Sparvorschläge fürs Stuttgarter 400-Milliarden-Loch

Rede von Hannes Rockenbauch, Fraktionsvorsitzender „Die Linke und SÖS“, auf der 748. Montagsdemo am 10.3.2025

Einen wunderschönen guten Abend auf dem Stuttgarter Schlossplatz!

Wir leben schon in ganz schön verrückt-gefährlichen Zeiten. Wie verrückt die Zeiten sind, merkt man, wenn man auf die seltsame Gleichzeitigkeit der politisch Herrschenden guckt. Für was haben sie Geld und für was eben nicht. Deswegen soll es in meiner Rede um die Gleichzeitigkeit und den Umgang mit Geld gehen.

Es ist schon verrückt: Da hat es erst eines frauenfeindlichen, rassistischen, autoritären Präsidenten in den USA bedurft, dass hier in Deutschland die CDU erkennt, dass es keine gute Idee ist, mit der Schuldenbremse das Land systematisch kaputtzusparen. Und jetzt wollen sie plötzlich die Milliarden vom Himmel herunter regnen lassen. Nicht dass sie mich falsch verstehen: Die Schuldenbremse war nicht nur eine Investitionsbremse, sondern auch brandgefährlich. Denn wenn Infrastruktur und sozialer Zusammenhalt für die Menschen nicht mehr gewährleistet sind, dann war dies in der Geschichte immer schon ein Brandbeschleuniger in Richtung rechts und Faschismus.

Deshalb ist es gut, wenn wir endlich über die Schuldenbremse reden – und plötzlich alles anders ist.  Mir erscheint es aber, als ob der Blitz ins Zeit-Raumkontinuum eingeschlagen hätte. Auf der einen Seite ist es gut, dass wir über die Schuldenbremse reden, auf der anderen Seite wirkt es so, als ob sich durch den vom Blitzschlag gebildeten Riss das eine oder andere Monster einschleicht – aus einer schattigen Versenkung, in die wir es längst verbannt glaubten. Das ist nicht nur die Atomenergie. Ich weiß nicht, wie die zukünftige Bundesregierung bzw. die Koalitionäre auf die Idee kommen konnten, dass ein Wettrüsten unsere Welt sicherer machen, oder Bomben vor dem Klimawandel schützen würden. Ich finde das richtig gefährlich, was da gerade passiert.

Aber auch bezeichnend: wenn es dann wirklich darum geht, das Land zu reparieren, in Schulen, Kitas das Gesundheitswesen, in die soziale Infrastruktur aber auch in die Schiene zu investieren, dann macht man wieder so ein Sondervermögen von 500 Milliarden, während es keinen Deckel gibt für die Rüstung.

Während wir über die Phantasien in den Zeitungen lesen, für was alles die Milliarden da sein müssen, frage ich mich, wie sieht es denn hier in Stuttgart aus? Wir in Stuttgart wissen doch, dass man Milliarden auch sinnlos investieren, verbuddeln kann, dass man ja sogar zum Schaden des Allgemeinwohls Milliarden verbuddeln kann, so die 12 Milliarden Euro – ohne Pfaffensteigtunnel – bei Stuttgart 21.

12 Milliarden, das wäre das Geld, das wir bräuchten, um Stuttgart bis 2030 klimaneutral zu machen, und das haben wir verschwendet, ins Milliardengrab versenkt. Und gleichzeitig lest ihr heute in der Zeitung: „Stuttgart muss sich jetzt zum Schuldengipfel treffen“. Nicht dass ihr denkt, Stuttgart sei verschuldet. Da sind wir 20 Jahre gut davongekommen und haben keine Schulden. Aber das soll jetzt alles anders werden. Ja, ich muss sagen, es ist das erste Mal in 20 Jahren, dass es eng wird für diese reiche Stadt, um genauso weiter zu machen wie bisher.

Das muss ja gar nicht schlecht sein. Man müsste halt nur darüber sprechen, was man in Zukunft anders machen sollte und was man aus der Vergangenheit lernen könnte. Aber davon sind wir weit entfernt.

Hier erst mal ein paar Zahlen zum Stuttgarter Haushalt: Stuttgart wird 200 Millionen Euro weniger Gewerbesteuer einnehmen. Ob die Autobauer die Elektromobilität verpennt haben, und mehr oder weniger überraschend nicht mehr so viele Luxuskarossen verkaufen können wie bisher, sei als Grund dahingestellt. 200 Millionen – das ist schon was. Es sind aber immer noch Rekordgewerbesteuereinnahmen in den zukünftigen Haushalten geplant, dass wir uns da nicht täuschen. In den letzten 20 Jahren waren 15 Jahre die Gewerbesteuereinnahmen nie höher wie sie es auch jetzt 2025 sein werden.

Weitere 200 Millionen fallen für den Haushalt durch weniger Zuweisungen und Anteile an Gemeindesteuern und Erstattungen von Land und Bund weg. Also haben wir plötzlich ein 400-Millionen-Loch im Stuttgarter Haushalt. Es wurde für 2025 schon ein Kürzungshaushalt beschlossen, und jetzt ist klar, wir müssen 400 Millionen auftreiben – und wie das gehen soll, weiß keiner. Damit muss sich jetzt die Politik auseinandersetzen.

Ich weiß nicht, ob man es schon mitbekommen hat, dass für 2025 schon jetzt Kürzungen von 50 Millionen Euro geplant sind. Und wie will die Politik in Stuttgart diese 50 Millionen „globale Minderausgaben“ einsparen? Mit einem coolen Trick: man streicht einfach mal 50 Millionen aus dem Haushalt, verrät aber der Verwaltung nicht wo, sondern sagt: „macht halt mal“. So muss man nicht Farbe bekennen. Die Entscheider müssen nicht sagen, für was sie Geld haben und für was nicht, das überlassen sie einfach der Verwaltung und bekommen es am Ende vielleicht gar nicht mit, wo die Millionen fehlen.

Das ist gefährlich! Aber vor allem ist es gar nicht nötig. Denn wir als Stuttgart-21-GegnerInnen haben doch tolle Sparvorschläge: Da fällt uns doch was sein, wenn wir uns hier jeden Montag treffen. Liebe Stuttgarter Politik, heute habe ich euch einen Vorschlag und auch gleich noch einen für die Landesregierung mitgebracht, wie man jetzt und zumindest in naher Zukunft die Stuttgarter Haushalte deutlich entspannen könnte. Liebe Stuttgarter Tunnel-Parteien, liebe Stuttgarter Grüne, spart euch doch endlich Stuttgart 21 – und die Rosensteinentwicklung. Das wäre gut für den Arten- und für den Klimaschutz!

Es ist schon bezeichnend – ihr habt es vielleicht heute in der Zeitung gelesen, seit zwei Jahren sage ich, dass das Geld für die Entwicklung von Stuttgart-Rosenstein nicht mehr da ist. Wir haben das Geld nicht für die Erschließung, für die angeblich tollen, blühenden Landschaften bzw. Wohnungen, die da gebaut werden sollen. Denn bevor da überhaupt jemand bauen kann, muss man das Gelände modellieren. Man muss Leitungen legen, man muss Straßen bauen. Seit zwei Jahren ist klar, dass die Erschließung des Rosensteinviertels über eine Milliarde Euro kosten wird, bevor da nur eine einzige Wohnung gebaut wird. Wenn man dann noch die soziale Infrastruktur dazurechnet, die es dazu braucht, damit man diesen Menschen auch noch Bildung zukommen lässt, also Schulen und Kitas, dann wären es nochmals 650 Millionen allein für die Schulen, die benötigt werden würden. Das ist genau die gleiche Summe, die wir für die Bestandsschulen bräuchten, damit es da nicht mehr bröckelt und reinregnet.

Wir sagen, diese Milliarden könnt ihr euch einfach sparen zum Wohl der Menschen, die hier schon leben, für Klima- und Artenschutz. Wir haben genug hier zu reparieren und vorwärts zu bringen und die Stadt zu entwickeln. Setzt nicht auf diese Fata Morgana von einem Rosensteinquartier, von dem man gar nicht weiß, wann es kommen wird, denn es ist ja nach dem Allgemeinen Eisenbahngesetz gar nicht möglich, dort zu bauen. Spart euch das, dann seit ihr auch mit dem AEG im Einklang, und dann haben wir doch die Chance, wirklich noch einen Gäubahnanschluss oberirdisch in den Kopfbahnhof zu realisieren. Das würde der Landeshauptstadt, den Menschen hier und auch den Pendlern und damit der Wirtschaft deutlich mehr bringen, als die Fata Morgana von Rosenstein.

Und wenn dann Züge fahren auf diesen Gleisen, dann haben wir die Chance, die Grundstücksgeschäfte mit der Deutschen Bahn wieder rückwärts abzuwickeln. Die Deutsche Bahn müsste nämlich Hunderte Millionen, die die Stadt für das überteuerte Gelände bezahlt hat, an den städtischen Haushalt zurückgeben. Dann hätten wir tatsächlich mehr Geld im Haushalt, das wir dann für die soziale Teilhabe und den Kampf gegen den Klimawandel investieren könnten!

Sparvorschlag Nr. 1: Spart euch die Entwicklung Rosenstein!

Sparvorschlag Nr. 2: Bei dem geht es nicht ganz um so viel Geld. Der wäre aber sofort umsetzbar und ergäbe trotzdem noch zwei- oder gar dreistellige Millionenbeträge allein für Stuttgart, aber auch für viele Kommunen in Land.

Diesen Mittwoch wird im Landtag über das Landesmobilitätsgesetz beraten. Das ist für uns und die nachhaltige Mobilität wichtig. In diesem Landesmobilitätsgesetz war mal ein innovatives Instrument vorgesehen: der sogenannte Mobilitätspass. Dahinter steckt die Idee einer solidarischen Nahverkehrsfinanzierung. Das heißt: Nicht nur die Menschen, die den öffentlichen Personennahverkehr nutzen, bezahlen diesen, sondern es zahlen alle Menschen und vor allem die Unternehmen in den Städten, wie es andere Länder schon lange praktizieren. Wie es etwa in Frankreich oder wie es in Wien Standard ist, dass die Unternehmen einen fairen Beitrag zur Finanzierung des ÖPNV leisten. So stand es im Mobilitätsgesetzt unter dem Stichwort ‚Mobilitätspass‘ drin.

Jetzt hat klammheimlich im letzten Sommer die CDU dafür gesorgt, dass die Einführung des Mobilitätspasses nie stattfinden wird und somit das Landesmobilitätsgesetz obsolet ist. Die CDU hat nämlich dafür gesorgt, dass genau die Finanzierungsinstrumente, die solidarisch sind, nämlich die Unternehmensbeiträge, rausgefallen sind. Jetzt haben wir einen gekürzten und ganz schwachen Gesetzesentwurf, der am Mittwoch leider völlig unbemerkt durch die Abstimmung gehen wird.

Und das dürfen und können wir eigentlich nicht zulassen! Was bedeutet es denn? Es bleibt eigentlich nur übrig, dass dann alle BürgerInnen Abgaben für den ÖPNV zahlen – oder vielleicht nur die AutofahrerInnen, da haben wir dann gleich wieder den Kulturkampf. Wer glaubt denn ernsthaft, dass auch nur eine Kommune – außer Tübingen vielleicht – dann überhaupt dieses Gesetz anwenden wird, um den öffentlichen Verkehr zu finanzieren, wenn es nur über den Weg geht, den BürgerInnen in diesen Zeiten noch mehr Geld abzuknöpfen.

Deswegen wird dieses Gesetz nicht umgesetzt werden, denn welcher Gemeinderat würde das seinen Bürgern und Bürgerinnen zumuten? Damit werden im ganzen Land Hunderte Millionen fehlen, um den Nahverkehr besser zu machen und auszubauen, die MitarbeiterInnen besser zu bezahlen und den ÖPNV billiger für uns alle zu machen.

Um die Aufweichung des Gesetzes zu verhindern, haben wir von der Fraktion eine Petition gestartet:  Bürgerbegehren Bus und Bahn kostenlos. Wir wollen genau mit diesen Unternehmensbeiträgen den Nahverkehr in Stuttgart kostenlos machen. Und auch wenn das Gesetz in seiner jetzigen Form nicht zu verhindern ist, bitte unterzeichnet diese Petition auf „WeAct“, damit wir am Mittwoch möglichst viele Unterschriften zusammen haben, um wenigstens noch ein bisschen Druck auf die ParlamentarierInnen im Landtag zu machen, dass sie das Landesmobilitätsgesetz wirklich so ausstatten, dass es hinterher angewendet wird, dass die Unternehmen ihren fairen Beitrag leisten, und dass wir einen besseren und billigeren Nahverkehr in ganz Baden-Württemberg organisieren können.

In Stuttgart allein könnten wir über 200 Millionen Euro einnehmen. Wenn die Unternehmen für alle Beschäftigten das 49-Euro-Ticket zahlen würden – wie ein Jobticket, wäre der Nahverkehr für alle kostenlos, und wir hätten trotzdem noch 100 Millionen davon übrig, um den städtischen Haushalt zu entlasten. Es geht wirklich um viel Geld und es lohnt sich.

In diesem Sinne achtet genau darauf, für was die Politik gerade Geld hat, sowohl in der Bundesregierung, als auch hier in Stuttgart, wenn die Beratungen zum Nachtragshaushalt beginnen. Achtet genau auf die Stadträte und auf den Landtag, für was wird Geld gestrichen, für was bleibt es, für welches Prestigeprojekt wird’s ausgegeben?

In diesem Sinne: bleibt weiter dran, bleibt wehrhaft, bleibt standhaft und bleibt oben!

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