügung, spätestens jedoch bis 12.01.2012, 8 Uhr, entfernt werden müssen (Nr. 2.1). Die Verfügung wurde für sofort vollziehbar erklärt.

Beim Verwaltungsgericht sind drei Eilanträge von Privatpersonen bzw. einer Bürgerinitiative gegen die Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart eingegangen. Die Antragsteller bestreiten das Baurecht der Bahn und machen geltend, dass sie durch die Verfügung in ihren Rechten auf allgemeine Handlungs-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie auf Freizügigkeit verletzt werden, weil sie sich nicht mehr im Schlossgarten aufhalten dürften.

Die 5. Kammer des Verwaltungsgerichts hat mit Beschlüssen vom 24.01.2012 die Eilanträge abgelehnt. Es hält die Allgemeinverfügung bei Berücksichtigung der vom Gericht verfügten Auflagen für voraussichtlich rechtmäßig. Deshalb gebühre dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Durchsetzung der Verfügung Vorrang vor dem privaten Interesse der Antragsteller. Damit kann das Camp sofort geräumt werden. Das Aufenthalts- und Betretungsverbot darf vollzogen werden, wenn das Eisenbahnbundesamt die vollständige Baufreigabe erteilt hat.

Zur Begründung führt das Gericht u.a. aus, dass das Aufenthalts- und Betretungsverbot gerechtfertigt sei, weil zu befürchten sei, dass es sonst bei den ge-planten Baumfäll- und Versetzungsarbeiten im Mittleren Schlossgarten zu Straftaten kommen werde. Eine Vielzahl von Vorkommnissen zeige, dass vielfach bei Bauaktivitäten der DB Netz AG von Projektgegnern - organisierter - Widerstand geleistet worden sei, der teilweise auch strafrechtlich relevant gewesen sei, zuletzt in der Nacht vom 21.01 auf den 22.01.2012. Zudem diene das Verbot der Verhinderung von Gefahren, die sich durch die Störung der Arbeiten bei der Einrichtung der Baustelle, insbesondere durch Besetzung des Baufeldes, aber auch für die Sicherheit der auf der Baustelle tätigen Arbeiter ergeben könnten. Es liege weiter auf der Hand, dass das Fällen und Versetzen einer Vielzahl von Bäumen mit Gefahren für Leib und Leben von Personen verbunden und es deshalb aus Sicherheitsgründen erforderlich sei, dass die vorgesehene Fläche für Passanten und Parkbesucher bis zum Abschluss der Einrichtung und Sicherung der Baustelle gesperrt bleibe.

Die Antragsteller werden durch das Verbot nach Auffassung des Gerichts auch nicht in ihren Grundrechten verletzt.

Das Gericht hielt es aber für erforderlich, die Verfügung der Landeshauptstadt in zeitlicher Hinsicht zu präzisieren. Für die Benutzer des Schlossgartens soll eindeutig feststehen, ab wann genau das Verbot in Kraft tritt und wie lange es gilt. Es sei nicht Aufgabe der Polizeibehörde, die inhaltliche Rechtmäßigkeit des Baurechts der Bahn zu prüfen. Allerdings hat das Gericht klargestellt, dass die Bekanntgabe des Aufenthalts- und Betretungsverbots erst nach der Freigabe der Baumfällarbeiten durch das Eisenbahnbundesamt erfolgen darf. Vor einer vollständigen Baufreigabe wäre ein solches Verbot unverhältnismäßig. Die Frage, ob die derzeit gestoppten Arbeiten am Grundwassermanagement den geplanten Baumfällarbeiten entgegenstehen, wurde verneint. Die Allgemeinverfügung beschränkt sich von ihrem Beginn und Ende her auf die Einrichtung des Baufeldes. Um Tiefbauarbeiten geht es - noch - nicht.

Die in Nr. 2.1 der Allgemeinverfügung enthaltene Räumungsverpflichtung ist ebenfalls rechtmäßig. Sowohl nach der Benutzungsordnung des Landes Baden-Württemberg für Grünanlagen in Stuttgart wie auch nach der Polizeiverordnung der Landeshauptstadt Stuttgart ist das Zelten außerhalb der dafür besonders freigegebenen und entsprechend gekennzeichneten Flächen untersagt. Auch die im Zusammenhang mit dem verbotswidrigen Zelten eingebrachten Gegenstände sowie der Zweckbestimmung der Grünanlagen widersprechende andere Gegenstände wie Baumhäuser und Plattformen sind deshalb zu entfernen.

Den Antrag der Bürgerinitiative lehnte das Gericht bereits deshalb ab, weil diese nicht antragsbefugt war. Das Aufenthalts- und Betretungsverbot richtet sich an Personen. Ein Verein kann hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt sein.

Gegen die Beschlüsse können die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen Beschwerde einlegen. Über eine Beschwerde würde der VGH Baden-Württemberg in Mannheim entscheiden.

Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart
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