Liebe Fridays For Future, liebe junge Klimabewegte, liebe
Mitstreiterinnen und Mitstreiter jeden Alters,
danke dass ich heute beim globalen Klimastreik für das
Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 sprechen darf. Mein Name ist
Angelika Linckh.
Gerechtigkeit liegt mir am Herzen – und das schon mein ganzes
Leben lang: Geschlechtergerechtigkeit, Gerechtigkeit im
Straßenverkehr, soziale Gerechtigkeit.Und genau deshalb
engagiere ich mich auch im Widerstand gegen Stuttgart 21.
Stuttgart 21 ist ein Projekt,
- das intakte Natur zerstört,
- das funktionierende Infrastruktur kaputt macht,
- das öffentliches Eigentum für Gewinninteressen von Bau- und
Immobilienkonzernen opfert.
Dieses Beton-Tunnel-Projekt ist nicht nur dumm, korrupt und
verlogen, es ist auch extrem klimaschädlich.
Stuttgart 21 ist ein Projekt von gestern, es ist klimaschädlich in
Bau und Betrieb und seine mangelnde Leistungsfähigkeit schadet
der Verkehrswende.
Viele von uns Stuttgart 21 Gegner*innen sind zwar alt, aber wir
sind nicht von gestern.
Wir interessieren uns für das Morgen, für die Zukunft von Euch
Jungen, für die Zukunft unserer Enkel und Urenkel und für die
Zukunft der Menschen im globalen Süden. Und: Wir lassen uns
nicht entmutigen!
Wir schauen über den Stuttgarter Kesselrand hinaus und wir
kennen die Zusammenhänge von Erderhitzung und kapitalistischer
Lebensweise.
Das Leid der Einen ist eine Folge der exzessiven Verschwendung
der Anderen. Markus Wissen, der vor zwei Wochen auf unserer
750. Montagsdemo gegen S21 sprach, nennt das treffend:
„Imperiale Lebensweise“. Gemeinsam mit Ulrich Brand hat er das
aufrüttelnde Buch „Kapitalismus am Limit“ geschrieben – eine
Pflichtlektüre für alle, die verstehen wollen, warum
Klimagerechtigkeit nicht ohne Systemkritik zu haben ist.
Und genau deshalb schauen wir nicht nur auf Stuttgart 21 – wir
schauen auf das große Ganze: auf die politischen und finanziellen
Verflechtungen, auf die globale Dimension des Widerstands.
So haben wir auf unserer Bühne gemeinsam mit den Zapatistas
protestiert gegen den Tren Maya in Mexiko und gezeigt, was die
Deutsche Bahn im zweitgrößten Regenwald Lateinamerikas
anrichtet.
Wir hatten mit der Degrowth-Aktivistin Tonny Nowshin eine
Klimagerechtigkeitsaktivistin aus Bangladesch auf unserer Bühne,
um gegen die Firma Fichtner aus Stuttgart zu protestieren, die mit
einem Kohlekraftwerk den Mangrovenwald zerstört.
Auch Laura von XR war 2024 schon mehrmals wegen der
umweltzerstörenden und menschenverachtenden Geschäfte der
LBBW in der Türkei auf unserer Bühne.
Ihr kennt unseren Durchhaltewillen, liebe Freund*innen. Und
viele von euch wissen: bei Stuttgart21 geht es um mehr als um
einen Bahnhof:
Wir brauchen eine soziale und ökologische Verkehrswende, eine
Mobilität für alle, eine zuverlässige, pünktliche, barrierefreie,
gemeinwohlorientierte Bahn. Eine Bahn mit guten
Anschlussverbindungen in die Fläche. Ohne funktionierende
Flächenbahn gibt es keine Verkehrswende! Und auch bessere
Arbeitsbedingungen bei Bahn und ÖPNV gehören dazu. Auch das
hat mit Klimagerechtigkeit zu tun! Auch das ist Klima-Solidarität!
Und damit protestieren wir auch dagegen, dass Klimaschutz in der
politischen Prioritätenliste ganz nach unten gebombt wird –
buchstäblich gebombt seit der ausgerufenen „Zeitenwende“ im
Februar 2022!
Wir müssen zur Zeit mitansehen, wie Zukunft als Rückkehr in die
Vergangenheit herbeifantasiert wird – Zukunft als Sehnsucht nach
Gestern, nach einer Welt aus Rauch und Stahl, nach weißer
Dominanz und engen Grenzen. Eine Welt, in der Rollen
vorgeschrieben waren und Vielfalt keinen Platz hatte, einem
Gestern mit Atomkraftwerken, Verbrennungsmotoren und fossilen
Brennstoffen – während unsere Welt brennt. Unsere Welt schreit
nicht nach Gestern, sondern nach einem Morgen, das wir noch
gestalten können.
Jedes fossile Projekt ist eines zu viel, ist Benzin ins Feuer! Wir
wissen, dass wir im Sommer in immer heißeren Städten mit der
zunehmenden Gefahr der Überflutungen nach Starkregenfällen
und gleichzeitig auch Trockenheit leben werden müssen.
Wir brauchen dringend Anpassungsstrategien an die Erhitzung
unseres Planeten. Wo einst Schatten spendende riesige Bäume im
Mittleren Schlossgarten waren, herrscht seit Jahren
Baustellenchaos für Stuttgart 21. Stahl, Beton, Emissionen.
Und es gibt Pläne, die alles noch schlimmer machen! Die
Gäubahn Richtung Bodensee und Zürich soll gekappt werden,
noch mehr Tunnel sollen gegraben werden – dieses
Klimaverbrechen heißt Pfaffensteigtunnel.
Der würde weiteren unterirdischen Betonwahnsinn bringen, viele
Milliarden kosten und in Bau und im Betrieb noch mehr CO2
emittieren. Der Zwang, jahrzehntelang auf die S-Bahn umsteigen
zu müssen, würde die Leute ins Auto treiben und das ist
unverantwortlich - wir müssen Druck ausüben auf Bahnvorstand
und die Verantwortlichen in der Politik und sie von ihren
irrwitzigen Plänen abbringen! Und dazu brauchen wir Euch alle!
Stuttgart 21 ist jetzt schon das größte Klimaverbrechen - mitten in
unserer Stadt. Gewinner sind die Immobilienbranche, die
Baukonzerne, die Autoindustrie und die Luftfahrt. Verlierer sind
der Schienenverkehr, die Bevölkerung und das Klima.
Klima-Gerechtigkeit und Klimasolidarität heißt: eine
Verkehrswende hin zu einer sozial gerechten Mobilitätspolitik!
Und Klimagerechtigkeit und Klimasolidarität heißt auch :
der Reichtum muss umverteilt und Überreichtum abgeschafft
werden! So können wir den Rechtsradikalen die Grundlage für
Hass und Hetze nehmen, und damit Klimaschutzpolitik wieder zur
politischen Priorität machen! Konzentrieren wir uns gemeinsam
auf den Widerstand gegen die Ungleichheit und für ein gutes
Leben für alle!
Die „Zeitenwende“-Politik setzt darauf, uns dabei zu entmutigen.
Glücklicherweise lassen wir uns nicht aufhalten und es gibt
tatsächlich immer wieder einen Grund zu feiern!
Erinnert Ihr Euch an das große Banner beim letzten bundesweiten
Klimastreik hier vor 2 Monaten: Robin Wood Aktivisti (by the
way auch Stuttgart21 Gegner*innen), haben hier auf dem Platz mit
dem Banner und mit einer Unterschriftensammlung dafür
gekämpft, Porsche davon abzubringen, einen als Natura 2000
Habitat geschützten 200 Hektar großen Steineichenwald in
Apulien in Süditalien abzuholzen für eine Teststrecke.
Und jetzt komme ich zu der wunderbaren Nachricht, liebe
Freund*innen: Porsche hat vor einer Woche bekannt gegeben, die
Abholz-Pläne zu begraben! Der Wald ist gerettet!
Vielleicht haben Gewinneinbrüche den Rückzug von Porsche
beschleunigt. Doch ausschlaggebend war der öffentliche Protest.
So schreibt die SZ: „Die Vorteile des Projekts sind den Ärger nicht
wert, den Porsche auf Jahre hinaus nach jedem gefällten Baum
haben würde.“ Das zeigt uns doch: Protest wirkt!
Kleiner Exkurs: Auch vor 13 Jahren waren 16 Robin Wood-
Aktivisti dabei, als wir in der Nacht vom 14. auf den 15. Februar
2012 für die uralten Bäume im Park, für unsere grüne Lunge der
Innenstadt kämpfen:
auf Plattformen und Baumhäusern in den Baumwipfeln hielten sie
durch, bis das SEK sie runterholte. Zwei Aktivist*innen hatten
sich sogar an einen Betonklotz im Boden angekettet.
Wir konnten den Bau von Stuttgart 21 nicht verhindern, wir
konnten die Bäume nicht retten - wie wir auch Lützerath und den
Danni nicht retten konnten, aber tatsächlich konnte die
Zivilgesellschaft den Kampf für den Wald in Süditalien gewinnen.
Mischen wir uns ein! Und zwar gemeinsam! An Klimastreiktagen
genauso wie gegen Stuttgart21 und seine unfassbar schädlichen
Folgeprojekte!
Wir haben beim Protest gelernt: es ist wichtig, wenn wir
gemeinsam handeln – entschlossen und praktisch. Daher mein
Vorschlag an Euch, liebe Fridays For Future: Wie wäre es, wenn
Ihr Euch ab jetzt – und bis zur Landtagswahl 2026 – immer wieder
laut, sichtbar und unmissverständlich gegen die Kappung der
Gäubahn und gegen neue Klimaverbrechen durch weiteren
Tunnelbau positioniert?
Denn wir alle – unabhängig vom Alter – wissen:
Die Vergangenheit ist nicht einfach vergangen. Sie wirkt weiter,
bis in unsere Gegenwart hinein. Genau deshalb stehen heute, am
globalen Klimastreiktag, viele Stuttgart-21-Gegner*innen hier an
Eurer Seite.
Liebe Freund*innen, liebe Fridays – fühlt Euch herzlich
eingeladen: jeden Montag, 18 Uhr, auf dem Schlossplatz, zu
unserer Kundgebung – und gerne auch auf unsere Bühne! Dem
Rollback der sogenannten „Zeitenwende“ können wir nur
gemeinsam widerstehen.
Lasst uns laut bleiben - Wir sagen: OBEN BLEIBEN!