Wie weiter mit der Gäubahn?

Rede von Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe (DUH), auf der 743. Montagsdemo am 3.2.2025

Liebe Freunde des Kopfbahnhofes und eines funktionierenden Bahnverkehrs in Deutschland,

die letzten Wochen und Monate waren wahrlich nicht vergnügungssteuerpflichtig:

  • die Amtseinführung von Donald Trump vor 14 Tagen, und die täglichen Horrormeldungen zum Abbau von Demokratie und Umweltschutz in den USA,
  • die sich abzeichnende Koalition in Österreich zwischen den dortigen Christdemokraten – genannt ÖVP – und der rechtsextremen FPÖ,
  • die bereits eingetretene Zusammenarbeit der deutschen Christdemokraten – genannt christliche Volksparteien CDU/CSU – mit der Rechtsextremen AfD bei den Abstimmungen in der vergangenen Woche.

Da freut es mich, heute zu euch mit einer ganzen Reihe guter Nachrichten zu kommen:

  • Wir hatten gerade eine Pressekonferenz zur Gäubahn beim Verkehrsclub Deutschland (VCD). Dabei haben wir gemeinsam mit dem Landesnaturschutzverband eine Studie von Prof. Hohnecker vorgestellt, die beweist, dass um Stuttgart 21 und die neue Station Mittnachtstraße in Betrieb zu nehmen, die Gäubahn nicht unterbrochen werden muss.

Das ist eine gute Nachricht für die Reisenden auf der Gäubahn. Auch die Bahn hat zwischenzeitlich eingeräumt, dass die Bauarbeiten so ausgeführt werden können, dass der Betrieb auf der Gäubahn weiterlaufen kann.

Das ist eine schlechte Nachricht für die beiden Hauptinitiatoren von S21, der Immobilienwirtschaft und dem Tunnelbohrbetrieb Herrenknecht, auf den ich näher eingehen möchte.

  • Aus der Berliner Konzernzentrale der DB AG und insbesondere der InfraGO sickern Informationen heraus, wonach der von der DUH seit vielen Jahren geforderte Doppelbetrieb von Kopf- und Tiefbahnhof nicht nach 12 Monaten beendet, sondern womöglich viele Jahre bis dauerhaft erfolgen müsste.
  • Das Allgemeine Eisenbahngesetz, das die Bebauung der Fläche des Stuttgarter Kopfbahnhofs verhindert, bleibt unverändert. Freuen wir uns über die Botschaft der Stuttgarter Zeitung von vergangenem Donnerstag, dem 30. Januar: Einigung bei Bahnflächen gescheitert – Wohnungsbau vorerst unmöglich.
  • Zehn Tage vor Beginn der Verhandlung unserer Klage für den Fortbestand des direkten Anschlusses der Gäubahn an den Hauptbahnhof und damit Verhinderung des Pfaffensteigtunnels sowie Erhalt des Kopfbahnhofes haben wir nun fast täglich öffentlichkeitswirksame Veranstaltungen für die Menschen, die sich der geplanten Zerstörung des deutschen Bahnverkehrs entgegenstellen.
  • Ein besonderer Paukenschlag am Donnerstagabend: Wir haben im Stuttgarter Rathaus eine Talkrunde veranstaltet, zu der ich den ehemaligen Bahnchef der Schweizer Bundesbahnen und Erfinder des Halbstundentaktes Benedikt Weibel sowie den ehemaligen Vorstand der Gewerkschaft GDL Claus Weselsky eingeladen hatte. Der Saal und die Empore waren bis auf den letzten Platz besetzt: Wir haben neue starke Verbündete im Kampf um die Erhaltung der Gäubahn!
  • Auf zwei besondere Veranstaltungen, an denen auch der Filmemacher Klaus Gietinger, aber auch ich teilnehmen, will ich besonders aufmerksam machen: am Mittwoch in Rottweil und am Freitag in Sulz am Neckar
  • Schließlich der vorläufige Höhepunkt: am kommenden Mittwoch um 10 Uhr beginnt die auf bis zu drei Tagen angesetzte Verhandlung unserer Klage gegen die DB AG und das Eisenbahnbundesamt vor dem Verwaltungsgericht. Mittlerweile geht der DB – nach Aussage eines Informanten (ich zitiere, daher verzeiht mir die deftige Sprache) „Der Arsch auf Grundeis“.

Befürchtete das Gericht im Herbst noch, die Bahn würde sich nur durch einen Juristen vertreten lassen und ordnete das Erscheinen eines „sachkundigen Vertreters“ an, meldete die Bahn nun gleich 11 davon an. Aber nur zwei dürfen sicher in den Sitzungssaal kommen. Genauso wie für weitere Vertreter der DUH und der zahlreichen Verbände und Komitees zur Gäubahn gilt: Wer zu spät kommt, darf nicht in den 100 Plätze fassenden Verhandlungssaal.

Also kommt rechtzeitig und nutzt das Anstehen für vergnügte Gespräche mit den Bahnmanagern.

Ich jedenfalls freue mich auf die Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht. Damit wird erstmals in Deutschland geklärt, ob wir als Umweltverband eine Regierungsbehörde und einen staatseigenen Betrieb zur Einhaltung eines Planfeststellungsbeschlusses erfolgreich verklagen können. Üblicherweise klagen Umweltverbände ja gegen Planfeststellungsbeschlüsse.

Damit findet auch die unerträgliche Küngelei in Hinterzimmern um eine möglichst effektive Zerstörung eines ehemals weltweit bewunderten Bahnsystems statt. Können Sie sich, könnt ihr euch noch erinnern an Werbeslogans wie „Pünktlich wie die Eisenbahn“, „Alle reden vom Wetter – wir nicht?“ oder den Begriff der „Schaltsekunde“ – Abfahrt des Zuges wenn der Zeiger nach einer Kunstpause auf die 0 springt und der Zug sich in Bewegung setzt?

Nein, heute rede ich nicht nur in Erinnerungen, die uns Klaus Gietinger in seinen Kinofilmen zu S21 und Gäubahn ins Gedächtnis ruft.

Wusstet ihr, dass der Stuttgarter Kopfbahnhof nicht nur ein weltweit einzigartiges Gleisgebirge beherbergt und damit viele Kreuzungen kongenial vermeidet, sondern zudem bis heute die Gäubahn mit 81% die pünktlichste Bahnstrecke im Fernverkehr Deutschlands ist? Der SPIEGEL berichtet in einem Leitartikel darüber. Pünktlichster Bahnhof und pünktlichste Bahnstrecke – welche Politiker haben sich hierzu eigentlich stolz geäußert? Ich schrecke vor dem ohrenbetäubenden Schweigen zurück. Offensichtlich ist man davon peinlich berührt.

Warum legt die Politik die Axt an den gesündesten Teil des deutschen Bahnverkehrs? Hat man Angst, von dem Schweizer Bahnvirus einer intakten und zu über 90 % pünktlich verkehrenden Bahn im Halbstundentakt angesteckt zu werden?

Aber nein! Im Ländle greift man nicht zur Axt. Man beauftragt die Firma Herrenknecht, einen funktionierenden Bahnhof mit 100 Kilometer neuen Tunnelröhren für insgesamt über 15 Mrd. € unter die Erde zu zwingen, und will gleichzeitig die Ansteckung vom Schweizer Bahnvirus dadurch verhindern, indem man die Verbindung einfach auf 15 Jahre oder für immer kappt.

Dieser Tage ist wieder einmal bekannt geworden, wie uneigennützig Herr Herrenknecht Politiker und Parteien unterstützt. Nicht nur die CDU auf Bundesebene wird von ihm als einer ihrer größten Spender sechsstellig gefördert. Auch der frühere Verkehrsminister Andy Scheuer wurde reich bedacht. Mindestens 132.000 Euro flossen laut SPIEGEL demnach in die Kampagne des damaligen Bundesverkehrsministers. Eine stattliche Summe. Ich zitiere aus einem Artikel, der vor wenigen Tagen erschien:

Bekannte Personen und Familienunternehmen sind dabei: Der Lobbyist und Daimler-Aufsichtsrat Klaus Mangold, der Tunnelbauer Herrenknecht und der Autoverleiher Sixt.

Die Firma Herrenknecht ist ein Familienunternehmen. An der Spitze steht Patriarch Martin Herrenknecht, 82, der gern scherzt, seine Firma arbeite „legal im Untergrund“. Der Weltmarktführer stellt gewaltige Tunnelbohrmaschinen her, die sich durchs Erdreich fräsen. Und Tunnel lässt hauptsächlich die öffentliche Hand bauen. Das Unternehmen machte zuletzt weltweit eine Milliarde Euro Umsatz pro Jahr.

Die Familie Herrenknecht hat Andreas Scheuer schon früh unterstützt. Martin-Devid Herrenknecht, der Sohn des Chefs, der mittlerweile im Vorstand sitzt, spendete 2013 für Scheuers Wahlkampf: 7.000 Euro. Bereits damals arbeitete Scheuer im Verkehrsministerium – als Parlamentarischer Staatssekretär bei Minister Peter Ramsauer (CSU).

Martin Herrenknecht, der Senior, ist CDU-Mitglied und ein Mensch mit starken politischen Überzeugungen. Vor der Bundestagswahl 2021 warnte er vor einer rot-rot-grünen Regierung. Das Land brauche „sicher keinen Mix aus rückständigen linken Utopien und supergrünem Klimaaktionismus“. Er selbst spendete in jenem Jahr laut Rechenschaftsbericht knapp 300.000 Euro an die CDU und knapp 30.000 Euro an die FDP. Die 20.000 Euro für Scheuers Wahlkampf dagegen kamen von der Herrenknecht AG.

Ging es bei der Scheuer-Spende auch um geschäftliche Interessen? Drei Monate nach der Überweisung schickte Herrenknecht einen Brief an den Minister. Sein Thema: der Bau neuer Bahnstrecken. Scheuer antwortete ebenfalls per Brief. „Für Ihr Schreiben vom 19. Juli 2021 danke ich Ihnen.“ Und weiter: „Ich stimme mit Ihnen überein, dass wir insbesondere bei den Schlüsselprojekten der Schieneninfrastruktur eine zeitnahe Inbetriebnahme benötigen.“

Zudem übermittelte Scheuer Informationen zu drei Projekten „von besonderer Wichtigkeit“. Es ging um den Brenner-Nordzulauf, die Rheintalbahn und den Fernbahntunnel Frankfurt. Dort sollen neue Trassen auch unterirdisch verlaufen, was sie für einen Hersteller von Tunnelbohrmaschinen interessant macht.

Die Herrenknecht AG betont, sie habe „durch die Kontakte zu Herrn Scheuer keine geschäftlichen oder in sonstiger Weise irgendwie gearteten Vorteile“ erlangt. Auf Informationen des Ministers sei die Firma zu keinem Zeitpunkt angewiesen gewesen. Martin Herrenknecht habe es vielmehr als seine „staatsbürgerliche Verpflichtung“ angesehen, Scheuer „über mögliche Infrastrukturprojekte und deren Bedeutung zu unterrichten“.

Liebe Freunde des Kopfbahnhofs und einer funktionierenden Bürgerbahn in Deutschland: Wir müssen uns aus der Umklammerung der Autokonzerne, der Tunnelbohr- und Immobilienwirtschaft befreien. Und mit eurer Hilfe schaffen wir das auch.

Deshalb:

  • Macht mit bei den Aktivitäten der Gäubahnkommittees und der Verbände
  • Schreibt Leserbriefe, sprecht jeden Tag die Politiker im Land und im Bund an. Es ist Wahlkampf!
  • Tragt unser Thema auf die Straße, so wie dies hier jeden Montag erfolgt.
  • Und schließlich meine ganz große Bitte:
  1. Unterstützt unsere Klage mit einer Gäubahn-Patenschaft
  2. Macht mit bei der Petition zum Erhalt der Gäubahn

Und daher am Ende meiner Rede: „OBEN BLEIBEN!“

Rede von Jürgen Resch als pdf-Datei

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