Stuttgart 21 – Abstellbahnhof Untertürkheim

Rede von Dr.-Ing. Hans-Jörg Jäkel, Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21, Ingenieure22, auf der 741. Montagsdemo am 20.1.2025

Über die Probleme von S21 mit dem Abstellbahnhof in Untertürkheim habe ich schon zwei Mal gesprochen – im Juni 2023 (662. Demo) und dann im Juli 2024 (714. Demo). Viele Nachfragen beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA) und beim Verkehrsministerium brachten Antworten, die eine deutliche Verschärfung und Klarstellung der Thematik bedeuten. Unsere Informationen haben ja sogar die Stuttgarter Presse zum Jahreswechsel bewegt, ausführlich und für ihre Verhältnisse sehr kritisch darüber zu berichten. Tom Adler ist in seiner Rede am vergan­genen Montag schon darauf eingegangen und hatte „demnächst Genaueres“ angekündigt – das mache ich dann doch gleich heute.

Ein Abstellbahnhof sorgt dafür, dass nachts bzw. generell außerhalb der Hauptverkehrszeit die Züge nicht irgendwo auf einer Strecke ohne Fahrgäste unterwegs sein müssen. In der Regel wird er auch genutzt, um die notwendigen Reinigungs- und Wartungsarbeiten durchzuführen. Um das heute für den Abstellbahnhof genutzte Gelände an Rosensteinpark und Schlossgarten der Immobilienentwicklung zu übergeben, wurde für S21 ein Abstell­bahnhof in Untertürkheim vorgesehen. Der entsprechende Planabschnitt 1.6b wurde viel später als alle anderen erst im Dezember 2021 vom EBA genehmigt und ist nun auch im Bau. Aber was nutzt dieser Abstellbahnhof, wenn er nicht (richtig) an den Hauptbahnhof ange­bunden ist?  Das ist dann wie eine Brücke, die ohne Straßenanbindung in der Landschaft steht – im Volksmund So-da-Brücke genannt. In Stuttgart gäbe es dann einen So-da-Bahnhof.

Da der Abstellbahnhof in Untertürkheim viel weiter vom Hauptbahnhof entfernt ist (ca. 5 km) als der jetzige am Rosenstein, gibt es einen extra Planfeststellungsabschnitt 1.6a, der die Anbindungen sowohl über den Wangener Tunnel, als auch vom Bahnhof Bad Cannstatt umfasst. Dort ist auch der für die Betriebsabläufe von S21 immer wieder hervorgehobene „Ringverkehr“ dargestellt, und die Genehmigung wurde bereits 2007 erteilt.

Eine Anbindung des Abstellbahnhofs – die über Wangen mit einer bautechnisch sehr anspruchsvollen kreuzungsfreien Verzweigung in den Tunneln unter dem Neckar – ist weitgehend fertig. Über diese Anbindung können Züge in den Abstellbahnhof fahren, die von Norden nach Stuttgart kommen, also z.B. aus Heilbronn, Karlsruhe oder Mannheim. Diese Anbindung wird auch genutzt, um Züge dorthin bereitzustellen. Das sind insbesondere etliche ICE‘s von DB Fernverkehr, aber natürlich auch Regionalzüge des Landes Baden-Württemberg.

Die andere Anbindung – die von und nach Bad Cannstatt – ist nicht ganz so spektakulär geplant, aber auf ca. 500 m muss die landwärtige Strecke der S-Bahnlinie S1 am Motoren­werk von Daimler in einer Art Tunnelgebirge eingehaust werden. Sowohl darauf, als auch daneben sollen dann neue Gleise verlegt werden. Eine andere Lösung ist schwer machbar, da man für das Motorenwerk zu viel Bahngelände des früheren Ausbesserungswerkes Bad Cannstatt nach § 23 AEG freigestellt hat.

Im Gegensatz zu der fast fertigen Anbindung über Wangen sind die Bauarbeiten für die Strecke nach Bad Cannstatt (fast) nicht begonnen. Die Deutsche Bahn teilt dem EBA und dem Verkehrs­ministerium seit 2021 mit, dass eine Planänderung des 2007 (!) genehmigten Planes erfor­derlich sei. Dafür werden ganz verschiedene Gründe genannt. Das reicht von baulicher Komplexität über die Eidechsen bis hin zu „neuen Richtlinien“. Aber wann die DB beim EBA neue Pläne vorlegt oder erst recht, wann denn die Anbindung nach Bad Cannstatt gebaut bzw. fertig gestellt wird, das „steht in den Sternen“.

Als Ausrede verweist die DB auf ein be­stehendes Gleis, das vom Bahnhof Bad Cannstatt aus auf der westlichen Seite des Motoren­werks entlang zur S-Bahn-Station Neckarpark verläuft. Aber um dann zum Abstellbahnhof zu gelangen, müssen direkt hintereinander auf einer Ebene beide Gleise der stark befahrenen Güterumgehungsstrecke nach Kornwestheim und auch noch die beiden Gleise aus dem Wangener Tunnel zur sogenannten „Interregio-Kurve“ gekreuzt werden. Eine danach noch notwendige Wende zu den eigentlichen Abstellgleisen erhöht den betrieblichen Aufwand weiter. Es entsteht ein gravierender Kapazitätsengpass.

Der DB scheinen diese Probleme egal zu sein. DB Fernverkehr lässt ja in Stuttgart auch nur wenige Züge nach Süden, also nach Tübingen, Ulm und München beginnen, bzw. Züge von dort in Stuttgart enden. Das für den Regionalverkehr zuständige Verkehrsministerium beschreibt die zu erwartenden massiven Probleme aber so:

  • Zwischen Abstellung und Tiefbahnhof sind statt 15 nun 45 Minuten mit entsprechendem Mehraufwand bei Personal- und Fahrzeugkosten erforderlich
  • Züge müssen aus anderen Standorten bereitgestellt werden bzw. dorthin fahren.
  • Nicht alle für die Hauptverkehrszeit gewünschten Verstärkerzüge können in den Fahrplan aufgenommen werden.

Die betrieblichen Mehrkosten für den Regionalverkehr ignoriert die DB offenbar. Das gilt auch für eine Planänderung, die von der DB beim EBA beantragt wurde, um die vorge­sehenen Reinigungsanlagen nicht bzw. nur eingeschränkt zu bauen. Ist die Reduktion der Bahninfrastruktur in Stuttgart auf bzw. unter ein Mindestmaß etwa das Ergebnis des Urteils in der Mehrkostenklage? Werden die Projektpartner jetzt so erpresst?

Dass die Probleme zumindest in Teilen beim EBA erkannt werden, das zeigt eine mir vorliegende und auch in der Presse zitierte Aussage, wonach „die verzögerte Anbindung zudem als Belang in den Planfeststellungsverfahren zum Rückbau der Betriebsanlagen am bestehenden Hauptbahnhof behandelt wird“.

Die verzögerte Anbindung des Abstellbahnhofs wird damit genauso zum Anker für den Erhalt unseres Kopfbahnhofs wie die fehlende Anbindung der Gäubahn. Gäubahn und Abstell­bahnhof nehmen ihn sozusagen in ihre Mitte und beschützen ihn.

Noch einen dritten Anker für den Erhalt des Kopfbahnhofs liefert die DB selbst. Die begrenzte Leistungsfähigkeit des Tiefbahnhofs mit seinen lediglich acht Gleisen kann auch durch ETCS nicht so gesteigert werden, dass ein Verzicht auf die oberirdischen Gleise möglich sein wird.

Diese Situation und ihre Lösung fassen wir ganz einfach zusammen mit: „Oben bleiben“.

Rede von Hans-Jörg Jäkel als pdf-Datei

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