Kostenexplosion Metro San Sebastian – Stuttgart 21 ist überall

Rede von Dipl.-Ing. Hans Heydemann, Ingenieure22, auf der 749. Montagsdemo am 17.3.2025

Werte Mitstreiter für den Erhalt des Kopfbahnhofs,

Stuttgart 21 steht beispielhaft für die Arroganz der Macht bei der Durchsetzung unsinniger Vorhaben und die Täuschung der Öffentlichkeit über Sinn, Nutzen und Kosten durch die Politik – hier und anderswo: die „Feste-Fehmarn-Belt-Querung“ unter der Ostsee nach Dänemark etwa, die zweite Stammstrecke der S-Bahn München in 40 Meter Tiefe, der Abriss des Altonaer Kopfbahnhofs in Hamburg und dessen Ersatz durch einen Durchgangsbahnhof weit außerhalb der Innenstadt. Gleiches in Italien mit dem Hauptbahnhof von Florenz, der ebenfalls einem unterirdischen Tiefbahnhof weichen soll, und die TAV-Schnellfahrstrecke Lyon – Turin mit einem 60 km langen Tunnel unter den Westalpen hindurch, gegen den die französisch-italienische No-TAV“-Bewegung seit Jahren ankämpft.

Heute will ich wieder einmal von einem Skandal-Vorhaben in Spanien berichten, das in vielerlei Hinsicht dem Vorhaben „Stuttgart 21“ ähnelt: die „Metrovon San Sebastian samt Untertunnelung der ganzen Stadt. Anlass ist die Mitteilung der Bürgerbewegung „Satorralaia“ (Maulwurf) aus San Sebastian, die baskische Regierung habe Mehrkosten von 164% eingeräumt – eine Verdreifachung der ursprünglich angegeben Kosten. Stuttgart 21 lässt grüßen! Mit dem Bau der Metro San Sebastian wurde 2019 begonnen; die Inbetriebnahme war für 2022 vorgesehen. Jetzt hofft man, dies bis 2026 hinzukriegen – die Bauzeit hat sich also mehr als verdoppelt – wie bei Stuttgart 21.  San Sebastian ist ein beliebter Seebadeort im Baskenland, dessen schöne, gut erhaltene Innenstadt aus dem 19. Jahrhundert nun seit 2019 durch den Bau der „Metro“ zerstört wird. Auch das kennen wir von Stuttgart 21.

Wozu braucht eine Stadt mit 186.000 Einwohnern jetzt eine unterirdische „Metro“ wie Paris oder London? Für den innerstädtischen Nahverkehr gibt es dort einen preiswerten und gut ausgebauten Busverkehr mit kurzen Taktzeiten, mit umweltfreundlichen Hybrid-Bussen, und für den Regionalverkehr eine S-Bahn mit modernen Zügen und einem Kopfbahnhof mit vier Bahnsteigen inmitten der Stadt. Dieser Kopfbahnhof soll jetzt verschwinden und an seiner Stelle ein großes Einkaufszentrum entstehen. Dafür wird abseits eine neue unterirdische Durchgangs-Haltestelle mit nur zwei Gleisen gebaut und ein 4,5 km langer Tunnel unter der Stadt sowie unter dem Strand in einem großen Bogen bis zum Vorort-Bahnhof Lugaritz gegraben und dort an die Bestandsstrecke wieder angeschlossen. Der nur 1,5 km lange oberirdische Streckenteil bis Lugaritz soll dafür abgerissen werden. Die Leute müssen also künftig die dreifache Strecke fahren

Zur Begründung hieß es, der Kopfbahnhof sei abgewirtschaftet und am Ende seiner Leistungsfähigkeit, das „Kopfmachen“ der Züge zu umständlich – das kennen wir ja von Stuttgart 21. Kosten sollte das Ganze auch nur schlappe 171 Mio. Euro – das wären bei 4,5 km Strecke + 0,5 km Fluchttunnel nur rund 35.000 Euro je Tunnelmeter, nicht mal ein Drittel üblicher Tunnelbaukosten! Es war offensichtlich, dass dies niemals reichen werde; die Kosten werden am Ende ein Vielfaches betragen – wie bei Stuttgart 21 eine bewusste Täuschung der Öffentlichkeit über die tatsächlichen Kosten, die das Vorhaben völlig unwirtschaftlich machen.

Eingefädelt hatte das Ganze die konservative Regierungspartei der baskischen Provinzregierung; die kleinere „Baskische Partei“ war dagegen, solange sie auf den Oppositionsbänken saß. Seit sie aber an der Regierung beteiligt ist, unterstützt sie das Vorhaben – auch das kennen wir von Stuttgart 21: die Grünen lehnten Stuttgart 21 strikt ab, solange sie in der Opposition waren, wollten dagegen „kämpfen, kämpfen, wie Winfried Kretschmann selber noch Anfang 2011 auf dieser Bühne lauthals verkündet hatte. Doch nach der mit unseren Stimmen gewonnenen Landtagswahl im März 2011 hatten die Grünen zusammen mit der SPD diese betrügerische „Volksabstimmung“ im November 2011 ausgeheckt. Mit deren zweifelhaftem Ergebnis begründen sie bis heute ihre 180-Grad-Kehrtwende bei Stuttgart 21. Nachdem die Grünen den Ministerpräsidenten und jahrelang auch den Oberbürgermeister in Stuttgart stellten, wurde das Vorhaben von ihnen nicht mehr in Frage gestellt, sondern nach Kräften befördert.

Doch zurück nach San Sebastian. Die jetzt eingeräumten Mehrkosten beim Bau der Metro werden begründet mit „nicht vorhersehbaren Schäden“ und Schwierigkeiten mit dem zerklüfteten Untergrund.

So stürzte am 18.11.2019 eine Stützmauer im Bereich der Tunnelbaustelle „Station Bentaberri“ ein; verletzt oder verschüttet wurde glücklicherweise niemand. Doch eine Gasleitung wurde so beschädigt, dass die Anwohner tagelang weder heizen konnten noch Warmwasser hatten. Der Bauträger erklärte sogleich, das sei auf die starken Regenfälle der letzten Tage zurückzuführen und hätte mit den Bauarbeiten rein gar nichts zu tun. Diese Stützmauer steht aber schon an die hundert Jahre, hat manchen heftigen Regenguss heil überstanden – warum ist sie erst jetzt nach Beginn der Tunnelarbeiten dort eingestürzt? Auf Antrag der Oppositionspartei fand dazu eine Anhörung der betroffenen Anwohner im Rathaus statt – doch der Oberbürgermeister von San Sebastian verwehrte den Anwohnern kurzerhand das Rederecht!

Am 6.6.2020 stürzte dann das Untergeschoß eines großen Wohnhauses an der „Calle Zubieta“ ein, unmittelbar neben der Tunnelbaustelle. Die Bewohner des Hauses sowie zweier Nachbarhäuser wurden für einige Tage ins Hotel umquartiert. Der Direktor der Bauträger-Gesellschaft führte das auf „eingedrungenes Wasser im Untergrund“ zurück und versicherte den Anwohnern, dass „alles für die Standsicherheit der Gebäude getan“ werde. Die Tunnelbauarbeiten wurden bis auf weiteres eingestellt. Die „Calle Zubieta“ ist unserer Königsstraße vergleichbar; diese wurde durch die Tunnelbauarbeiten weitgehend zerstört; die Anwohner mussten jahrelang Baulärm, Gestank und Verkehrseinschränkungen in Kauf nehmen

Ein weiterer schwerer Schadensfall ereignete sich am 5.6.2020, als große Mengen Wasser und Sand in das Tunnel-Teilstück eindrangen, das unter dem Strand liegt. Alle Tunnelbau-Arbeiten wurden eingestellt und ruhten über ein Jahr lang. Als Ursache wurden nun „Risse, Klüfte und Hohlräume im Felsgestein“ erkannt. Zuvor hatte der Bauträger ETS stets versichert, weitere Untersuchungen seien nicht nötig, weil der ganze Tunnel durch hartes Gestein getrieben werde. Dabei war absehbar, dass es bei dem geplanten Tunnelverlauf unter dem Strand entlang der Wasserlinie zu Wassereinbrüchen kommen würde. Die örtliche Bürgerinitiative Satorralaia hatte frühzeitig mit einer Aktion darauf aufmerksam gemacht.

Mit Beton-Hochdruck-Injektionen versuchte man, den Tunnel abzudichten. Dadurch hatte sich aber die Strandpromenade im Baustellenbereich hochgewölbt; also musste man den Injektionsdruck wieder verringern. Jetzt sorgte sich auch die „Guarda de Costa“, die Küstenwache, um den Strand und hatte einen Baustopp des Metro-Tunnels unter dem Strand bis zur vollständigen Klärung gefordert.

Dann klaffte am Morgen des 17. November 2020 plötzlich ein zwei Meter großes Loch in der Straße unmittelbar neben der Tunnelbaustelle. Dieser erneute „Erdfall“ stand nach Aussage des Vorhabenträgers ETS „im Zusammenhang mit dem Vorfall vom 5.6.2020. Es sei ein Felsen mit vielen ‚Adern‘ bearbeitet worden, wobei viel Wasser ausgetreten ist, was zum Abfließen des Sandes geführt hat. Es war eine Situation, als wir das Erdreich mittels Mörtel-Injektionen stabilisierten. Dadurch ist der Sand in Bewegung geraten, was logischerweise zu späteren Folgeerscheinungen führen kann, wie wir gerade gesehen haben; aber wir haben das im Griff.“ hat der Generaldirektor der ETS verkündet und versichert, „die Gebäude in der Umgebung werden ständig überwacht. Wir prüfen alle Bewegungen, haben aber keine Auswirkungen festgestellt“.

Zwei Tage später, am 21. November 2020 , kam es dann als Folgeschaden zu einer Überschwemmung. Der Zement, mit dem das von den Metro-Arbeiten am 17.11.2020 verursachte Loch in der Straße verschlossen werden sollte, hatte die Abflusskanäle des Nobelhotels „London“ verstopft und eine Überflutung verursacht. Es ist nicht zu fassen – die haben die Sache nicht im Griff; ein Schaden folgt dem andern! Erstmals wurde damals eingeräumt, dass die Kosten um 50% steigen; inzwischen hat man eine Verdreifachung der Kosten eingestanden. Die für 2022 vorgesehene Fertigstellung wurde damals auf 2024 verschoben. Jetzt haben wir 2025; die Betriebsaufnahme soll nun 2026 erfolgen.

Stuttgart 21 ist überall!

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