Kommentar von Petra Brixel zur DB-Zeitschrift “mobil“, Ausgabe Januar 2012
Unser Bahnhof: Mehr Komfort, weniger Energie!?
Manchmal passiert es, dass ich als Bahnreisende zum Magazin mobil der DB greife und darin lese. Das geschieht vor allem dann, wenn ich aufgrund zu intensiven Fernsehkonsums zu der Ansicht gekommen bin, die Welt sei nicht mehr zu retten.
Die Zeitschrift mobil ist nämlich ein Blatt, das auf bewundernswerte Weise nur „Good News“ verbreitet und damit genau das Gegenteil der Presse ist, die sich täglich bemüht, alle Absurditäten dieser Welt zusammenzutragen. Die DB erfreut uns mit ihrem - auch noch kostenlosen - Magazin, worin zu lesen ist, wie zukunftsorientiert, kundenfreundlich, selbstlos und überhaupt weise die Deutsche Bahn ihre Aufgabe als Dienstleisterin wahrnimmt.
In der neuesten mobil (Januar 2012) ist nun auf Seite 20 unter der Rubrik Bahn News und mit der Überschrift "Mehr Komfort, weniger Energie" ein Bericht über die Opferbereitschaft von Bundesregierung und Deutscher Bahn AG zu lesen, beginnend mit den Worten: „2009 stellte die Bundesregierung Mittel für die Sanierung von Bahnhöfen bereit. An Tausenden DB-Stationen konnten seitdem der Energieverbrauch gesenkt oder Service verbessert werden.“
Zum Artikel gibt es zwei Fotos eines Bahnhofs - vor und nach der Verschönerung - aber leider, leider, ist es nicht der Stuttgarter K21-Bahnhof, von dem der dann folgende Bericht handelt, sondern der Bahnhof von Dessau. Fürwahr, da kann sich Dessau aber freuen, dass sein denkmalgeschützter Hauptbahnhof es wert war, in den Genuss einer so genannten Maßnahme zu kommen. Und der staunende Leser erfährt auch gleich, was die Bahn alles investiert hat: Ein Blockheizkraftwerk sorgt für Heizung und Energie, Dach und Fassade sind wärmegedämmt, die CO2 –Emission konnte um 54 % gesenkt werden! Es gibt einen neuen Wartebereich mit Café und komfortablere sanitäre Anlagen. Ach, man könnte sich mit den Dessauern freuen, wäre man nicht traurig und zynisch zugleich und außerdem wütend. Aber Wutbürger mag die Bahn AG nicht, die fangen an zu denken, um wenig später ihre Meinung auf vielfältig kreative Weise kund zu tun.
In dem Bahn News-Artikel lese ich weiterhin, dass die Bundesregierung 325 Mio Euro in das Modernisierungsprogramm von Bahnhöfen gesteckt hat und dass die DB- AG weitere 27 Mio Euro investierte. Von schlappen 352 Mio Euro durften insgesamt 2100 kleine und mittlere Bahnhöfe profitieren, davon wurden sogar 32 überwiegend denkmalgeschützte Bahnhöfe energiesparend verpackt.
Wie gern hätte man auch in Stuttgart so einen Bahnhof wie jene, die die Gnade der energiesparenden Renovierung erfahren haben und nun als Phönixe aus der Asche steigen und sich bestens dazu eignen, die Bahn AG in dem strahlenden Licht von Wohltätern und Umweltschützern erscheinen zu lassen. Der Artikel endet mit dem selbstbeweihräuchernden Satz „Manche Bahnhöfe, wie der denkmalgeschützte, neobarocke Wiesbadener Bahnhof, erhielten sogar ein neues Dach.“ Sogar! Mir kommen die Tränen des Zorns ob der Dreistigkeit der Bahn AG, eine Lobeshymne zu singen auf etwas, was eigentlich ganz selbstverständlich sein sollte in einer Zeit, wo Energiebewusstsein das Wort der Gegenwart ist und außerdem in Stuttgart ein – man höre und staune – denkmalgeschützter Bahnhof steht, den man zum Vorzeigebahnhof schlechthin sanieren könnte. Sanieren übrigens nach einem bereits von Stuttgarter Architekten wohl durchdachten Konzept, in dem Wärmedämmung, Energieeinsparung, Reduzierung von CO2-Ausstoß und Qualitäten wie Barrierefreiheit, zeitgemäße Gastronomie und persönliche Bewegungsfreiheit auf Bahnsteigen zu den Prioritäten gehören.
Bleibt zum Schluss die Erkenntnis, dass ich bei meinen Bahnfahrten in Zukunft doch lieber auf ein Loriot-Buch zurückgreife statt in der DB-Zeitschrift mobil zu lesen, wo die Bad News verschwiegen werden. Nämlich, dass zum Beispiel in Stuttgart ein denkmalgeschützter, bestens funktionierender Bahnhof zerstört werden soll, als Kollateralschäden auch gleich noch der Park und die Innenstadtluft dazu. Dafür könnte ich dann im Jahr 2025-plus im mobil lesen: „Stuttgarter Hauptbahnhof zum Schnäppchenpreis von 8,9 Mrd Euro unter die Erde gepresst, grandiose Ingenieursleistung trotz vielfältiger unvorhergesehener Probleme und Baustillstands von fünf Jahren, aber aufgrund von dankenswertem bürgerlichem Engagement durch Aufwendung von redlich erarbeiteten Steuergeldern doch noch beendetes Megaprojekt. Dieses hat trägt zwar derzeit noch das Label ´Weniger Komfort, mehr Energie´, aber das sind die kleinsten Probleme, don´t worry." Auf solche Good Bahn News verzichte ich gerne.