Bahnexperte widerlegt Mythen der Gäubahnkappung

Rede von Dr.-Ing. Hans-Jörg Jäkel, Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, Ingenieure22, auf der 751. Montagsdemo am 31.3.2025

Am 2.12.2024 hatte Andreas Frankenhauser bei der 735. Montagsdemo über die aktuellen Aktionen der im Landesbündnis Pro Gäubahn zusammengeschlossenen Initiativen berichtet. Bei der „Donnerstagsdemo“ auf dem Marktplatz am 23.1.2025 aus Anlass der Gäubahn-Diskussion im Gemeinderat Stuttgart war Hendrik Auhagen aus Konstanz in seiner Rede auf die deutlichen Anzeichen für Veränderungen der politischen Situation rund um die geplante Kappung der Gäubahn eingegangen. Diese Anzeichen haben sich in den letzten Wochen weiter verstärkt, und ich freue mich sehr, Euch heute darüber zu informieren.

Schon eine Woche nach dieser Donnerstagsdemo fand im voll besetzten Großen Saal des Stuttgarter Rathauses am 30.1.2025 die Podiumsdiskussion der Deutschen Umwelthilfe mit Benedikt Weibel –früher Schweizerische Bundesbahnen (SBB) – und Claus Weselsky – ehemals Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) – zum Erhalt von Gäubahn und Kopfbahnhof statt. Gleich am nächsten Abend diskutierte Herr Kümmerer vom SWR in der Volkshochschule mit Rainer Wieland (Verband Region Stuttgart) und Gerd Hickmann (Verkehrsministerium Baden-Württemberg) das Projekt Stuttgart 21 und seine Perspektiven. Dass sich das politische Umfeld ändert, wurde auch dadurch deutlich, dass unsere Angelika Linckh mit auf dem Podium saß und sowohl mit guten Argumenten, aber auch mit freundlichem und konsequentem Auftreten so manchen „Treffer“ platzieren konnte.

Am Montag, dem 3.2.2025, ging unsere Erfolgsstory weiter. Im Landesvorstand des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) stellten wir den Medien eine gutachterliche Stellungnahme des Bahnexperten Prof. Eberhard Hohnecker „Zur Frage der Notwendigkeit einer Unterbrechung der Gäubahn im Zuge der Stuttgart-21-Baumaßnahmen“ vor. Darin wird mit den seit vielen Jahren von der Deutschen Bahn aufgebauten Mythen zur Gäubahnkappung endgültig aufräumt. Die dargelegten Nachweise waren offenbar so beeindruckend, dass nur drei Stunden nach der Pressekonferenz die Landesschau des SWR mit einem Kurzfilm darüber berichtete. Das vollständige Gutachten und auch der SWR-Bericht stehen auf der VCD-Seite als Links zur Verfügung: https://bw.vcd.org/startseite/detail/die-kappung-der-gaeubahn-ist-unnoetig-und-rechtswidrig

Die wesentlichen Teile des Gutachtens konnte ich wenige Tage später bei der Verhandlung zu den Klagen der Deutschen Umwelthilfe und des Landesnaturschutzverbandes vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart in einem Vortrag von etwa sieben Minuten darstellen. Die Richter nickten mehrfach zustimmend und auch bei den Prozessvertretern von EBA und DB war kein Widerspruch zu erkennen. Ich kann es heute noch nicht fassen, dass dann ohne jeden Kommentar oder irgendeine Nachfrage einfach zum nächsten Thema übergegangen wurde. Auch im Urteil fand sich später dazu keine Aussage. Die schriftliche Begründung liegt bis heute nicht vor.

Ich möchte aber noch mal auf den Mythos der Gäubahnkappung eingehen, den die DB bis heute verbreitet. In zig Beiträgen – wahrscheinlich ist die Zahl schon deutlich dreistellig – wurde immer wieder die Geschichte erzählt, dass die Gäubahn gekappt werden muss, damit die S-Bahn vom Nordbahnhof kommend mit der neuen Station Mittnachtstraße verbunden werden kann. Dass dies keinesfalls notwendig ist, ja dass die Planungen der DB sogar den Festlegungen der Planfeststellung widersprechen, das haben die Fachleute der Verkehrs- und Umweltverbände schon seit mehreren Jahren publiziert. Zuletzt hatten wir dazu beim Aktionstag von Pro Gäubahn am 16.10.2024 in Konstanz auf einer gut besuchten Pressekonferenz berichtet. Von Klaus Arnoldi kam dann der Vorschlag, die komplizierte Thematik mit Universitätsprofessor Hohnecker in einer gutachterlichen Stellungnahme öffentlichkeitswirksam darzustellen.

Diese Stellungnahme liegt seit Ende 2024, vor und wir haben sie nicht nur an die Medien, sondern auch an den Bahnvorstand, das Verkehrsministerium, die Oberbürgermeister entlang der Gäubahn und weitere Institutionen verteilt. Wie bei den Medien war auch hier die Resonanz wirklich gut und wir haben bereits mehrere interessierte Rückfragen erhalten. Das hängt ganz sicher auch mit den bereits am Anfang meiner Rede erwähnten Anzeichen für eine veränderte politische Situation zusammen. Selbst der mit großer Mehrheit gefasste Beschluss des Stuttgarter Gemeinderates „eine zeitgleiche Gäubahnunterbrechung und S‑Bahn-Stammstreckensperrung möglichst zu vermeiden“ zeigt eine solche Veränderung, die vor einigen Jahren unmöglich war.

Damit wir aber die Mythen der DB und ihrer Nachplapperer mit Fakten widerlegen können, möchte ich noch einmal die von Prof. Hohnecker bestätigten Tatsachen zusammenfassen: Die Planfeststellung von 2006 hat der DB gestattet, während der Bauzeit über den Damm der Gäubahn provisorische S-Bahn-Gleise zu verlegen. Dafür hätte die Krone des Damms, also der obere Teil, auf etwa 150 Meter Länge um bis zu 4 Meter Höhe abgetragen werden müssen bzw. dürfen. Diese provisorischen S-Bahn-Gleise werden aber nach der Planung der DB seit 2017 für die Verbindung (Anschwenkung) der S-Bahn zur Mittnachtstraße nicht mehr benötigt. Damit ist der Grund für die Genehmigung entfallen und die Kappung ist unnötig.

Aber so leicht verzichtet die DB nicht auf die Kappung. Sie plant nun – und die Schriftsätze zur Klage der DUH und des Landesnaturschutzverbands Baden-Württemberg (LNV) haben das erneut bestätigt – nicht von oben die Krone des Gäubahndamms abzutragen, sondern den Damm seitlich durch eine Böschung von 150 Metern Länge und mehr als 10 Metern Breite zu zerstören. Dazu muss auch eine bestehende Stützmauer abgerissen werden. Aber weder diese Böschung noch der Abbruch der Stützmauer sind in den Unterlagen der Planfeststellung enthalten, und damit ist das Vorhaben der DB zur Kappung der Gäubahn nicht nur unnötig, sondern auch rechtswidrig.

Das habe ich beim Verwaltungsgericht mündlich vorgetragen, aber wahrscheinlich muss dies noch mit einem extra Schriftsatz verdeutlicht werden. Die gutachterliche Stellungnahme von Prof. Hohnecker lag dem Gericht zwar vor, aber im Verfahren ging es stärker um die Dauer der Unterbrechung als um die in Gänze unnötige und rechtswidrige Kappung. Das kann aber in einer nächsten Instanz korrigiert werden. Im beginnenden Landtagswahlkampf sind allerdings auch neue politische Entscheidungen beim Kampf um die Gäubahn denkbar.

Am Thema Kappung der Gäubahn machen wir es immer wieder deutlich: Ihr kriegt uns nicht los, aber wir euch schon.

Denn wir werden – oben bleiben!

Rede von Hans-Jörg Jäkel als pdf-Datei

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